Decision Fatigue: Die verborgene Gefahr für das Marketing 

Je mehr Entscheidungen wir treffen müssen, desto stärker lässt die Qualität dieser Entscheidungen nach. Um dem zu entgehen, muss modernes Marketing die Customer Journey vereinfachen.
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Linda Voß ist Director Strategy und Marc Philipp Nolting Strategist bei EssenceMediacom.  (© EssenceMediacom, Montage: Olaf Heß)

In einer Welt voller Überfluss und Optionen passiert es schnell, dass man sich in der täglichen Entscheidungsflut verliert. Ob es um das Abendessen geht, die Wahl des nächsten Urlaubsziels oder die Entscheidung für ein Serien-Highlight – die ständige Konfrontation mit unzähligen Wahlmöglichkeiten führt zu einem Phänomen, das in der Psychologie als Decision Fatigue bekannt ist. Dieser Zustand beschreibt die nachlassende Qualität unserer Entscheidungen, je mehr wir davon treffen müssen.  

Im modernen Marketing hat das Phänomen weitreichende Folgen, schließlich werden Konsumentinnen und Konsumenten täglich mit einer überwältigenden Anzahl an Werbebotschaften, Produkten und Dienstleistungen konfrontiert. Dieser Überfluss führt nach der Decision-Fatigue-Theorie paradoxerweise dazu, dass ihre Entscheidungsfreudigkeit sinkt.  

Marketing im Zeitalter der Entscheidungsmüdigkeit: Weniger ist oft mehr 

Die zentrale Frage lautet für das Marketing: Wie können wir es den Konsumentinnen und Konsumenten erleichtern, eine Entscheidung zu treffen, die sie nicht nur zufriedenstellt, sondern auch das Vertrauen in die Marke stärkt? Eine überladene Auswahl ist definitiv nicht die Lösung. Der Fokus sollte stattdessen darauf liegen, die Customer Journey zu vereinfachen. Dies kann bereits durch eine gezielte Reduktion der Wahlmöglichkeiten und eine klare Kommunikation der Produktvorteile gelingen. 

Künstliche Intelligenz bietet hier eine enorme Unterstützung. Sie hilft nicht nur dabei, den Entscheidungsprozess zu vereinfachen, sondern liefert auch personalisierte Produktempfehlungen, die auf den individuellen Vorlieben der Nutzerinnen und Nutzer basieren.  

Heuristiken: Der mentale Shortcut zur besseren Entscheidung 

Menschen greifen in Entscheidungssituationen je nach Kontext auch auf bewährte mentale Abkürzungen, sogenannte „Heuristiken“, zurück. Eine dieser Methoden ist das Vertrauen in Expertenwissen. Ob es sich um Meinungen von Influencern, Familienmitgliedern oder Freunden handelt – Konsumentinnen und Konsumenten lassen sich oft von vertrauenswürdigen Quellen leiten, um die Entscheidungsfindung zu vereinfachen. Knapp 70 Prozent von ihnen vertrauen laut Nielsen eher auf diese Empfehlungen als auf Informationen, die direkt von Marken stammen. 

Eine weitere verbreitete Strategie ist das sogenannte „Satisficing“. Dabei wird nicht die optimale Lösung gesucht, sondern die erstbeste Option gewählt, die den Mindestanforderungen genügt. Diese Entscheidungsstrategie ist besonders bei Konsumentinnen und Konsumenten zu beobachten, die in einer Flut von Angeboten schnell zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen wollen.  

Die Rolle der Consumer Centricity 

Im Zeitalter der Decision Fatigue wird es für Marken umso wichtiger, die Konsumentinnen und Konsumenten konsequent in den Mittelpunkt ihrer Strategien zu stellen. Consumer Centricity bedeutet heute mehr als nur Kundenorientierung. Es geht darum, ihre spezifischen Bedürfnisse zu verstehen und ihnen eine maßgeschneiderte, leicht verständliche und dem Kontext angemessene Auswahl an Produkten und Lösungen anzubieten.  

Eine der effektivsten Methoden, um den Entscheidungsprozess zu vereinfachen, besteht in der fortlaufenden Optimierung der Customer Journey. Durch eine sorgfältige Content-Kuration der Informationsflut, die Beseitigung unnötiger Schritte und das Hervorheben wichtiger Entscheidungspunkte kann der Kaufprozess beschleunigt und die Zufriedenheit der Kunden erheblich gesteigert werden.  

Fazit: Marketing im Zeichen der Vereinfachung 

Die Herausforderungen der Decision Fatigue sind komplex und vielschichtig. Klar ist in jedem Fall: Marken, die es schaffen, den Entscheidungsprozess für ihre Kundinnen und Kunden zu vereinfachen und dabei auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen, werden langfristig erfolgreicher sein. Im Kern muss es stets darum gehen, die kognitive Belastung der Konsumentinnen und Konsumenten zu verringern und ihnen durch klare, einfache und personalisierte Lösungen die Entscheidung je nach Kontext zu erleichtern.