Da geht noch was

Der Hype ums Metaverse ist vorbei, die Idee dahinter lebt weiter – und findet im E-Commerce sinnvolle Anwendung. KI wird hingegen weiter gehypt. Hier schreckt Google mit einem Update Websitebetreiber auf.
header-newsletter-TT-KW34-2023_c_Imago
Mehr als 500 Millionen Menschen sind Marktforschern zufolge aktiv im Metaverse unterwegs. (© Imago)

Jetzt alle mal tief durchatmen. Können Sie auch diese Stille spüren? Es ist ruhig geworden um das Metaverse: Jener noch vor einem Jahr gehypten und alles umspannenden virtuellen Umgebung, die das Internet räumlich erlebbar macht und die wir in Avatar-Form auf der Suche nach neuen Erlebnissen durchstreifen. Eine digitale Welt, in der wir Grundstücke und Geschäftsräume anmieten, uns unterhalten, Kolleg*innen und Freund*innen treffen – und natürlich Werbung konsumieren und einkaufen. Dieser Traum einiger Vordenker von einem einzigen und alles umfassenden Metaversum dürfte weiterhin Fiktion bleiben. Die virtuellen (Teil-)Welten hingegen sind erstaunlich lebendig.

So zählte Metaversed Consulting in einer aktuellen Erhebung 154 virtuelle Welten, die entweder live sind oder sich in Entwicklung befinden. Die Gesamtzahl der monatlich aktiven Metaverse-Nutzer*innen beziffern die Marktforscher mit 520 Millionen. Das ist eine Menge und die Tendenz ist steigend. Diese aktive Nutzerschaft kombiniert mit den technischen Möglichkeiten bieten für Marketing und Vertrieb gute Chancen, Kund*innen zu gewinnen und Umsätze zu generieren. Vielerorts hat man im Hintergrund bereits die Ärmel hochgekrempelt und sich Gedanken über wirklich sinnvolle Geschäftsanwendungen gemacht. Erste Anbieter sind im E-Commerce fündig geworden.  

Neues Markenerlebnis im Web 3.0

Wie man den Sprung vom Hype ins Daily-Business schafft, zeigt beispielsweise Clinique. Die amerikanischen Pflege- und Kosmetikmarke hat in diesem Jahr gemeinsam mit dem Berliner Web3-Unternehmen Journee Technologies ein neues digitales Einzelhandelskonzept mit dem Namen „Clinique Lab“ eingeführt. Eine fotorealistische 3D-Umgebung soll das traditionelle Online-Erlebnis neu definieren.

In der virtuellen Welt, die von überall online zugänglich ist, können Nutzer*innen in einen Avatar schlüpfen und sich damit durch die Markenwelt bewegen. Sie können sich über Produktinhaltsstoffe, Formulierungen, Vorteile und Anwendungstechniken informieren und im Shop – gegen echtes Geld und mit gängigen Zahlmethoden – Kosmetik-Produkte der Marke einkaufen. Beim Entdecken und Shoppen können Nutzer*innen auch andere Käufer*innen treffen und mit ihnen interagieren. Der Gamification-Effekt wird ebenfalls bedient: Wer drei spezielle Bubbles einsammelt, erhält einen Rabatt im Shop.

Die neue Shopping-Umgebung ist auf der Web3-as-a-Service-Plattform Journee aufgebaut und bedient 36 Länder und 21 Sprachen, zudem wurde die virtuelle Welt direkt auf der Markenwebsite Clinique.com integriert. Durch seinen neuen Ansatz erzielte das Clinique Virtual Lab eigenen Angaben zufolge bereits in den ersten drei Monaten beachtliche Leistungswerte: Der durchschnittliche Bestellwert stieg gegenüber dem klassischen Onlineshop um 10 Prozent, die Conversion Rate legte um 54 Prozent zu und die Sitzungsdauer erhöhte sich um 270 Prozent. Auch die durchschnittliche Werbeerinnerung stieg um gut 5 Prozent, in der Zielgruppe der 25-34-Jährigen legte der Ad Recall sogar um mehr als 9 Prozent zu. Beispiele wie dieses könnten sich häufen, denn die Idee des Metaverse ist keinesfalls tot. Vielmehr kommt sie nun langsam im Tagesgeschäft an.

Schon gehört?

Google setzt auf Künstliche Intelligenz und schreckt mit seinem jüngsten Update viele Website-Betreiber auf. Vor weniger als drei Monaten hat Google sein generatives, KI-gestütztes Sucherlebnis (SGE) vorgestellt. Nutzer*innen in den USA können sich dafür anmelden. Das Problem ist das jüngste Update „SGE while browsing“: Antwortet die KI auf eine Suchanfrage, können Nutzer*innen nun mit der Maus über bestimmte Wörter fahren, um Definitionen und zugehörige Diagramme oder Bilder zum Thema anzuzeigen.

Außerdem sollen Zusammenfassungen von Websites eingeblendet werden, um Fragen der Nutzer*innen möglichst schnell zu klären. Die Befürchtung: Niemand wird sich zur Website durchklicken, wenn alle wichtigen Infos von Google schon zusammengefasst und präsentiert werden. Werbeeinnahmen und Verweildauer auf der Seite könnten leiden. Bisher ist es nur ein Experiment von Google, das für US-Nutzer*innen verfügbar ist, die sich bei Google Search Labs registriert haben. Bisher. Es könnte auch auf die KI-Zukunft von SEO insgesamt hindeuten.

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.