Cyborg Patrick Kramer ist überzeugt: Es ist unmöglich, jemanden mit einem Mikrochipimplantat zu tracken

Das Implantieren von Mikrochips wird gemeinhin nur Nerds und Piercing-Fetischisten zugeordnet. Zu Unrecht, findet Patrick Kramer. Für ihn sind Implantate die folgerichtige Weiterentwicklung der Digitalisierung, sie sind gesundheitlich unbedenklich und bieten einen Nutzwert, zumindest ein wenig.
Patrick Kramer hält es derzeit für unmöglich, Personen mit Chipimplantat ohne deren Wissen tracken zu können

Herr Kramer, tragen Sie in diesem Moment ein Implantat?

Dr. Patrick Kramer: Ja, drei sogar. Zwei davon sind kleine Glaszylinder, die für unterschiedliche Funkfrequenzen ausgelegt sind. Und das dritte Implantat ist eine winzig kleine Platine, in etwa so groß wie ein Achtel Fingernagel. Der große Vorteil der zweiten Variante ist die größere Fläche, auf der mehr Antenne aufgebracht werden kann.

Was für Daten sind da drauf?

Im Moment habe ich auf einer der beiden Glaskapseln die Zugangsdaten zu einem Konferenzcenter, in dem ich letzte Woche war. Ich wusste zwar, dass sie Funkschleusen haben, aber nicht, mit welcher Technik die arbeiten. Das wissen die anwendenden Unternehmen übrigens selten. Meistens wissen das nur die Ausrüster. Die haben ganz schön geguckt, als ich mit dem Zugangscode auf meinem Implantat die Schleuse quasi durch Handauflegen öffnen konnte.

Handauflegen? Ist nicht die Funktechnik rund um RFID (radio-frequency identification) und NFC (Near Field Communication) dazu geeignet, kontaktlos eine Verbindung herzustellen?

Im Prinzip schon, aber das ist derzeit vermutlich die häufigste Fehleinschätzung. Die Antenne im Implantat ist so winzig, dass kaum größere Reichweiten als Hautkontakt zu erzielen sind. Die Implantate sind ja nicht aktiv, das heißt, sie senden nichts aktiv aus. Zwar könnte eine sehr große Antenne den Chip in der Haut eventuell finden, aber das Rücksignal zu dekodieren – also die Inhalte zu lesen – gelingt nicht über Distanz. Und selbst wenn: Die Antennen der RFID-Chips auf Bezahlkarten sind um ein Vielfaches größer. Und vom Smartphone wollen wir gar nicht sprechen.


Über Patrick Kramer

Der Hamburger Patrick Kramer trägt statt eines Schlüssels einen Mikrochip unter der Haut und ist einer von rund 4 000 deutschen Bodyhackern. Bodyhacker streben  ein effektiveres Arbeiten, schnelleres Denken und ein besseres Leben an. Kramer ist Geschäftsführer und Chief Cyborg Officer bei seiner Firma Digiwell und Co-Founder und Geschäftsführer von Vivokey Technologies.


Sie sagen also: Das heimliche Tracking ist schon technisch nicht möglich.

Schüler dank Mikrochipimplantat aufspüren und zur Schule bringen? Was in „Fack ju Göhte 3“ so einfach möglich war, ist reinste Science-Fiction, quasi Alien-Technologie. Noch abstruser, aber umso faszinierender ist das „Smart Blood“ im letzten James-Bond- Film Spectre, in dem GPS-fähige Nanopartikel mit Stromversorgung ins Blut gespritzt werden. Cool, aber die Realität sieht anders aus: Mikrochipimplantate können weder aktiv senden noch verfügen sie über ein GPS-Modul oder über eine eigene Stromversorgung. Wir kennen das alle von unseren Hunden oder Katzen. Auch hier kann man das Tier nicht via Smartphone-App und Mikrochip lokalisieren. Man muss es analog finden und dann ein entsprechendes Lesegerät auf Hautkontakt anhalten, um den Chip zu scannen. Die GPS-Module sind viel zu groß, haben beschränkte Batteriekapazität und sind nicht mal annähernd sicher genug, um sie in einen Körper zu implantieren! So etwas möchte niemand unter der Haut haben, weder Mensch noch Tier. Eine Batterie subkutan direkt unter der Haut ist gefährlich, unpraktisch und gehört schlicht und einfach nicht in den Körper. Durch ein Mikrochipimplantat via GPS geortet werden, ist – selbst wenn man es möchte – nicht möglich. Es ist möglich, ein Handy zu tracken, aber niemanden mit einem Mikrochipimplantat.

