Denn sie wissen, dass die Kunden beziehungsweise deren Einkäufer, kaum ist die Bürotür hinter ihnen geschlossen, folgendes Klagelied anstimmen: „Wie Sie wissen, steht es zur Zeit um die Wirtschaft schlecht. Das spürt auch unser Unternehmen. Unser Umsatz … “ Und es wird in der Forderung münden: „Deshalb müssen Sie Ihre Preise senken.“
Dieses Szenario erleben die Vertriebsbeauftragten der Unternehmen aktuell Tag für Tag. Mit entsprechend niedrigen Erwartungen gehen sie in die Vertragsverhandlungen, und entsprechend schnell werden sie von den Einkäufern an die Wand gedrückt – sofern sie nicht ausreichend auf die Gespräche vorbereitet sind.
Eine solide Gesprächsvorbereitung ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sehr wichtig. Denn in ihnen wird härter verhandelt als in guten Zeiten – auch weil die Einkäufer in wirtschaftlich schlechten Zeiten am längeren Hebel sitzen. Und diese Chance nutzen sie, um auszuloten: Wie viel Spielraum hat mein Gegenüber? Und: Welche Zugeständnisse sind für uns noch drin? Dies zu tun, gehört zum Job der Einkäufer. Ihre Kernaufgabe lautet zwar nicht, möglichst billig, aber möglichst preis-wert einzukaufen. Das heißt: die für ihr Unternehmen beste Kosten-Nutzen-Relation zu erzielen.
Deshalb wird, wenn sich Verkäufer und Einkäufer gegenüber sitzen, auch keineswegs nur über Preise und Liefermengen gesprochen. Auf der Tagesordnung stehen auch Themen wie:
- Welche Qualität sollen die gelieferten Produkte/Problemlösungen haben?
- Welche „Leistungen“ sind im Lieferpaket enthalten?
- Wie und wann wird angeliefert?
- Wie sehen die Zahlungsmodalitäten aus?
- und, und, und ….
Und hier liegt der zentrale Schlüssel, um auch in schwierigen Verhandlungen gute Preise zu erzielen. Je genauer ein Verkäufer im Vorfeld einer Verhandlung die möglichen Verhandlungspunkte analysiert, umso größer ist die Verhandlungsmasse und somit sein Verhandlungsspielraum.
Genau analysieren sollten Verkäufer im Vorfeld einer Verhandlung auch: Wie ist die Situation im Marktsegment des Kunden? Dies ist wichtig, denn Einkäufer neigen aus verhandlungstaktischen Gründen dazu, selbst wenn die Situation nur grau ist, diese pechschwarz zu malen.
Faktisch werden aber von Krisen wie der aktuellen nicht alle Branchen mit gleicher Schärfe erfasst – und auch in den verschiedenen Marktsegmenten einer Branche gibt es Unterschiede. Während in einigen das Gros der Unternehmen bereits kurz vor dem Aus steht, schreiben in anderen die meisten Betriebe noch schwarze Zahlen. Entsprechend wichtig ist es im Vorfeld von Verhandlungen, nochmals genau zu analysieren: In welchem Marktsegment ist mein Kunde überhaupt aktiv?
Ein drittes Themenfeld ist die Marktsituation und -position des jeweiligen Kunden. Hieraus ergibt sich, auf welchem Ohr er erreichbar ist. Informieren Sie sich vor der Verhandlung darüber, vor welchen Herausforderungen Ihr Kunde aktuell steht. Schrumpft sein Markt oder schnappen ihm die Mitbewerber die lukrativsten Aufträge weg? Hat das Unternehmen eher mit dem Cash-flow oder dem Ertrag Probleme? Sind seine Produkte und Verfahren innovativ oder steht es unter einem hohen Innovationsdruck?
Analysieren Sie auch die Beziehung Ihres Unternehmens zum Kunden: Welche Schwierigkeiten gab es? Wie wurden sie gelöst? Welche Umsätze sowie Erträge erzielte Ihr Unternehmen mit dem Kunden? Ermitteln Sie bei Bestandskunden auch, welche (Service-)Leistungen Ihr Unternehmen für den Kunden erbrachte, die in keiner Rechnung auftauchten und zu denen Sie vertraglich nicht verpflichtet waren. Erstellen Sie eine Leistungsbilanz, damit Sie bei der Verhandlung „Argumentationsfutter“ haben
Wenn Sie diese Infos haben, können Sie definieren: Mit welchem Maximal- und welchem Minimalziel gehe ich in die Verhandlung? Und was sind die Verhandlungspunkte, die ich bei Bedarf in die Waagschale werfe? Danach können Sie eine kundenspezifische Argumentationskette für die Verhandlung entwerfen.
In der Verhandlung sollten Sie stets vor Augen haben: Schon geringe Preisnachlässe haben oft eine große Auswirkung auf die Rendite. Hierfür ein Beispiel: Ein Industriezulieferer hat eine Umsatzrendite von fünf Prozent. Erzielt das Unternehmen nur ein Prozent niedrigere Preise, dann sinkt zwar auch der Umsatz nur um ein Prozent, der Gewinn sinkt aber um 20 Prozent. Entsprechend scharf sollten Sie Ihre Preise verteidigen.
Schaffen Sie in Verhandlungen zunächst eine positive Gesprächsatmosphäre. Zum Beispiel, indem Sie Bestandskunden nochmals vor Augen führen, welchen Nutzen sie aus der Zusammenarbeit ziehen. Dies sollten Sie ihnen aber nicht einfach sagen. Fragen Sie vielmehr zum Beispiel: Wie waren Sie mit der Zusammenarbeit im vergangenen Jahr zufrieden? Hat sich die Problemlösung x bewährt?
