Das muss die neue Bundesregierung für die Arbeitswelt tun

Abseits von einigen populistischen Statements hatte die Entwicklung der Arbeitswelt kaum Platz im Wahlkampf. Am Tag nach den Bundestagswahlen ist es daher höchste Zeit auf das zu schauen, was eine neue Regierung bringen sollte.
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Diese Kolumne legt den Fokus auf vier wichtige Themen der Arbeitswelt, die für die kommende Koalition wichtig werden – welche auch immer das sein mag. (© Unsplash / Hunters Race)

Fast der einzige, der im Wahlkampf für einen kurzen Moment das Thema Arbeitswelt in die Manege der Aufmerksamkeit geworfen hat, war Friedrich Merz. Wahlkampftypisch war dieses Statement in seiner Zuspitzung eher populistisch als differenziert. „Mit einer Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand nicht halten“, so lederte Merz. Warum er das denkt? Weil es für Wachstum Wohlstand brauche. Merz’ Überzeugung: So wird das nicht klappen.

Dabei ist Faulheit ganz offensichtlich nicht das Problem. Denn: Wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) herausgefunden hat, arbeitet gerade die viel kritisierte Gen Z mehr, als es die gleichen Altersgruppen von 1995 bis 2015 taten. Aber huch? In diesen Zeiten ist die deutsche Volkswirtschaft doch tatsächlich sogar stark gewachsen. Mal abgesehen davon, dass es Belege dafür gibt, dass die Vier-Tage-Woche letztlich sogar produktiver ist, als aktuell vorherrschende Arbeitsmodelle. Wahr ist aber auch: An anderer Stelle könnte eine Vier-Tage-Woche tatsächlich Fachkräftelücken aufreißen – zumindest kurzfristig. Nämlich überall dort, wo zu bestimmten Zeiten eine Verfügbarkeit sichergestellt sein muss.

Der undifferenzierte Blick auf die Arbeitswelt wird also weder Wirtschaftswachstum bringen noch die Diskussionskultur verbessern. Was jedoch nach den gestrigen Wahlen ziemlich sicher ist: Es wird keine einfachen Lösungen geben. Doch was fordern die potenziellen Koalitionsparteien und wie sehen Ihre Positionen zur Arbeitswelt aus? Die gute Nachricht vorweg: Es gibt hier durchaus Einigungspotenzial. Schauen wir auf vier ausgewählte Themen.

Home-Office-Pflicht für Unternehmen

Im Ampel-Koalitionsvertrag war ein faktisches Recht auf Homeoffice vorgesehen. Arbeitgeber, so die Vereinbarung, hätten nur bei betrieblichen Belangen widersprechen können. Heißt also vereinfacht: Mobiles Arbeiten wäre immer dann erlaubt worden, wenn es sinnvoll möglich ist. Letztlich hat die Koalition das Vorhaben aber nicht zu Ende gebracht. Auch aus der SPD kamen zuletzt nicht unbedingt stützende Signale. In einer unionsgeführten Regierung wird ein Recht auf Homeoffice für Mitarbeitende wohl kaum kommen: Als wirtschaftsfeindlich hatte CDU-Politikerin Julia Klöckner ein solches Recht im vergangenen Jahr kritisiert.

Allerdings will die Union an anderer Stelle für Rechtssicherheit sorgen: Sie will auch innerhalb der EU Rechtssicherheit für mobiles Arbeiten schaffen. Gerade steuerliche Fragen waren hier zuletzt offen. Dass SPD oder Grüne etwas gegen solche Regelungen haben, ist eher unwahrscheinlich.

Arbeitszeit soll flexibler werden

Einigkeit scheint bei Union, Grünen und SPD auch zu herrschen, was flexiblere Arbeitszeiten angeht: Die Flexibilisierung bei Union und Grünen sieht vor, dass die Höchstarbeitszeit nicht mehr auf einzelne Tage, sondern eine ganze Woche gerechnet wird. Mit einem Augenzwinkern könnte man also sagen, dass die Parteien für eine Vier-Tage-Woche vorbauen wollen. Das aber will Friedrich Merz kaum hören. Auch die SPD fordert eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, wird im Wahlprogramm aber nicht sehr konkret.

