Das Ende von Esprit und die Lehren für Markenstrategien heute

Die Modemarke Esprit schließt ihre letzten Filialen in Deutschland. Was führte zum Fall von Esprit? Und welche Lehren lassen sich ableiten?
Modekette Esprit schließt ihre letzten Filialen in Deutschland nun endgültig.
Modekette Esprit schließt ihre letzten Filialen in Deutschland nun endgültig. (© Imago)

Esprit wurde 1968 in San Francisco von Susie und Doug Tompkins gegründet und expandierte bereits 1976 nach Deutschland. Mit dem ersten deutschen Laden in Köln 1986 begann eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Die Marke stand für einen modernen, kalifornischen Lifestyle und avancierte besonders in den 80er- und 90er-Jahren zur beliebten Modekette. In der Hochphase betrieb Esprit weltweit über 1.100 eigene Filialen und war ein führender Akteur in der Modebranche. Deutschland war dabei der wichtigste Markt des Unternehmens.

Das Erfolgsrezept lag in einer damals klaren Markenpositionierung: kalifornische Lässigkeit gepaart mit Eleganz, die besonders junge, urbane Käufer anzog. Esprit wurde zu einer der bekanntesten Modemarken im deutschsprachigen Raum und baute ein großes Filialnetz auf. Vor allem profitierte das Unternehmen von einer starken Stammkundschaft sowie einer treuen Markenloyalität. Doch die 2010er-Jahre brachten Herausforderungen, auf die Esprit keine Antwort fand.

Der schleichende Niedergang von Esprit

Während Konkurrenten wie H&M, Zara oder auch Online-Plattformen wie Zalando und About You ihr Geschäftsmodell digitalisierten, hielt Esprit an traditionellen Vertriebsmodellen fest. Auch alterte die Kundschaft mit der Marke, während jüngere Käufergruppen sich an neue, dynamischere Modeunternehmen wandten.

Die Modebranche steht aktuell vor erheblichen Herausforderungen, die durch verändertes Konsumverhalten, hohen Konkurrenzdruck, aber auch durch Inflation und teuren Rohstoffen geprägt sind. Dazu steigt bei deutschen Kund*innen die Beliebtheit von Online-Plattformen wie Shein, Wish und Temu aufgrund ihrer niedrigen Preise und der breiten Produktpalette. Andererseits äußern Verbraucher zunehmend Bedenken hinsichtlich der Qualität und der ethischen Produktionsbedingungen dieser Anbieter, setzen immer mehr auf nachhaltige Produkte. Zudem führt der anhaltende Boom des E-Commerce zu einem Rückgang stationärer Geschäfte.

„Wir sind im Krisenmodus und das ist der neue Normalzustand“, brachte es Petra Scharner-Wolff, Finanzchefin der Otto Group, auf dem TW Summit 2024 auf den Punkt. Nach dem Boom während der Corona-Pandemie seien die Konsumenten preissensibler geworden, und die Margen der Unternehmen geschrumpft. Konsumenten suchen zunehmend nach spezifischen Produkten, anstatt sich auf bestimmte Marken zu verlassen. „Es wird nicht das rote Kleid gesucht, sondern das rote Kleid im Boho-Style für die Hochzeit auf Kreta“, beschrieb Claudia Denzel, Retail Director bei Google, auf dem Event den Wandel im Suchverhalten. Für die Branche bedeutet das: Wer nicht auf personalisierte Angebote und zielgerichtete Strategien setzt, verliert an Relevanz.

So geschehen bei Esprit. Ein weiteres Problem für die Modekette war die fehlende Innovationskraft im Design. Während sich andere Modemarken ständig erneuerten, fuhr Esprit seine klassische Strategie fort. Auch preislich positionierte sich Esprit in einem zunehmend schwierigen Segment: Zu teuer für den Fast-Fashion-Markt, aber ohne die Exklusivität und Markenstärke von Premium-Labels wie Tommy Hilfiger oder Ralph Lauren.