Das Maß an Sicherheit hängt natürlich auch von den Daten ab, die auf dem Chip sind.

Natürlich. Die meisten, die mir in der Praxis begegnen, speichern ihre Visitenkarte darauf. So what? Meine Frau hat unser Ehegelübde darauf gespeichert. Bei mir sind medizinische Basisfakten wie Blutgruppe, Allergien und so etwas gespeichert. Ich habe einen Notfallarzt aus München kennengelernt, der sagt, dass er bis zu 20 Prozent mehr Leben retten könnte, wenn er schon beim Eintreffen des Patienten – der vielleicht bewusstlos ist – diese Daten hätte. Es kostet ihn bei der Notfallversorgung am meisten Zeit, diese Daten zu recherchieren oder gar im Labor selbst zu bestimmen.

Wie würde ein Notfallmediziner von solchen Daten erfahren? Man sieht die Implantate ja kaum.

Das stimmt und das ist wirklich ein Thema. Technisch betrachtet ist es recht simpel: Der Arzt kann sehr schnell die typische Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger untersuchen. Spürt er dort das Tag, dann kann er ihn mit einem NFC-fähigen Smartphone auslesen. Es gibt aber auch Menschen, die lassen sich ein kleines NFC-Logo auf die Haut tätowieren, um darauf aufmerksam zu machen. Spätestens im MRT oder beim Röntgen würde man das Tag aber sehen.

So ein Tag mit medizinischen Informationen drauf ist also eine Art Versicherung. Hoffentlich brauche ich das nie, aber wenn ich es brauche, dann kann es mein Leben retten. Da bedarf es wirklich viel Aufklärungsarbeit. In Bayern haben wir eine Region, da gibt es zwei Seniorenheime für Alzheimer-Patienten. Da haben viele ein solches Tag und nutzen es, um zum Beispiel die Zimmertür zu öffnen. Und die örtlichen Notfallambulanzen wissen das. Wenn sie jemand finden, der verwirrt oder sonstwie auffällig ist, dann untersuchen sie zuerst die Hände, um zu sehen, ob der Betroffene ein Tag trägt.

Ist das Tag anonym? Beim Smartphone gibt es eine Mac-Adresse.

Jedes Tag, also jedes Implantat, hat eine UID (Unique Identification Marking), eine universelle Kennung. Die wird allerdings nicht übertragen, wenn die Daten aus dem Implantat ausgelesen werden. Die UID ist unveränderlich. Mit einer Mac-Adresse hat das aber technisch nichts zu tun.

Wer also die UID mit einem Hack auslesen würde, könnte die Verbindung zur Person herstellen.

Nicht wirklich, dann hätte jemand meine UID. Und? Da steht ja nicht, wem sie zugeordnet ist. Diese Daten sind nirgendwo gespeichert.  Es bleibt dabei: Der Aufwand ist so viel höher, als das Smartphone zu hacken, und da stecken doch die viel wertvolleren Daten drin, zum Beispiel Passwörter.

Man könnte aber eine UID klonen und sich Zutritt zu einem gesicherten Objekt verschaffen. 

Das ist so eine typische theoretische Diskussion. Also: Der Kriminelle müsste zunächst ein wohlhabendes Zielobjekt finden. Dann müsste er wissen, dass dieser Mensch ein Implantat hat, mit dem er sich Zutritt verschafft. Dann müsste er diesen Menschen fixieren und die Daten auslesen. Das hört sich für mich nicht sonderlich erfolgversprechend an. Da wirft man doch lieber einen Stein ins Fenster.

