Herr Strubel, Henkel ist seit vergangenem Sommer Mehrheitseigner der D2C-Marken Hello Body, Banana Beauty und Mermaid + Me. Was hat Sie daran gereizt?
RIK STRUBEL: Unsere Strategie zielt schon seit Längerem darauf ab, 1:1-Kundenbeziehungen und digitale Geschäftsmodelle voranzutreiben. Wir sind ja bereits 2019 in den USA eine Mehrheitsbeteiligung an eSalon.com, einem Anbieter für personalisierte Haarkolorationen, eingegangen. Eine Beteiligung an dem Unternehmen Invincible Brands mit seinen D2C-Marken war daher ein nächster logischer Schritt.
War es ausschlaggebend, dass es D2C-Marken sind?
Ja, das war vorrangig. Wir können damit neue Business-Modelle übernehmen und die dabei gewonnenen Erfahrungen sowie Daten in unser Kerngeschäft und das gesamte Portfolio einfließen lassen. Die neuen Marken stellen auch eine attraktive Ergänzung unseres Beauty-Care-Portfolios dar.
Was ist so interessant an D2C-Marken?
Vor allem die Insights aus dieser ganz engen Beziehung zu jungen, digitalaffinen Konsumentinnen. Wir erfahren aus erster Hand über ihre Bedürfnisse und Wünsche. Diese Zielgruppen sind auch sehr daran interessiert, in den sozialen Netzwerken Anregungen zu geben und an der Weiterentwicklung der Produkte mitzuwirken. Auch was die Arbeit mit Influencern und die Präsenz in sozialen Netzwerken angeht, gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse.
Henkels Beteiligung liegt bei 75 Prozent, der Rest nach wie vor bei der Berliner Invincible Brands Holding. Haben Sie damit auch operativ das Kommando übernommen?
Nein. Ziel der Mehrheitsbeteiligung ist nicht, das Geschäft zu dirigieren. Wir wollen vielmehr lernen. Deshalb lassen wir die Marken weiterhin sehr unabhängig agieren, die operative Führung liegt bei den jeweiligen Marken-Teams. Wir setzen uns aber in der Geschäftsführung sehr eng zusammen und prüfen, wie Henkel zum weiteren Wachstum beitragen kann.
Ist es besser, wenn die Kundinnen von Hello Body, Banana Beauty und Mermaid + Me nicht erfahren, dass die Marken nun zu Henkel gehören?
Ich glaube, das spielt keine Rolle. Es war auch vorher nicht relevant, dass die Invincible Brands Holding dahintersteht.
Aber Sie haben sich neue Zielgruppen gekauft, an die Sie mit den Dachmarken Henkel und Schwarzkopf nicht herangekommen wären, oder?
Ja, ich denke schon. Es gibt ein Segment mit relativ jungen, meist weiblichen Konsumenten, die ständig auf der Suche nach neuen Dingen sind, nach Inspiration. Da spielt auch der FOMO-Faktor eine Rolle – die „fear of missing out“, man will nichts verpassen. In dieser Welt finden klassische Marken nur schwer ihren Platz. Insofern ergänzen die neuen Marken unser Portfolio perfekt.
Inwiefern nutzen Sie die neuen Insights für die hauseigenen Marken?
Wir führen ja bereits Marken, die ähnlich positioniert sind, etwa Got2b oder Nature Box. Und wir haben in meinem Team einen Inkubator gegründet, über den wir bereits neue Marken gelauncht haben und weiterhin launchen werden. Da ergeben sich interessante Querverbindungen, und die zuständigen Marketer sind im kontinuierlichen Austausch.
Was unterscheidet das D2C-Geschäft operativ von Ihrem klassischen Geschäft?
