Wasser ist also in fundamentaler Hinsicht überlebenswichtig. Wasser ist Leben. Wasserknappheit dagegen führt zu Katastrophen. Für Peter Brabeck, den Verwaltungsratspräsidenten von Nestlé, „ist die Wasserkrise weitaus bedrohlicher“ als der Klimawandel. Der freie Zugang zu Wasser muss damit sicherlich zu den uneinschränkbaren Menschenrechten zählen. Natürlich gibt es schon heute im globalen Kontext eine erschreckende Ungleichheit in der Verteilung von Wasser. Was spricht für eine weitere Verschärfung dieses Missstandes?
Zuvorderst und am offensichtlichsten geopolitische Gegebenheiten. Die globalen Wasserreserven sind regional höchst ungleich verteilt. In einigen der besitzenden Regionen spekuliert man bereits über die rosigen Zeiten des „blauen Goldes“. Da ist es dann auch nur logisch, dass Unternehmen, die sich mit der Verwertung des blauen Goldes entlang der gesamten „Wertschöpfungskette des Wassers“ (so die Investmentgesellschaft SAM) beschäftigen, zu attraktiven Anlageobjekten werden: „US-Investoren auf Wassersuche“ titelte die NZZ. „Der Markt für Wassertechnik wächst. Doch Wasser ist politisch“, merkt die FAZ an.
Rund ums Wasser entsteht in der Tat ein beeindruckendes oder besser beängstigendes geopolitisches Machtpotential. Befürchtet werden Kriege ums Wasser. Auf den ersten Blick sehr weit weg von diesen hochpolitischen Entwicklungen vollzieht sich im Konsumentenalltag eher unscheinbar ein weiterer Prozess, der den Zugang zu Wasser exklusiver zu machen droht. Das Grundelement Wasser wird mehr und mehr zum Markenartikel. Offensichtliche Perversionen dieser Entwicklung lassen aufhorchen: mit Kristallen von Swarovski veredelte Flaschen beinhalten Mineralwasser, das mit einem Preis von fast 50 US-Dollar pro Liter nicht mehr für jeden erschwinglich sein dürfte.
Nicht ganz so pervers, aber nichtsdestoweniger zumindest ökologischer Unsinn ist es, dass internationale Markenmineralwasser auch in Märkten zunehmend erfolgreich sind, die jeweils heimische Mineralwasser (oder gar gesundheitlich völlig unbedenkliches Leitungswasser) sicher auch bedienen könnten. In solchen offensichtlich irrationalen Konsumentenentscheidungen zeigen Marken ihre Macht, die in emotional begründetem Kaufverhalten seine Basis hat. „Zeige mir, welches Wasser du trinkst, und ich sage dir, wer du bist.“ Die Wassermarke als
Identifikationsanker und soziales Differenzierungsmerkmal.
Madonna trinkt Voss, Whoopi Goldberg und Janet Jackson trinken Fiji. Volvic kündigt die Wassermarke an, „die ganz den Männern gewidmet ist“. Genau auf diese kaufsteigernde und nachfragesichernde Wirkung von Marken auch bei Wasser setzen längst die global führenden Nahrungsmittelkonzerne, investieren grosse Summen in die Entwicklung dieses Marktes und sichern sich grösstmögliche Marktanteile für ihr Portfolio an Wassermarken. Bei Nestlé, mit rund 20 Milliarden abgefüllten Litern Weltmarktführer, sind dies inzwischen beispielsweise 75 Marken in 36 Ländern dieser Welt.
Erinnern muss man dabei daran, dass die Marke eines der wenigen in unserer Wirtschaftswelt legitimen Monopole darstellt. Zeitlich und räumlich unbegrenzt, kann die effizient und effektiv geführte Marke andere Hersteller wirksam behindern, ein vergleichbares Produkt wettbewerbsfähig anzubieten. Starke Marken stellen sehr wirkungsvolle Eintrittsbarrieren für mögliche Wettbewerber dar. Wassermarken
können so perspektivisch den Zugang zu Wasser beschränken.
Anknüpfend an die eingangs erwähnten Überlegungen stellt sich damit die Frage, ob Marken legitimerweise beim so lebenswichtigen Element Wasser diese beschränkende Wirkung wirklich entfalten sollten. Prinzipiell sicher nicht. Dagegen dürfte auch sehr schnell entsprechender politischer Widerstand entstehen. Und dieser Widerstand möge zumindest allzu groteske Entwicklungen der Vermarktung von Wasser verhindern oder zumindest beschränken.
Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Häusler ist CEO von Interbrand Zintzmeyer & Lux.