Neulich hat eine große Kreativagentur in Hamburg zu einer Feierabend-Konferenz für Partner*innen und Kund*innen geladen. Thema: Künstliche Intelligenz und ihr Einfluss auf die Design-Branche. Ich war mithörend dabei, dankbar für Insights aus einer Welt, in der ich originär nicht zuhause bin. Aber wie heißt es so schön: Hinterm (eigenen) Horizont geht’s weiter.
Natürlich kommen wir um das Thema Voreingenommenheit nicht herum, wenn wir über Künstliche Intelligenz sprechen. Also kam es auch bei obigem Event aufs Parkett. Die Vertreterin eines modernen Shuttleservices, der den öffentlichen Personennahverkehr perfekt ergänzt, liefert bei einem Paneltalk ein Best Practice aus der Reihe „Technologie, die dem Menschen dient“. Sie spricht an einer Stelle von Algorithmen, die Ein- und Ausstiegsorte mittlerweile so treffend berechnen, dass sie – vor allem nachts – für Frauen sicher sind.
Altherrenwitze aus der hinteren Reihe
Das Plenum goutiert diese Aussage. Das ganze Plenum? Nein! Ein von zwei unbeugsamen männlichen Zuhörern besetzter Teil der Sitzreihe hinter mir hört nicht auf, dem Gedanken Widerstand zu leisten. Zu laut geflüstert entgegnet einer der beiden: „Und Männer können nicht überfallen werden, oder was? Das ist schon irgendwie diskriminierend.“
Das ist etwa genauso mehrwertig wie das Argument: „Ihr habt doch jetzt die Quote und Karriere könnt ihr auch machen. Jetzt reicht es aber mit den Gender-Pay-Gap-Diskussionen, liebe Frauen.“ Einen habe ich noch. Passt nicht ganz zum Thema, aber ich bin gerade so in Fahrt: „Dieses ganze LGBTQI-Plus-Gehype. Muss das sein? Ihr Queeren könnt doch jetzt heiraten und adoptieren. Was wollt ihr denn noch?“
Chancengleichheit… (noch) eine Illusion
Mit jeder Relativierung wird ein weiterer Keim für Diskriminierung gepflanzt, denn – oh Wunder – nein, die Chancen sind noch nicht für alle gleich! Das gilt im Digitalen wie im Analogen – mit dem einzigen Unterschied, dass im digitalen Raum diskriminierendes Verhalten ungleich größer skaliert. Man denke nur an Hasskommentare im Netz und ihre virale Kraft. Und wenn wir dem schon keinen Riegel vorschieben, dann werden wir auch beim Training von KI-Lösungen eine Laissez-Faire-Haltung einnehmen, die uns irgendwann gehörig um die Ohren fliegt – und dann haben wir den (automatisierten) Salat.
Nicht zuletzt durch den Siegeszug der generativen KI hat die Digitalisierung nochmal einen ordentlichen Push erlebt. In Windeseile haben wir die neuen Möglichkeiten algorithmusbasierten Schaffens adaptiert. Umso mehr, so scheint mir, klammern wir uns an Altbewährtes. Blöd nur, wenn es krude Denkmuster sind.