Wenn man sich das neue Design ansieht, sticht einem sofort ins Auge, dass sich Nivea wieder voll auf die blaue Dose der Hautcreme konzentriert. Diese wird auf den diversen Verpackungen zum runden blauen Logo mit dem weißen Niveaschriftzug in der Mitte. Aber damit nicht genug. Zusätzlich will man so auch die Farbvielfalt der diversen Niveaprodukte (Hautcreme blau, Sonnencreme blau-orange, Nachtcreme dunkelblau und so weiter) klar reduzieren. So startet man ab Januar dieses Jahres schrittweise die Umstellung auf das neue Design. Mit diesem Schritt rückt auch die Dachmarke Nivea mit ihrer blau-weißen Dosenhistorie wieder mehr in den Vordergrund. Die einzelnen Produkte- und Produktlinien wiederum treten so mehr in den Hintergrund und müssen sich der Dachmarke unterordnen.
Vorsicht vor vorschneller Beurteilung
Wenn man als außenstehender Beobachter dieses neue Produktdesign das erste Mal sieht, neigt man schnell zu einer vorschnellen subjektiven Beurteilung oder zu einer Fragestellung wie etwa: „Sieht das neue Design schöner als das alte aus? Wirken die Nivea Produkte jetzt moderner als früher? Gefällt mir persönlich das neue Design besser?“ So konnte man auch schon auf Facebook lesen, dass manche das neue Design altmodisch oder billig finden.
Nur all das sind die falschen Fragen in unserer kommunikationsüberlasteten Gesellschaft. Die entscheidende Frage lautet: Wird die Marke so am Point of Sale wieder sichtbarer? Und das wird Sie! Denn alle Produkte sprechen dann alleine und im Regal vor allem in Summe nebeneinander dieselbe visuelle Markensprache. Aber genau das tun viele Marken am Point of Sale heute nicht.
Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe
Grund Nummer eins: Im Mittelpunkt der Designentwicklung steht das „schöne Design“ selbst. So werden sich in den diversen Produktkategorien auch viele Verpackungen und damit auch Marken im Laufe der Zeit immer ähnlicher, weil so gut wie alle in einer Branche und deren Agenturpartner auf dieselben Designtrends setzen.
Grund Nummer zwei: Man benutzt die Farben nicht, um die Marke zu differenzieren, sondern um die einzelnen Produkte und Produktlinien unter der Marke zu differenzieren. Man möchte es so den Kunden leichter machen, sofort die richtige Sorte oder Variante zu finden.
Coca-Cola, Wagner Pizza und Milka
Nehmen Sie etwa das Kühlregal bei Getränken. Früher gab es dort einen großen roten Block voller roter Coca-Cola Dosen. Heute sind es drei kleinere Blöcke, nämlich ein roter (Coca-Cola), ein weißer (Coca-Cola Light) und ein schwarzer (Coca-Cola Zero). Damit wird die Marke am Point of Sale visuell gesehen kleiner. (Nur Coca-Cola hat aufgrund der eigenen Marktdominanz das große Glück, dass die Mitbewerber trotzdem immer noch am Point of Sale noch kleiner wirken.)
So war es auch von Wagner Pizza keine gute Idee, dass man den stilisierten blauen Steinofen auf den Verpackungen der Piccolinis kürzlich rot machte. Das geht auf Kosten der Gesamtsichtbarkeit von Wagner Pizza. Wo wäre Milka heute, wenn alle verschiedenen Produktlinien eine andere Farbe hätten? Nur Milka ist dank der Farbe Lila am Point of Sale unübersehbar.
Marken- statt Produktfokussierung
Nur gerade bei der Entwicklung des Verpackungsdesigns stehen oft die einzelnen (neuen) Produkte im Vordergrund. Das ist auch der Grund, warum Marken wie etwa auch Nivea im Laufe der Zeit generell und vor allem Point of Sale an Profil und visueller Bedeutung einbüßen. Das sollte nicht sein. Heute geht es um Marktdominanz. Dazu gehört vor allem auch, dass die eigene Marke am Point of Sale visuell als führend wahrgenommen wird. (Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.) Denn immer mehr Kaufentscheidungen werden heute erst direkt am Point of Sale getroffen. Und wenn dann die eigene Marke in den Regalen mehr oder weniger in der Masse der Angebote untergeht, ist man in keiner guten Ausgangsposition für die Zukunft. So gesehen hat Nivea mit dem neuen Design absolut einen richtigen Schritt in die Zukunft gesetzt und sollte als Benchmark gesehen werden.
Über den Autor: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ und Associate im Beraternetzwerk von Al Ries. Er ist Autor des Buches „Brandtner on Branding“. Sein Markenblog lautet: www.brandtneronbranding.com