Die Frage hier dürfte wohl sein: Für wen soll es eine Flexibilisierung geben? Bei der SPD liest es sich vor allem wie eine Flexibilisierung für Arbeitnehmende, um beispielsweise Kinderbetreuung oder Pflege besser mit dem Beruf unter einen Hut zu bringen. Wenn das Ziel lautet, mehr Menschen in Arbeit zu bringen oder die Arbeitszeit dieser Menschen zu erhöhen, dann muss man sagen: Auch diese Flexibilisierung wäre sinnvoll. Auch wenn sie Arbeitgebenden das Leben zumindest kurzfristig nicht unbedingt leichter macht.

Vier-Tage-Woche ist kein Thema

Auch wenn die Schelte von Friedrich Merz laut war, ein wirkliches Thema ist die Vier-Tage-Woche für die Parteien eigentlich nicht. Weder bei der Union noch bei SPD oder Grünen taucht der Begriff im Wahlprogramm überhaupt auf. Zwar fordert Die Linke eine flächendeckende Einführung und hat mit mehr als acht Prozent ein Bundestagswahlergebnis eingefahren, mit dem die wenigsten Menschen noch vor ein paar Monaten gerechnet haben. Doch mit ihr wird die Union ja nicht koalieren.

Dass nun tatsächlich eine Pflicht kommt, dürfte quasi ausgeschlossen sein. Der Blick auf das Thema dürfte dann differenzierter werden, wenn mehr Unternehmen das Modell ausprobieren. Die Union kann sich der Debatte aber wohl erst dann nicht mehr entziehen, wenn wir trotz breiterer freiwilliger Umsetzung einer Vier-Tage-Woche in eine Phase des wirtschaftlichen Erfolgs eintreten. Allzu schnell dürfte das also nicht passieren.

Mehr Frauen in den Arbeitsmarkt

Einigkeit herrscht auch beim Ziel, Frauen noch stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dass das Ehegattensplitting dem teilweise hinderlich ist, scheint die Union allerdings nicht zu stören. Sie fordert die Beibehaltung, um Eheleute, die unterschiedlich verdienen, nicht zu benachteiligen. Tatsächlich zeigen diverse Studien, dass das Ehegattensplitting die Arbeitszeit von Frauen signifikant reduziert, weil es keinen Anreiz gibt, die Arbeitszeit zu erhöhen. Durch die „schlechtere“ Steuerklasse geht mit einer Erhöhung der Arbeitszeit einfach zu wenig Nettozugewinn einher.

Die Grünen fordern daher eine Reform des Ehegattensplittings für Neuehen. Der Vorteil dieser Forderung: Für bereits bestehende Ehen soll sich nichts ändern – es sei denn, die Paare wünschen das. Das Modell der Grünen sieht vor, beide Partner individuell zu besteuern. Dazu gibt es einen Grundfreibetrag, den die Paare frei verteilen können. Die SPD äußert sich zum Ehegattensplitting hingegen nicht konkret. In den vergangenen Jahren gab es aber immer wieder eine Forderung zur Abschaffung – zum Beispiel von Parteichef Klingbeil.

Für die Union ist eine Reform sicherlich nur dann vorstellbar, wenn sich für bestehende Ehen keine Verschlechterung einstellt. Dass der Vorschlag der Grünen für die Union daher im Rahmen des Möglichen ist, scheint also durchaus denkbar – anders als eine gänzliche Abschaffung des Splittings.

Migration überlagert viele andere wichtige Themen

Klar ist: Die Arbeitswelt bewegen noch viele weitere Themen – zum Beispiel der Bereich Fachkräfte. Hier dürfte es zwischen den potenziellen Regierungsparteien größere Differenzen geben, was die konkrete Ausgestaltung anbelangt. Doch weil man das Thema Fachkräfte aktuell kaum diskutieren kann, ohne zwangsläufig bei Migration zu landen, ist es bewusst nicht Teil dieser Kolumne. Denn: Über Migration wurde im Rahmen dieses Wahlkampfs so viel geredet, dass für viele andere Themen kaum noch Platz blieb.

Das Gute ist: Bei allen vier Themen scheint es Einigungspotenzial zu geben. Und das ist für die Zukunft der Arbeit eine gute Nachricht.

Auf eine optimistische Woche in unruhigen Zeiten.

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.