In Berlin steht eine riesige Flasche mit Herzchen-Nagellack vor dem Brandenburger Tor und läuft über. In Paris düsen übergroße Bambino Bags von Jacquemus durch die Straßen. In New York wischt sich die Freiheitsstatue mit einem Tuch übers Gesicht und bekommt reine Haut; vorher hatte sie Pickel.
Wie das möglich ist? Mit Manipulated Reality.
Scrollt man durch Social Media, begegnen einem nicht nur diese, sondern immer mehr Videos, die reale Orte oder Wahrzeichen mittels Manipulated Reality zeigen – dabei stehen die Produkte von bekannten Brands ganz klar im Mittelpunkt.
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Je absurder, desto besser. Denn wie bei allen Kampagnen geht es natürlich um Aufmerksamkeit – doch wie bekommt man die heutzutage eigentlich noch?
“Es gibt so viel Content, der educational oder entertaining ist. Deshalb haben wir versucht, eine neue Content-Kategorie zu erschließen”, erklärt Hans Neubert. Er ist Lead Media Activation Manager bei Neonail und hat die Muttertagskampagne, die eben mit dem Herzchen-Nagellack vor dem Brandenburger Tor spielte, digital konzipiert. Zusammen mit einem CGI-Designer hatte er vier Wochen Zeit, um von der Idee bis zum 3D-Modell der Flasche zu gelangen.
Zu sehen war die Kampagne auf TikTok, Google Ads, YouTube, Instagram und Facebook. “Wir hatten 26 Prozent mehr organische Reichweite und 25 Prozent mehr Engagement als der Durchschnitt unserer organischen Posts”, sagt Hans Neubert. Nach drei Tagen war der Herzchen-Nagellack unter den Top 10 Bestsellern in der Beauty-Kategorie von Amazon. Jetzt, wo das digitale Modell des Nagellacks bestehe, würden sie schon an den nächsten Kampagnen sitzen.
Manipulated Reality erhöht Impressions, Views und Engagement
Die reine Haut hat die Freiheitsstatue übrigens der Rare Earth Deep Pore Cleansing Mask beziehungsweise der Kampagne von Kiehl’s zu verdanken. Aline Perret, Brand Direktor bei Kiehl’s, sagt: “Wir haben das Video organisch auf unserem Instagram-Kanal gepostet. Durchschnittlich wurde es doppelt so häufig angesehen wie unsere anderen Videos.”
Auch GLISS wagte das Spiel mit der Realität und hat eine Kampagne mit drei Creators gemacht, die sehr erfolgreich war. Cathérine Kemmer von Social Match teilte folgende Einblicke: “Wir haben insgesamt 6.433.175 Impressions erzielt – eigentlich wurde mit 4.545.000 gerechnet. Die Engagement Rate bei Instagram lag bei 7,3 Prozent, hier liegt der Bench bei 6 Prozent. Die Engagement Rate bei TikTok lag bei 14,3 Prozent, hier liegt der Bench bei 10 Prozent.”
Wo endet die Realität?
Obwohl die GLISS-Community begeistert war, hatten einige die vermeintliche Guerilla-Aktion sogar geglaubt. Denn wie so häufig stellt sich hier grundlegend die Frage: Wo endet die Realität und was ist computergeneriert?
Darauf hat Mario Bertsch, dm-Geschäftsbereichsverantwortlicher Marketing & Digital, eine Antwort: “Grundsätzlich kennzeichnen wir diesen KI- und CGI-Content mit einem Hinweis, sodass für alle Nutzerinnen und Nutzer die computergenerierte Unterstützung dennoch klar erkennbar bleibt.” So waren zu Weihnachten ein digitaler Weihnachtsbaum in Form einer Spülmittelflasche und im Alltag ein virtueller dm-Automat auf einem Bahnsteig zu sehen. “Wir verproben verschiedene Visualisierungen mit unserer dmKI, dmGPT oder unserem neuen dmKI Studio. Für die Social-Media-Welt ist das immer ganz unterhaltsam und für uns ein gutes Lernfeld, welche Möglichkeiten wir durch die neuen Technologien haben”, sagt Mario Bertsch.
Es scheint, als wäre der Einsatz von Künstlicher Intelligenz unabdingbar, wenn man Aufmerksamkeit und Erfolge erzielen möchte. Obwohl es noch ein bisschen dauert, lässt der Trend stark vermuten, dass es an Weihnachten einige Kampagnen mit Manipulated Reality zu sehen geben wird. Die Frage ist: Welche Symbiose entsteht, wenn die vorweihnachtliche Emotionalität mit Manipulated Reality kombiniert wird?