Es vergeht fast kein Tag mehr, an dem nicht das Thema Nachhaltigkeit in Verbindung mit dem Klimawandel von den Medien aufgegriffen wird. Klimaforscher schlagen bereits seit Längerem Alarm: Ein erhöhter Ausstoß von klimaschädlichen Gasen wie Kohlenstoffdioxid hat verheerende Folgen für die Umwelt. Erste Anzeichen eines Klimawandels in Form von Umweltkatastrophen und extremen Wetterbedingungen sind bereits sichtbar. Auch die Referenten auf dem Kongress Pro Carton, der auf Initiative der Europäischen Vereinigung der Karton- und Faltschachtelproduzenten Ende November in Düsseldorf stattfand, griffen das Thema Nachhaltigkeit für die Verpackungsindustrie auf. Die Referenten betonten: Wer Nachhaltigkeit bei der Verpackungsgestaltung nicht berücksichtige, ignoriere den Klimawandel und die Verbraucherwünsche.
Als Nachweis für diese These präsentierte Thomas Bachl, Manager bei der GfK Panel Services Deutschland, aktuelle Zahlen aus der Studie Packaging&Sustainability, die das Marktforschungsinstitut gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft Roland Berger durchgeführt hat. In der Studie wurde die Einstellung der Verbraucher zu Verpackungen und Ökologie untersucht. Dafür wurden circa 22 000 Haushalte in Deutschland befragt. Zunächst einmal überraschen die Aussagen der Befragten nicht, sondern bestätigen die These der Referenten. Vier von fünf Verbrauchern halten ökologische Kriterien im Zusammenhang mit der Verpackung eines Produkts für elementar wichtig. Ebenso fordern 80 Prozent so wenig Schutzhülle wie möglich. Und 74 Prozent wünschen sich keine doppelte Verpackung sowie Materialien, die recycelbar sind.
An diese Ergebnisse knüpft eine weitere wichtige Frage an: Welchen Stellenwert hat der Faktor Ökologie beim Produkteinkauf? „Es kommt auf den Produktbereich und den Konsumententyp an“, sagt Bachl. Einen hohen Stellenwert hat die Verpackung grundsätzlich bei den Konsumgütern des täglichen Bedarfs wie Süßwaren, Joghurt, Nudeln, Reis, Tiefkühlprodukte, Waschmittel und Kosmetik. Doch andere Aspekte sind im Entscheidungsprozess noch dominanter – etwa das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Qualität der Ware und die Marken- und Produktbekanntheit. „Was der Käufer kennt, das kauft er“, betont Bachl.
Für die Wiedererkennbarkeit des Produkts oder der Marke spielt jedoch die Verpackung nahezu die wichtigste Rolle. Es wäre daher nur konsequent, wenn die Hersteller künftig einen Hinweis auf die Nachhaltigkeit der Verpackung liefern würden.
GfK-Forscher Bachl rechnet damit, dass ökologische Kriterien als Marketinginstrument im Handel direkt am PoS künftig eine sehr wichtige Rolle spielen werden. Ein Vorzeigebeispiel sei die österreichische Aldi-Tochter Hofer, die seit 2006 die Bio-Marke „Zurück zum Ursprung“ führt. Seit Juli 2009 werden diese Produkte im Handel mit einem CO2-Etikett ausgezeichnet.