Die finale Krise und das Ende in Deutschland

Im Mai 2024 meldet Esprit Insolvenz für sein Europageschäft an. Die Marke hatte den Anschluss verloren. Ein Käufer für das europäische Filialgeschäft wurde nicht gefunden, und so fällt die Entscheidung: Alle 56 verbleibenden Filialen in Deutschland werden bis Ende Januar 2025 geschlossen. 1300 Mitarbeitende verlieren ihre Jobs. Bereits 2023 hatte Esprit weltweit nur noch rund 150 Filialen betrieben – ein dramatischer Rückgang im Vergleich zu den einst über 1.100 Standorten.

Auch die Konzernzentrale in Ratingen wurde im November 2024 geräumt. Ein kleines Team arbeitet nur noch an den letzten Abwicklungsmaßnahmen. Der einstige Gigant der Modebranche verschwindet damit endgültig aus Deutschland.

Die Markenrechte von Esprit für Europa hat der Schuhhändler Deichmann übernommen. Das Unternehmen, das bereits seit 2019 Lizenznehmer für Esprit-Schuhe ist, will sich nun auf diesen Bereich konzentrieren. Die Rechte für den Textilbereich gingen an die Theia Group of Companies, einen auf Marken-Management spezialisierten Dienstleister. Konkrete Pläne für eine Wiederbelebung von Esprit in Deutschland sind bislang nicht bekannt.

Die Lehren für Markenstrategien

Der Fall Esprit zeigt, was passiert, wenn Marken nicht mit der Zeit gehen. Die Modewelt verändert sich rasant – wer nicht innovativ bleibt, verliert den Anschluss. Drei zentrale Lehren lassen sich aus dem Niedergang von Esprit ableiten. Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Digitalisierung essenziell ist: Während Konkurrenten früh auf E-Commerce und digitale Prozesse setzten, blieb Esprit lange Zeit zu sehr auf stationäre Läden fokussiert. Unternehmen müssen erkennen, dass ein erfolgreiches Geschäftsmodell ohne eine starke Online-Präsenz kaum noch bestehen kann.

Zweitens: Marken müssen sich immer wieder neu erfinden: Esprit verlor an Relevanz, weil die Designs über Jahre hinweg kaum verändert wurde. Während Konkurrenten regelmäßig neue Trends aufgriffen, setzte Esprit lange Zeit auf bewährte Stile, ohne dabei den wachsenden Vintage-Markt zu bedienen. Dies führte dazu, dass sich die Marke zunehmend von der jüngeren Zielgruppe entfremdete.

Zuletzt: Eine klare Positionierung ist entscheidend. Der Modeeinzelhandel ist stark segmentiert, und eine unklare Marktstellung kann Marken in Schwierigkeiten bringen. Während Fast-Fashion-Anbieter wie H&M oder Zara mit günstigen Preisen und schnellen Trends punkten, setzen Premium-Marken auf Exklusivität und Qualität. Esprit bewegte sich über Jahre hinweg zwischen diesen beiden Polen, ohne eine eindeutige Zielgruppe anzusprechen. Dieser fehlende Fokus führte dazu, dass Esprit sowohl für preissensible als auch für qualitätsbewusste Käufer unattraktiv wurde.

Eine Rückkehr von Esprit ist ungewiss

Mit dem Rückzug von Esprit aus Deutschland endet ein bedeutendes Kapitel in der Modebranche. Der Fall zeigt, dass selbst etablierte Marken nicht automatisch Bestand haben, wenn sie sich nicht an veränderte Marktbedingungen anpassen. Gerade die Modebranche unterliegt diesem Druck, da die Mode selbst einem ständigen Wandel unterliegt. Unternehmen müssen ihre Positionierung kontinuierlich überdenken, neue Vertriebskanäle erschließen und auf veränderte Konsumentenerwartungen reagieren.

Ob Esprit als Marke in anderer Form zurückkehrt, bleibt ungewiss. Für andere Modeunternehmen könnte der Fokus in Zukunft verstärkt auf Nachhaltigkeit, digitale Strategien, eine klare Marktpositionierung und soziale Verantwortung liegen. Wer diese Entwicklungen frühzeitig integriert und flexibel agiert, wird langfristig im Wettbewerb bestehen können.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.