Das Marketing führt ins Paradies – die Rechtsabteilung in die Hölle

Eröffne kein Geschäft – wenn Du nicht lächeln kannst, sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Marketing hat die Aufgabe, den einzelnen Kunden anzulächeln. Werbung findet Worte, die das Paradies versprechen. Vertrauensvoll wird ein Vertrag unterschrieben. Ob im privaten Bereich oder bei kleinen Unternehmen. Doch die Legal-Abteilung sieht das alles ganz anders. Vertragsparagraphen werden zur Kunden-Hölle.
Portrait reihe mit gelben Hintergrund für den Geschäftsführer der Werbeagentur IFAM

Kundenorientierung nennen viele die Fähigkeit, den Kunden gut anzusprechen. Es wird wunderbar auf Nutzen und Vorteile fokussiert, der Köder dem Fisch schmackhaft gemacht. Nehmen wir als Beispiel die unverdächtige Telekom, zum Beispiel den Mobilfunkbereich für Geschäftskunden. Dahinter verbergen sich nicht nur DAX-Unternehmen, sondern in der Masse Handwerker, Apotheker, Grafiker oder auch die Kneipe um die Ecke. Die Werbung verspricht ihnen das Paradies: Natürlich gibt es von der Telekom das schicke Samsung Galaxy S III für 0,84 Euro (hart kalkuliert) im Tarif „Business Mobile Complete L“. Und man bekommt sogar 15.000 Meilen bei Miles & More. Überzeugend.

Rechtsabteilungen sind dem Kunden feindlich eingestellt

 

Doch die Legal-Abteilung hat von der Kundenorientierung noch nichts gehört. So hat die Telekom praktisch für jedes Produkt eigene AGBs. Und das spezielle Werk ist gewaltig. Auf drei Seiten sind rund 45 Regeln mit weiteren Unterpunkten nachzulesen. Umfangreich.

Oder nehmen wir als Beispiel Reachlocal. Der Geschäftszweck, durch Adwords neue Kunden zu generieren, zielt auf lokale klein- und mittelständische Betriebe. Diese sind häufig Minderkaufleute, wie Friseure, Ärzte, Freiberufler oder Tischler. Doch kein kleines Unternehmen wird diese „Werbebedingungen“ genannten AGBs verstehen. Zudem: Man behält sich jede Kündigung („nach Belieben“) vor, schließen dieses jedoch für den Kunden aus. Man behält sich vor, „nach eigenem Ermessen Werbung zu modifizieren“. Wohlgemerkt, die Werbung des Kunden. Er soll also dem Unternehmen Verfügungsgewalt über seine Inhalte, seine Positionierung/Marke abgeben. Das Unternehmen beharrt darauf, dass der Kunde es von Rechtsproblemen und Fremdforderungen freihalten muss, billigt sich aber unter anderem Nicht-Konformität mit dem Europäischem Recht zu. Wer sich die Ausführungen der Legal-Leute von Reachlocal anschaut wird glauben, er wird nicht als Kunde sondern als Feind behandelt.

Legal-Abteilungen gehören zum Customer Centricity

 

Kundenorientierung ist nicht der Begriff, der mit Customer Centricity gleichgestellt werden kann. Customer Centricity ist eine Philosophie, eine Methodik, es sind Führungs- und Prozesssysteme durch das ganze (!) Unternehmen. Kundenorientierung endet wie gesehen zumeist bei dem Leistungsversprechen. Die Rechtsabteilung ist – wie beispielhaft gezeigt – zu oft in den kundenzentrierten Prozess nicht eingebunden.

Unternehmen, die dem Kunden strategisch freundlich und nicht disparitätisch begegnen, können ihre AGBs auf fünf bis sechs Sätze beschränken. Denn: Letztendlich regelt das deutsche Recht sowieso alles für beide Seiten sehr gut. Kunden zu gewinnen und zu halten erreicht man durch Augenhöhe und Vertrauenssignale des gesamten Unternehmens – nicht durch geträufelte Säure der Skepsis und des Misstrauens einzelner Abteilungen. Man nennt es Paritätische Kundenbeziehung.

Über den Autoren: Malte W. Wilkes ist Seniorpartner der Management Consultancy Erfolgsketten Management Wilkes Stange GbR in Hamburg, Redner, Moderator, Diskutant, zigfacher Buchautor, Pionierexperte in Customer Centricity sowie Ehrenpräsident des BDU Bundesverband Deutscher Unternehmensberater.