Wir vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Betrachten wir doch mal, welche Möglichkeiten wir Menschen haben, um uns technisch Zugang zu verschaffen: per klassischem Schlüssel, Fingerabdruck, Irisscan, Face-ID, Passwort, RFID-Zugangskarten etc. Alle diese „Schlüssel“ haben ihre Vor- und Nachteile. Das Implantat mag auch Nachteile haben – obwohl mir keine einfallen– ,ist aber immer noch sicherer und einfacherer zu handhaben als die klassischen Zugangsarten.

Wie verbreitet sind Implantate?

Wir schätzen, dass weltweit etwa 60.000 Menschen Mikrochipimplantate haben. In Deutschland sind es ungefähr 4.000.

Sind das vor allem Computer-Nerds?

Das war anfangs der Fall. In den letzten Jahren hat sich das stark gewandelt. Das ist ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Ich hatte gerade eine Story mit der „Bild der Frau“ zum Thema Familie der Zukunft. Mehr kann man wohl im Mainstream nicht ankommen.

Wir haben von 14- bis 80-Jährigen alle und auch sehr unterschiedliche Berufsgruppen. Da gibt es zum Beispiel einen Anwalt, der bestimmte Akten so unter Verschluss halten möchte, dass nur er persönlich da ran kann.

Denn Sie müssen bedenken: Einen Schlüssel oder eine Codekarte verliert man ja viel leichter, oder sie wird dem Nutzer sogar gestohlen. Bei manchen Firmenwagen steht sogar das Kennzeichen auf dem Schlüssel. Hier diskutieren wir aus Sicherheitsgründen gerne über Themen wie Gesichtsscan oder Pupillenscan. Diese Verfahren sind aber wesentlich unzuverlässiger, weil sie vom Lichteinfall abhängig sind.

Der Punkt ist: Mikrochipimplantate haben keine Nachteile. Man sieht sie nicht, man spürt sie nicht. Alles, was man ihnen an Bedenken entgegenbringt, ist rein theoretischer Natur und kommt immer von Personen, die keine persönliche Erfahrung damit haben.

Wie sieht der Entwicklungspfad aus: Werden wir uns an unterschiedlichen Stellen im Körper Implantate einfügen lassen, die dann unsere Leistungsfähigkeit erhöhen oder unsere Körperfunktion überwachen?

Kaum. Dazu braucht es eine aktive Stromquelle. Das wollen wir nicht. Welcher Hersteller würde da in die Haftung gehen? Und wenn man an GPS denkt, braucht man ja sogar ein aktives System. Die Batterie wäre nach ein paar Stunden leer.

Spannender ist Energy Harvesting, also die Idee, aus dem Körper Energie zu gewinnen. Das ist aber noch Science- Fiction. Der nächste Schritt ist die Eliminierung des Portemonnaies. Wenn man alle Funktionen des Portemonnaies in einem Implantat bündeln kann und dann unter der Haut trägt, dann ist das etwas, was viele Menschen wollen. Und die Reduktion von Plastikkarten hat sogar einen ökologischen Vorteil.

Der Vivokey steht in den Startlöchern. Ein Mikrochipimplantat, das unsere digitale Identität schützen wird. In naher Zukunft werden wir uns mit über 50 Milliarden smarten Objekten irgendwie austauschen müssen. Vivokey wird es erstmalig möglich machen, keine klassischen Passwörter mehr verwenden zu müssen und trotzdem eine aktive Verschlüsselung nutzen zu können. Wir werden damit „unhackbar“, unsere digitalen Identitäten werden sicher. Übrigens werden derzeit 6 000 digitale Identitäten pro Sekunde gehackt beziehungsweise gestohlen. Mit dem Vivokey wird das nicht mehr möglich sein.

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