Hat der Kunde die Vorzüge einer Zusammenarbeit mit Ihnen vor Augen, können Sie zum Beispiel sagen: „Ihre Ausführungen entnehme ich, dass Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden sind.“ Bejaht der Kunde dies, kann als Anschluss folgen: „Dann wollen Sie vermutlich auch künftig mit uns zusammenarbeiten.“
War die Zusammenarbeit wirklich gut, wird der Kunde dies bestätigen – jedoch mit der Einschränkung „Wenn Sie uns preislich entgegen kommen“. Daraufhin wird der Kunde all seine Argumente nennen, warum in der aktuellen Marktsituation ein Preisnachlass unumgänglich ist – schließlich hat auch er sich auf die Verhandlung vorbereitet. Und häufig werden seine Ausführungen in Aussagen münden wie: „Mir liegt ein Konkurrenzangebot vor, das fünf Prozent günstiger ist als Ihr Angebot.“
Reagieren Sie auf diese Forderung weder panisch noch entsetzt. Schließlich zeigt die Tatsache, dass der Einkäufer mit ihnen spricht: Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Und: Der Preis ist offensichtlich nicht das einzige Entscheidungskriterium des Kunden. Entsprechend gelassen sollten Sie zum Beispiel erwidern: Ja, wir sind etwas teurer als manche Mitbewerber, denn wir ….“ Bestätigen Sie also zunächst den etwas höheren Preis und entrollen Sie dann Ihre Argumentationskette, warum sich eine Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen trotzdem lohnt.
Oder anders formuliert: Warum Ihr Unternehmen zwar nicht der billigste, aber der preis-werteste Anbieter ist. Diese Argumentation kann zum Beispiel in der Aussage münden: „Deshalb können wir Ihnen 0,47 Prozent mit dem Preis entgegenkommen, wenn …..“ Nennen Sie also, wenn Sie Preisnachlässe anbieten, nie glatte Zahlen. Denn Ihre Preise sind scharf kalkuliert. Und knüpfen Sie den offerierten Nachlass stets an Bedingungen.
Wenn Sie Ihrem Partner trotz Krise nur einen so niedrigen Preisnachlass offerieren, wird dieser vermutlich laut Zeter und Mordio schreien und eventuell sogar drohen: „Dann ist unsere Zusammenarbeit beendet.“ Daraufhin können Sie zum Beispiel ganz ruhig erwidern: „Das haben wir uns gedacht. Aus diesem Grunde haben wir nochmals mit unseren Zulieferern verhandelt. Außerdem haben wir die Abläufe xy optimiert. Dadurch konnten wir unsere Kosten um über ein Prozent senken. Deshalb können wir Ihnen einen Nachlass von 1,52 Prozent gewähren, wenn ….“
Daraufhin wird Ihrem Partner erst mal ein Stein vom Herzen fallen. Denn 1,52 Prozent klingen schon ganz anders als 0,47 Prozent. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass er den Preis akzeptiert. Vielmehr ist nun erst die Basis für die weitere Verhandlung gelegt.
Hierbei muss der Verkäufer sein gesamtes Verhandlungsinstrumentarium auspacken. Hierzu zählt, dass er den Preisunterschied relativiert. Zum Beispiel, indem er sagt: „Unsere Leistungen haben an ihren Gesamtkosten nur einen Anteil von 5 Prozent. Wenn Sie uns trotz des 3,5 Prozent höheren Preises als Partner engagieren, dann steigen Ihre Gesamtkosten also nur um 0,175 Prozent. Wollen Sie dafür das Risiko eingehen, dass ….“
Außerdem sollte der Verkäufer die Preisdifferenz möglichst isolieren – zum Beispiel, indem er statt um Prozente zu feilschen sagt: „Wenn wir also den Differenzbetrag von 2200 Euro kompensieren, dann würden Sie mir den Auftrag erteilen.“
Stimmt der Kunde dem zu, sollten Sie ihn bitten, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Preisdifferenz kompensiert werden kann. Hierfür gibt es zahllose Möglichkeiten. Zum Beispiel: Das Zahlungsziel verändern. Oder den Auftragumfang erhöhen. Oder gewisse Leistungselemente streichen.
Wie flexibel Sie beim Verhandeln agieren können, hängt von Ihrer Beziehung zum Kunden ab, Ihrem Verhandlungsgeschick und von Ihrer Gesprächsvorbereitung. Generell gilt jedoch: Wenn Sie dem Kunden erst einmal gesagt haben „Das ist mein Preis“, dann müssen Sie diesen mit Händen und Füssen verteidigen. Denn wenn Sie zu schnell einknicken, hat der Einkäufer das Gefühl: „Der wollte es mal probieren.“
Das belastet ihre Beziehung. Außerdem kann der Einkäufer dann anschließend nicht voller Stolz sagen: „Weil ich so geschickt und hartnäckig verhandelt habe, müssen wir nun für das Spitzenprodukt (beziehungsweise die Top-Leistung) kaum höhere Preise bezahlen.“ Gönnen Sie dem Einkäufer dieses persönliche Erfolgserlebnis. Hauptsache, Sie haben den Auftrag in der Tasche …. ohne dass Sie dem Kunden Zugeständnisse machen mussten, die Sie wirklich schmerzen.
Peter Schreiber ist Inhaber des Trainings- und Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld.