Die Reisebranche stellt sich auf den sogenannten Corona-Urlaub ein. Die Pandemie hat viele Touristikunternehmen in die Knie gezwungen. Wochenlang bearbeiteten Reiseagenturen ausschließlich Stornierungen. Der Tourismus gehört mit dem Luftverkehr und dem Gastgewerbe zu den Wirtschaftszweigen, die die Pandemie am schwersten trifft. Er verliert laut Branchenverband BTW fast elf Milliarden Euro Umsatz bis Mitte Juni. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts haben im April 43 Prozent der Reisebüros beschlossen, Beschäftigte zu entlassen oder befristete Verträge nicht zu verlängern.
Mit der Ankündigung der Grenzöffnungen und der generellen Lockerung von Corona-Maßnahmen ändert sich aber das Stimmungsbild. Der Großteil der Deutschen will dieses Jahr noch verreisen. 32 Prozent möchten ins Ausland, wenn die Situation es zulässt. Dabei sehen aber alle Beratungsbedarf. Besonders große Fragezeichen sehen die Deutschen in Bezug auf die unterschiedlichen Regelungen der Länder, sowie bei den Plänen von Fluggesellschaften und Hotels. Somit rückt das Thema Beratung wieder in den Vordergrund. Und damit kann es, richtig angegangen, ein Comeback der Reisebüros und Reiseagenten geben.
Abgesagte Reisen sind geplatzte Träume
Reisen ist ein emotionales Thema. Eine abgesagte Reise ist immer auch ein geplatzter Traum, so der BTW. Gerade Menschen, die durch Corona ihre eigentlichen Pläne aufgeben mussten, wollen nun sichergehen, dass der zweite Anlauf klappt. Ein kompetentes Reisebüro kann durch persönliche Beratung helfen, durch die neue Welt der Fluggesellschaften, Hotels und Mietwagen zu navigieren. Neben der Beratung möchten Reisende wie nie zuvor jemanden haben, der mit ihnen unterwegs jeden Notfall bewältigt – von einer verpassten Flugverbindung bis zu einem Hotel, das unerwartet schließt.
Reisebüros wurden zuletzt immer mehr vom Internet verdrängt. Wenn sie die Corona-Krise nutzen wollen, um mit persönlicher Begleitung zu punkten und an Relevanz zurückgewinnen wollen, müssen sie zusätzliches Know-how gewinnen. Ihre Mitarbeiter werden zu Risikomanagern. Sie müssen sowohl über die Ziele selbst, etwa die Hotels, als auch politisch informiert sein. Sie müssen bei allen Planungen aber auch immer eine mögliche Stornierung mitdenken. Der Fokus liegt bei Corona-Urlaubern nicht nur auf den Gesamtkosten, sondern auch auf der Gewährleistung von Reiseschutz.
Tui und Rewe-Touristik planen Kampagnen
Gerade bei diesem Punkt haben Reisedienstleister in den vergangenen Wochen viel Erfahrung gesammelt. Die Büros wissen genau, welche Anbieter bei der Rückerstattung von Kunden zuverlässig waren, welche Bargeld erstattet haben und welche ausschließlich Gutscheine zurückgegeben haben. Reiseveranstalter sollten dieses Wissen nutzen und kommunizieren. Sie sind gut vernetzt, kennen Ansprechpartner in Hotels, bei Fluggesellschaften, Autoverleihern oder lokalen Partnerorganisationen. Mit diesem Wissen wollen die großen Anbieter wie Tui oder Rewe-Touristik laut Eigenaussage sowohl in ihren Büros als auch mit größeren Kampagnen werben.
Der Hauptgrund, warum Reisebüros an Bedeutung verloren haben, war der einfache Zugang zu Reiseinformationen durch das Internet und somit ein mangelnder Mehrwert der Berater vor Ort, so verschiedene Erhebungen der vergangenen Jahre. Dieser Mehrwert ist erstmals wieder da. Zusätzlich zum detaillierten Wissen über Länder, Städte und Prozesse müssen die Agenturen und Büros natürlich verstärkt politische und gesundheitliche Informationen generieren. Wer Vertrauen vermittelt, zusätzlich ständige Erreichbarkeit verspricht und erfolgreich kommuniziert, kann seine Umsätze angesichts des Nachholbedarfs vieler Reiselustiger deutlich verbessern.
Rückkehr der Geschäftsreisen für Herbst erwartet
Was für den privaten Bereich gilt, gilt erst recht für den geschäftlichen. Auch wenn Geschäftsreisen während der Pandemie durchgehend erlaubt waren, hat ein Großteil der Unternehmen seine Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen im Büro oder Homeoffice belassen. Dieser Markt soll sich mittelfristig aber fast vollständig erholen. Laut einer aktuellen Umfrage des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR) sind die Unternehmen vorsichtig optimistisch, ihre Reiseaktivitäten mittelfristig wieder aufnehmen zu können. 90 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Zahl der Geschäftsreisen wieder zunehmen wird.
Allerdings rechnen 63 Prozent damit, dass die Notwendigkeit von Reisen in Zukunft sorgfältiger geprüft wird. Dauerhafte unternehmensinterne Reisebeschränkungen halten die Unternehmen aber für unwahrscheinlich (83 Prozent). Immerhin knapp 80 Prozent sehen einen größeren bürokratischen Aufwand auf sich zukommen, etwa für Reisedokumente. Dieser Mehraufwand ist mit eigenen Ressourcen oft nicht zu stemmen. Die Unternehmen sind sie auf Unterstützung angewiesen. Geschäftsreisen sollen besonders im Herbst wieder an Fahrt gewinnen, so der VDR. Hier eröffnet sich ein großes und lukratives Handlungsfeld für klassische Reiseunternehmen.