Am Dienstag verkündete Apple, dass das letzte verbleibende Modell des iPods, der iPod Touch, nur mehr so lange erhältlich ist, wie der Vorrat reicht. Dabei war der iPod für Apple viel mehr als nur eine weitere Produktinnovation, er war die eine Innovation, die die Basis für das iPhone legte und damit die Basis für den aktuellen Marken- und Unternehmenserfolg von Apple. Daraus kann man rückblickend fünf wichtige Lektionen für die Markenführung ableiten.
1. Fokus auf eine neue Kategorie
Als Steve Jobs am 23. Oktober 2001 den ersten iPod präsentierte, war die Welt der MP3-Player von Marken wie Diamond Rio PMP300 (32 MB Speicher), Sensory Science RaveMP 2100 (64 bis 96 MB), I-Jam IJ-100 (32 MB), Eiger Labs MPMan F10 (32 Megabyte Speicher) oder dem Intel Pocket Concert (128 MB) geprägt. Es war die Welt der MP3-Player mit Flashspeicher und damit auch der begrenzten Speicherzeit und Menge. So lag die mögliche Speicherzeit etwa beim Diamond Rio mit 32 Megabyte bei circa 30 Minuten, was in etwa zehn Songs entspricht.
Genau in diese Welt lancierte Apple mit iPod einen MP3-Player mit Harddisc und damit einem fünf Gigabyte Speicher. So wurde und wird Apple auch von vielen als der First-Mover in dieser neuen Kategorie von MP3-Playern mit Harddisc gesehen.
2. Fokus auf die Wahrnehmung
Nur der wahre First-Mover war die Creative Nomad Jukebox von Creative Technology, die bereits im September 2000, also klar vor dem iPod, mit einem sechs Gigabyte-Speicher lanciert wurde. Nur im Marketing ist nicht entscheidend, wer der Erste auf dem Markt ist, sondern wer es als Erster in die Köpfe der Kunden schafft. So hilft es oft auch wenig, wenn man auf dem Papier die Nummer 1 ist, wenn man nicht auch gleichzeitig die Nummer 1 in der Kundenwahrnehmung und im Kundengedächtnis ist.
Das zeigte und zeigt auch der Markt für Elektroautos. So war der Nissan Leaf über Jahre das weltweit meistverkaufte Elektroauto und damit der klare Marktführer in den Marktanteilsstatistiken. Nur in den Köpfen der Kunden war immer nur Tesla das führende Elektroauto. So gesehen konnte es auch Steve Jobs egal sein, dass der iPod de facto nicht der erste MP3-Player mit Harddisc auf dem Markt war. Entscheidend war nur, dass er als der Erste wahrgenommen wurde. Dabei spielte auch Jobs selbst als Person für den iPod genauso wie Elon Musk für Tesla eine große vor allem kommunikative Rolle.
3. Fokus auf die verbale Differenzierung
Extrem hilfreich, um diese mentale Vormachtstellung zu erreichen, waren die Wahl des Namens und des Slogans. So scheitern viele Innovationen daran, dass der gewählte Markenname nur schwer oder schwerer als die Namen des Wettbewerbs zu merken ist. Dazu muss man nur die beiden Namen iPod und Creative Nomad Jukebox vergleichen.
Aber nicht nur der Name ist wichtig, sondern auch der Slogan, der im Idealfall in leicht merkbarer Form die Alleinstellung der Marke auf den Punkt bringt. Dies gelang Apple mit der einfachen Aussage „1000 songs in your pocket“. Damit differenzierte man sich nicht nur klar von den damals gängigen MP3-Playern mit Flashspeicher, man brauchte auch klar den Vorteil für die Kunden auf den Punkt.
4. Fokus auf die visuelle Differenzierung
Aber mindestens so wichtig, wenn oft nicht noch wichtiger, ist die visuelle Differenzierung. Dabei setzte Jobs nicht nur auf das Produktdesign selbst, er setzte vor allem auf weiße Kopfhörer und Kabel. Und das war damals ungewöhnlich, da Kopfhörer und Kabel in der Regel schwarz waren, um möglichst nicht aufzufallen.
Gerade bei neuen Kategorien sollte man immer sicherstellen, dass sich diese auch visuell von alten Kategorien unterschieden. So war es auch von Dietrich Mateschitz 1987 eine geniale Idee, dass er den Energydrink Red Bull nicht in der klassischen 0,33er- oder 0,35er-Aludose brachte, sondern in der damals ungewohnten 0,25er-Slimdose. Damit erhöhte er klar den wahrgenommenen Abstand zu anderen Erfrischungsgetränken. So lassen viele Unternehmen speziell bei der visuellen Differenzierung von Innovationen enormes Positionierungspotenzial liegen.
5. Fokus auf Geduld
Im Nachhinein betrachtet wird der iPod immer wieder auch als Übernachterfolg von Apple bezeichnet. Nur genau das stimmt so nicht. So wurde der iPod im Herbst 2001 vorgestellt und verkaufte im ersten Winterquartal gerade einmal 125.000 Stück. (Im Vergleich dazu verkaufte das erste iPhone im Jahr 2007 am ersten Wochenende nach dem Verkaufsstart 270.000 Stück.) Im September 2003 hatte Apple dann endlich seine erste Million iPods ausgeliefert. 2004 wurden 4,4 Millionen iPods verkauft. Der echte Durchbruch kam erst 2005. Zu Beginn des Winterquartals 2005 hatte Apple weitere 22,5 Millionen iPods verkauft. Im Geschäftsjahr 2006 stieg diese Zahl auf 39,4 Millionen. Bis zum Erscheinen des iPhones hatte man dann über 100 Millionen iPods an den Mann oder die Frau gebracht.
Heißt aber auch: Viele gute Ideen scheitern oft auch an der Ungeduld des Managements, weil man sich in zu kurzer Zeit zu viel erwartet. Dazu sollten wir noch einmal einen Blick auf Red Bull werfen. Im ersten Jahr, also 1987, betrug der Umsatz 800.000 Euro, im zweiten Jahr 1,6 Millionen Euro und im dritten Jahr 2,8 Millionen Euro. Meine These: Wäre Red Bull damals im Besitz eines großen Getränkekonzerns gewesen, wäre die Marke wahrscheinlich spätestens Ende 1988 wieder eingestellt worden. Heute, mit einem Umsatz von über 7,8 Milliarden Euro, würden wahrscheinlich viele diese Marke sehr gerne besitzen. Heißt aber auch: Man sollte neuen Ideen und Marken immer auch die notwendige Zeit geben.
iPod versus iPhone
Auch wenn aktuell das iPhone das wichtigste Produkt oder besser die wichtigste Marke für Apple ist, sollte man nicht vergessen, dass es der iPod war, der damals im Jahr 2001 Apple aus der Computernische holte und damit die Basis für iPhone und iPad legte. So gesehen sollte der iPod, auch wenn er jetzt endgültig ausläuft, immer einen Ehrenplatz bei Apple und auch in der Welt der Marken bekommen. Amen!
Markenstratege Michael Brandtner ist Österreichs führender Markenpositionierungsexperte und Associate of Ries Global. Im Sommer 2021 erschien sein aktuellstes Buch „Radikale Markenfokussierung“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com