Zu Beginn der 1960er Jahre hatte Borgward mit massiven Nachfrageschwierigkeiten zu kämpfen und musste Konkurs gehen. Nun soll die Marke für in China gebaute Fahrzeuge herhalten und auch in Deutschland wiederbelebt werden. Borgward steht kurz vor dem Verkaufsstart des SUV BX7.
Durchschnitt wird sich nicht durchsetzen
Aus Sicht der chinesischen Eigentümer scheint es plausibel: Wir holen uns eine europäische oder deutsche Traditionsmarke, bauen ein gutes, günstiges Produkt mit zeitgemäßem Design, moderner Ausstattung und guten Connectivity Angeboten, verkaufen es nur online und bieten Service in angestammten Werkstattmarken à la ATU. Aber wird das reichen? Denn klar ist, je dichter der Markt und je intensiver der Wettbewerb ist – und davon kann man bei rund 150 Automobilmarken weltweit durchaus sprechen –, desto glaubwürdiger, begehrenswerter und differenzierter müssen die angeboten Marken und die dahinter stehenden Angebote sein. Doch dazu ist in den Vorankündigungen nichts zu sehen. Was man auf den ersten Blick wahrnimmt, ist eher guter Durchschnitt zu einem guten Durchschnittspreis.
Nicht das WAS, sondern das WIE und WARUM entscheidet
Doch in einer Welt, in der es fast alles gibt, in der wir im völligen Überfluss leben, wird Durchschnittlichkeit für Wachstum und Erfolg nicht reichen. Völlig egal welchen Markt man betrachtet, es gibt – außer in regulierten Teilmärkten – fast nirgends zu wenig Wettbewerb oder fehlende Produkte. Dieser Überfluss wurde durch die Digitalisierung nur noch potenziert. Es geht also längst nicht mehr darum, einfach gute Autos zu verkaufen, denn die gibt’s schon. Marken, die in diesen dichten Märkten erfolgreich sein wollen, müssen mehr bieten. Kunden wollen längst wissen, warum sie sich für eine bestimmte Marke entscheiden sollen. Nur wer darauf eine klare Antwort hat und diese Antwort beispiellos inszeniert, wird erfolgreich sein.
Professionelles Markenmanagement wird zum essentiellen Erfolgsfaktor
Zu den erfolgreichen Beispielen europäischer Marken, deren Inhaber auf anderen Kontinenten beheimatet sind, gehören Geely und Tata mit Volvo, Land Rover und Jaguar. Auch bei diesen Marken war anfangs nicht klar erkennbar, wohin die Strategie nach der Übernahme führen sollte. Doch sowohl Geely, als auch Tata haben die Markenführung von der effizienten Produktion klar getrennt. Volvo spielt seine Spitzenleistungen aufgrund seiner Gene, Werte und seiner klaren Positionierung klarer und besser als je zuvor, ganz zu schweigen von Land Rover und Jaguar. Allerdings waren diese Marken nie weg – vom Markt und aus den Herzen – , und sie waren immer begehrt. Um es anders auszurücken: Die Performance der Produkte konnte gar nicht so schlecht sein, dass sie die Begehrlichkeit der Marken zunichte machten. Anders ist das bei Borgward. Diese Marke kann von keinem Attraktivitätsguthaben zehren. Selbst wenn ein paar Traditionalisten positive Erinnerungen an die großen Zeiten von einst haben, wird das wohl zu wenig sein, um einen Nachfragesog auf dem deutschen Markt zu erzielen.
Herausforderung: Online only – wo findet Produkterlebnis statt?
Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren starker Marken im digitalen Zeitalter zählen heute eine starke Kultur, ein starkes Selbstverständnis gepaart mit Geschwindigkeit. Sofern Borgward diese Erfolgsfaktoren aufbieten kann, wird es eine große Herausforderung werden, diese Aspekte ausschließlich über den Onlineverkauf und ohne eigene Outlets an die zukünftigen Kunden zu vermitteln. Und ja: Auch Tesla hatte zu Beginn nicht wirklich viele Outlets. Aber man hat alles versucht, die Tesla Mission bei allen möglichen Events über Probefahrten lebendig werden zu lassen. Was würde mit Tesla passieren, wenn sie ihre Marken- und Marketingkompetenz mit der Produktionskompetenz chinesischer Hersteller verbinden würden? Dann müssten sich die Automobilmarken hierzulande warm anziehen.