Erste Schritte in diese Richtung hat der Bundesverband Druck und Medien e.V. (bvdm) im Rahmen der Klimainitiative unternommen. Der Verband hat für seine Mitglieder ein Softwareprogramm, den sogenannten Klimarechner, und das Siegel „Verpackung CO2-kompensiert“ entwickelt. Erster Anwender in der Faltkartonindustrie ist der Hersteller Edelmann, der zunächst den eigenen „CO2-Fußabdruck“ ermittelt hat. Dabei wurden alle relevanten CO2-Quellen im Wertschöpfungsprozess erfasst: von den Druckmaschinen über Veredelungsmaschinen bis hin zu transportbedingten CO2-Emissionen. Auch die Wegstrecken der Mitarbeiter zur Arbeitsstätte wurden in die Berechnung einbezogen. Diese Daten bilden die Basis zur Ermittlung der CO2-Emissionen. Der Klimarechner berechnet anschließend die konkreten Kohlendioxidwerte für jeden Auftrag und jeden Kunden individuell. Als Ausgleich kauft der Kunde ein Gold-Standard-Klimaschutz-Zertifikat, das zur Emission einer bestimmten Menge berechtigt. Für eine Tonne CO2 muss der Kunde circa 17 Euro bezahlen und erhält dafür im Gegenzug das Zertifikat. Mit dem Verkaufserlös werden Klimaschutzprojekte wie Biogas- und Biomasseanlagen zur Stromgewinnung oder Solarthermieprojekte finanziert.
Doch diese Projekte stellen nur eine Maßnahme dar. Effizienter wäre es, wenn die Hersteller weniger Energie im gesamten Wertschöpfungsprozess verbrauchten sowie auf neue Technologien setzten, die die Klimabilanz verbessern und Ressourcen schonen. Dies bestätigt Michaela Lehmann, Referentin beim Verband Druck und Medien in Baden-Württemberg e.V. Sie verweist auf die Klimainitiative, in der die Unternehmen außerdem aufgefordert sind, CO2-Emissionen zu vermindern und zu vermeiden.
Fehlen indes Hinweise und Prüfsiegel, greifen die Verbraucher am liebsten zu Verpackungen, die umweltschonend erscheinen. Dazu gehören in der Regel Verpackungen aus Karton.
Ob die Hersteller ihre Rohstoffe aus nachhaltiger Forstwirtschaft beziehen, wissen viele Käufer nicht. Die STI Group beispielsweise hat als erster Wellpappenhersteller in Deutschland ihre Kartonproduktion nach FSC zertifizieren lassen. FSC steht für Forest Stewardship Council. Mithilfe der Produktkettenzertifizierung wird dem Verbraucher garantiert, dass Holzprodukte mit FSC-Siegel tatsächlich aus einem zertifizierten und verantwortungsvoll bewirtschafteten Forstbetrieb stammen. Das Verbraucherschutz-Magazin „Ökotest“ bewertet den deutschen FSC-Standard immerhin mit der Note „sehr gut“. Natürlich müssen auch die Unternehmen – die Kunden der STI Group – diesen Standard zu schätzen wissen.
„Erste internationale Markenartikelhersteller haben sich bereits für einen FSC-Standard auf ihren Verpackungen und Displays entschieden“, berichtet Prof. Dr. Frank Ohle, CEO der STI Group. Für Ohle ist der Einsatz von Recyclingmaterial oder Papieren aus nachhaltiger Forstwirtschaft jedoch nur ein Glied in der Kette. „Der Grundstein für eine ökologisch sinnvolle Verpackung wird in der Produktentwicklung gelegt“, proklamiert Ohle. Neben dem Einsatz von modernsten Produktionstechnologien in der Wertschöpfungskette gehört auch eine Überprüfung der Logistik zu den effektiven Stellschrauben – etwa eine bessere Ausnutzung der Palettenflächen und Lkw-Laderäume.
Im Trend liegen auch Biokunststoff-Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen. Einweggeschirr, Obstnetze, Folien und Dosen werden bereits aus Biokunststoffen hergestellt. In England oder Italien werden sogar weitaus mehr kompostierbare Verpackungen eingesetzt als zum Beispiel in Deutschland, wo derzeit nur knapp ein Prozent aller Kunststoffverpackungen biologisch abbaubar ist. In Asien ist Japan der Vorreiter für Bioverpackungen, und in den USA werden umweltfreundliche Polymerwerkstoffe ebenfalls zunehmend verwendet. Auch in Deutschland steige die Nachfrage nach Biokunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, bestätigt Dr. Christian Bonten, Marketingmanager bei der FKuR Kunststoff GmbH in Willich. Das Unternehmen hat in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut in Oberhausen verschiedene biologisch abbaubare Biokunststoffe entwickelt, aus denen Dosen, Obstnetze, Folien und sogar Gehäuse für Küchenmaschinen hergestellt werden können.
