Creditreform befürchtet Insolvenzwelle in Deutschland

Bislang hat die Corona-Krisen nicht zu einem Anstieg der Firmenpleiten geführt. Doch das könnte sich schon bald ändern, glaubt Creditreform. Ganz anders sieht es bei den Verbraucherinsolvenzen aus.
Insolvenz
Im ersten Halbjahr verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland trotz Corona überraschend kräftig. Doch laut Creditreform droht eine Insolvenzwelle zu einem späteren Zeitpunkt. (© Imago)

Deutschland droht nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform „eine Insolvenzwelle von bisher nicht gekanntem Ausmaß“, falls sich die Wirtschaft nicht rasch von dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten Konjunktureinbruch erholt. Nach Meinung vieler Fachleute könne es einen Anstieg der Firmenpleiten um bis zu 20 Prozent geben, sagte der Hauptgeschäftsführer von Creditreform, Volker Ulbricht, am Montag in Düsseldorf.

Im ersten Halbjahr verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in der Bundesrepublik trotz Corona allerdings überraschend noch einmal kräftig um 8,2 Prozent auf 8900 Fälle. Das Insolvenzgeschehen habe sich damit von der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Unternehmen abgekoppelt, betonte Ulbricht.

Die Gründe dafür seien vor allem die milliardenschweren staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für von Corona geschädigte Unternehmen und noch mehr die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende September. Die Maßnahmen seien offenbar in ihrer Wirkung über das Ziel hinausgeschossen und hätten auch einigen Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht erspart, die schon vor der Krise pleitegefährdet gewesen seien, urteilte der Konjunkturexperte. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt zunächst bis Ende September, kann aber für ein weiteres halbes Jahr bis Ende März verlängert werden.

Die Insolvenzwelle sei damit aber nur vertagt worden, betonte Volkert. Das Risiko einer deutlichen Verschärfung des Insolvenzgeschehens in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr steige.

Die Schäden durch die knapp 9000 Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr bezifferte Creditreform auf rund zwölf Milliarden Euro. Bei den betroffenen Unternehmen und deren Umfeld seien rund 125.000 Arbeitsplätze bedroht oder bereits weggefallen. Bestätigt hat sich der Trend der vergangenen Jahre, wonach viele Insolvenzkandidaten ältere, schon etablierte Unternehmen sind. Immerhin knapp die Hälfte der Insolvenzen im ersten Halbjahr entfiel auf Firmen, die älter als zehn Jahre waren.

Corona-Krise hat kaum einen Effekt auf Verbraucherinsolvenzen

Kaum einen Effekt der Corona-Krise sieht Creditreform bislang bei den Verbraucherinsolvenzen. Die Zahl der Privatpleiten verringerte sich in den ersten sechs Monaten weiter um 6,4 Prozent auf 30.800. Bis Mitte März seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Verbraucher noch gut gewesen – geprägt von einem stabilen Arbeitsmarkt und niedrigen Zinsen, betonte Ulbricht.

Inzwischen hätten steigende Arbeitslosenzahlen und eine massive Ausweitung der Kurzarbeit die finanziellen Spielräume vieler Verbraucher zwar eingeengt. Dennoch sei auch im zweiten Halbjahr keine dramatische Änderung der Situation bei den Verbraucherinsolvenzen zu erwarten. Denn es sei ein langer Leidensweg bis ein überschuldeter Verbraucher tatsächlich ins Insolvenzverfahren komme.

Letztlich sei die künftige Entwicklung bei den Verbraucherinsolvenzen davon abhängig, ob es gelinge, die Krise am Arbeitsmarkt mit Kurzarbeit zu bewältigen, oder ob es am Ende doch noch zu einem massiven Stellenabbau in Deutschland komme. „Wenn wir wieder eine ausgeprägte Arbeitslosigkeit bekommen, wird auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen früher oder später wieder steigen“, sagte Ulbricht.

Von Erich Reimann, dpa