D2C ist schneller und direkter. Der Absatz wird durch ein ständiges Feuerwerk an Events und Neuigkeiten angetrieben – wenn man nichts tut, verkauft man auch nichts. Im Handel dagegen sind die Produkte ständig sichtbar. Auch ohne Werbemaßnahmen gehen Menschen ins Geschäft und kaufen sich ein Shampoo. D2C ist da deutlich volatiler. Es kann zum Beispiel zwischenzeitlich einen verschärften Wettbewerb um die Influencer geben, weil eine neue Marke gelauncht wird. Die hat vielleicht noch nicht einmal etwas mit Beauty zu tun, will aber dieselben Influencer einsetzen. Das treibt die Preise, und damit gehen plötzlich die Kundengewinnungskosten hoch. Auf der anderen Seite haben wir im ersten Lockdown geringe Kundengewinnungskosten festgestellt, da die organische Reichweite durch den erhöhten Konsum von Online-Content anstieg. Das Interesse an D2C und die Anzahl an D2C-Erstkäufern haben in dieser Zeit stark zugenommen.
Unterschiede gibt es auch beim Thema Pricing. D2C-Marken machen höhere Margen möglich, weil sie nicht den Rabattschlachten des Online-Handels ausgesetzt sind.
Das Thema ist für uns ebenfalls sehr spannend. Wir lernen viel über die Entwicklung von Kundengewinnungskosten, über den Erfolg von Werbekampagnen und über die Conversion-Stärke verschiedener Influencer. Welches Preismodell funktioniert wo am besten? Lieber eine High-low-Strategie oder Stabilität in den Preispunkten? Das hilft uns auch dabei, unsere eigenen Marken erfolgreicher im Omnichannel zu vertreiben.
Lassen sich die Insights immer so einfach übertragen? D2C-Produkte werden häufig von ausgesprochenen Fans der Marke gekauft, die sich, wie Sie es beschreiben, auch gern in die Weiterentwicklung einbringen. Diese Klientel lässt sich doch kaum mit den Gewohnheitskäufern vergleichen, die im traditionellen Geschäft sehr wichtig sind.
Ja und nein. Es gibt sicherlich viele Konsumenten, die sich bei den D2C-Marken stark engagieren. Es gibt aber gerade im Influencer-Bereich auch viele Impulskäufe – man stößt auf ein Produkt, findet es interessant und greift zu. Wir betreiben zum Beispiel ein Joint Venture namens myATTTD, bei dem es um Shame-Produkte geht, um Intimpflege und Antitranspirante. Hier wer den einige Produktkategorien komplett aus dem Impuls gekauft.
Bauen Sie D2C-Marken auch selbst auf?
Ja. Wir haben zum Beispiel die D2C-Marke M:ID auf den Markt gebracht, die Produkte gegen Haarausfall bei Männern anbietet. Bald folgt die neue Skin-care-Marke St. Biomé. Hier wollen wir ein Hybrid-Modell fahren: Die Marke wird in den sozialen Netzwerken nach der D2C-Logik vermarktet, gleichzeitig ist sie aber bei Pure Playern im Online-Handel erhältlich. So können wir verschiedene Zielgruppen ansprechen, den Erfolg vergleichen und später durch den konkreten Business-Case eine breite Handelseinführung umsetzen.
Kurbeln Sie das D2C-Geschäft auch deshalb an, um den Handel auszuklammern und damit die Margen zu erhöhen?
Nein, darum geht es nicht. Es ist aktuell aber klar erkennbar, dass Konsumenten sehr gerne online kaufen wollen. Wir als Anbieter wollen die damit verbundenen Insights, aber auch die Sales. Daher ist es für uns und unsere Wettbewerber wichtig, an diesem Geschäft teilzunehmen. Omnichannel-Marketing wird künftig immer wichtiger und D2C hilft uns, eigene Erfahrungen zu machen und ein attraktiver Gesprächspartner für den Handel zu sein. Der stationäre Handel wird das Kerngeschäft bleiben.
Das Interview samt weiteren Artikeln zum Thema DTC erschien zuerst in der April-Printausgabe der absatzwirtschaft.