Das Wichtigste in der Diskussion über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Biopolymeren ist das Verständnis ihrer jeweiligen Eigenschaften und passenden Anwendungen – genau wie die Unterschiede zwischen Polyethylen (PE), Polyethylenterephthalat (PET), Polypropylen (PP) und PVC. Es gibt viele unterschiedliche Granulattypen, und jeder erfüllt bestimmte Produkteigenschaften. Ein sehr vielversprechender Werkstoff ist die aus pflanzlichen Rohstoffen wie Maisstärke oder Zucker gewonnene PLA (Polymilchsäure oder Polylactid), die den Klarsichtkunststoff PET (ein Polyester) ersetzen könnte. Weltgrößter Hersteller von Biokunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen ist Nature Works LLC – ein Tochterunternehmen des amerikanischen Lebensmittelkonzerns Cargill mit Sitz in Blair (Nebraska). Das Unternehmen hat einen PLA-Biokunststoff unter dem Namen Ingeo entwickelt, der zu 100 Prozent biologisch abbaubar ist.
Die Öko-Effizienz eines Produkts ist nicht zuletzt von der vorhandenen Entsorgungsinfrastruktur vor Ort abhängig. So werden einige Biokunststoffe kompostiert, andere werden verbrannt (thermisch verwertet). Die Anforderungen an kompostierbare Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind in der Europäischen Norm EN13432 definiert. Jede Verbrauchsverpackung, die als kompostierbarer Kunststoff vermarktet werden soll, sollte daher diese Kriterien erfüllen. Bei der Kompostierung werden die Biokunststoffe mithilfe von Mikroorganismen umgewandelt. Die Pflanzen setzen bei der Kompostierung nur das CO2 frei, das sie während ihrer Wachstumsphase aus der Atmosphäre entnommen haben. Experten sprechen in diesem Fall von Klimaneutralität, weil es weder positive noch negative Auswirkungen auf die Klimabilanz gibt.
Bei einer thermischen Verwertung von Biokunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wird Energie in Form von Wärme gewonnen. Das hat den Vorteil, dass weniger fossile Brennstoffe verbrannt werden und damit weniger Kohlendioxid freigesetzt wird.
Vorteilhafter für die Klimabilanz sei jedoch das werkstoffliche Recycling, meint Martin Lichtl, Geschäftsführer der Agentur Lichtl Ethics & Brands in Frankfurt. Lichtl hat im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums ein Projekt in Kassel geleitet, in dem die Kreislaufwirtschaft von Biokunststoffen untersucht wurde. Recycling bedeutet die Rückführung von Abfallstoffen in den Produktionsprozess. Beim werkstofflichen Recycling werden die gebrauchten Kunststoffverpackungen zunächst eingeschmolzen, um anschließend bei der Herstellung neuer Produkte verwendet zu werden. Meistens geschieht dies über ein Zwischenprodukt, das Regranulat. Je besser die hierfür eingesetzten Verpackungskunststoffe vorsortiert sind, desto besser lassen sie sich verwerten und zu hochwertigen Produkten verarbeiten.
Noch sind Biokunststoffe gegenüber den erdölbasierten Kunststoffen teurer. Aber es könnte durch den Bewusstseinswandel der Verbraucher zu einem Boom kommen. Immerhin sind der GfK-Studie zufolge zwei Drittel der Verbraucher bereit, einen höheren Preis für eine umweltfreundliche Verpackung zu bezahlen.