Aus der Politik kennt man es bereits: das Führungsduo. Das bekannteste dürfte derzeit das aus Annalena Baerbock und Robert Habeck sein, die sich den Grünen-Parteivorsitz teilen. Das Konzept eines Führungsduos gibt es auch in deutschen Unternehmen – nur ist es noch nicht so etabliert. Denn Arbeit im Führungsduo bedeutet auch, dass eine Vollzeitstelle in ungefähr zwei Mal Teilzeit aufgeteilt wird. Zwei Personen treffen dann gemeinsame Entscheidungen. Der dazugehörige Anglizismus: Jobsharing.
Jobsharing nicht nur beliebt
Eine Führungskraft in Teilzeit – davon halten 45 Prozent der Personalleiter in Deutschland nichts. Das hat eine Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo und des Personalvermittlers Randstad unter 630 Personalverantwortlichen ergeben. Für 40 Prozent der Befragten ist ein Halbtags-Chef demnach aber zumindest denkbar.
„Arbeitszeit sollte in zukunftsgerichteten Unternehmen kein Maßstab mehr für Führungsleistung sein“, sagt Richard Jäger, Chef von Randstad Deutschland. „Hier sind in erster Linie entsprechende fachliche und soziale Kompetenzen gefragt, alles andere ist eine Frage der Organisation und nicht der 40-Stunden-Woche.“
Mehr Zeit für Familie durch Jobsharing
Dem Verband für Fach- und Führungskräfte (DFK) zufolge hat Führung in Teilzeit eine Reihe an Vorteilen für den Betrieb. Teilzeitkräfte seien kreativer und unter dem Strich auch motivierter, da ihnen nur wenige Arbeitsstunden pro Tag oder Woche zur Verfügung stünden. „Die Motivation steigert sich auch aufgrund der Möglichkeit zur Vereinbarung von Beruf mit Familie und Freizeit. So haben nicht nur Frauen die Möglichkeit, für die Familie da zu sein, sondern auch die Väter“, sagte DFK-Vorstand Nils Schmidt. Durch moderne Führungsformen würde der Beruf an die eigene Lebenssituation angepasst, starre Rollenbilder könnten verworfen werden.
Teilzeitlösungen seien daher auch für Männer, aber gerade für Frauen wichtig. „Da Frauen ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt durch zum Beispiel Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen häufiger und länger als Männer reduzieren, führt der in weiten Teilen der Wirtschaft weiter gelebte Standardkarriereprozess bei ihnen zu einem Karriereknick und einer Karrierefalle“, sagt Anke Janetzki, Sprecherin des Verbands deutscher Unternehmerinnen.
Frauenanteil in Führungspositionen
In Deutschland sind derzeit nur rund 28 Prozent der Führungspositionen, etwa in Vorständen oder der Geschäftsführung, von Frauen besetzt. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts von 2020 hervor. Zum Vergleich: EU-Spitzenreiter Lettland hatte 2020 einen Frauenanteil in Führungspositionen der Wirtschaft von 47 Prozent.
Eine stichprobenartige Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab, dass es zwar in vielen großen Unternehmen in Deutschland Bemühungen zur Förderung von Frauen gibt. Dennoch ist der Frauenanteil oft niedrig: Bei Thyssenkrupp etwa waren 11,2 Prozent der Personalverantwortlichen im Jahr 2020 Frauen, beim Autobauer BMW waren es 16,2 Prozent. Bei der Deutschen Post DHL Group waren 23,2 Prozent der Führungsposten in Frauenhand.
BASF hat eine Jobsharing-App
Das Jobsharing-Modell gibt es zwar in einigen Firmen, weit verbreitet ist es aber noch nicht. Ob es „Shared Leadership“ (geteilte Führung) oder „Joint Leadership Tandems“ (gemeinsame Führungsduos) heißt – das Konzept ist immer dasselbe. Zwei Personen lösen Probleme, entwickeln Ideen und treffen Entscheidungen. So gibt es beim Chemieunternehmen BASF, wenn auch nur vereinzelt, bereits Führungsduos.
„Jobsharing bietet nicht nur Vorteile für die Tandempartner. Auch die Teams profitieren von dem Know-how zweier Köpfe und die Mitarbeiter haben immer einen Ansprechpartner“, sagt eine Sprecherin des Chemiekonzerns. BASF-intern gibt es eine Jobsharing-App, mit der sich Gleichgesinnte vernetzen und zu Arbeitspartnern werden können. Auch bei BMW hat sich nach Angaben des Unternehmens Jobsharing als sinnvolle Alternative etabliert. Seit Oktober 2020 stehe das Modell prinzipiell für Angestellte des ganzen Unternehmens zur Verfügung.
Nachteil von Jobsharing
Es gibt aber auch ein wichtiges Argument gegen Teilzeit-Chefinnen und -Chefs: Leitende Angestellte sind nicht an das Arbeitszeitgesetz gebunden, wie der Verband für Fach- und Führungskräfte erklärt. „Somit kann auch eine Stelle, die ja zeitlich offen ist, nur schwer begrenzt werden.“ Dann bestehe die Gefahr, dass die Teilzeitstelle schleichend doch wieder zum Vollzeit-Job wird.
Von Weronika Peneshko, dpa