Frau Gründel, erinnern Sie sich noch daran, wann Sie den Begriff “Creator” zum ersten Mal gehört haben?
Das muss bei einer Veranstaltung des TikTok-Vorgängers musical.ly gewesen sein. Die Plattform war damals noch nicht kommerzialisiert, weshalb aus deren Sicht der Begriff Influencer nicht passte. Sie haben stattdessen von Video Creators gesprochen.
Sie haben zuletzt auf LinkedIn über die Diskrepanz zwischen den Begriffen Influencer und Creator gepostet. Gleichzeitig schreiben Sie, dass Influencer*innen zu Creators werden. Was denn nun?
Das ist eher die Innensicht der Social-Media-Stars. Sie bezeichnen sich selbst lieber als Creator, weil sie die Qualität ihrer Inhalte in den Vordergrund rücken wollen. Faktisch ist es nur eine Begrifflichkeit. Aus Marketer-Sicht macht es immer Sinn, über Influencer zu sprechen. Im Marketing geht es doch darum, Menschen mit der eigenen Marke zu inspirieren. Umgekehrt formuliert: Wer keinen Einfluss auf seine Community hat, ist nicht interessant für eine Marke.
In den USA gibt es, laut einer Studie von The Keller Advisory Group, die Sie zitieren, inzwischen rund 27 Millionen Creators, die Geld mit ihren Posts und Videos auf Social Media verdienen. Das entspricht 14 Prozent der Konsument*innen zwischen 16 und 54 Jahren. Sollten sich Marketer in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf eine ähnliche Entwicklung einstellen?
Vielleicht haben wir die schon längst und wissen es nur noch nicht. Die Studie wurde schließlich nicht im DACH-Raum erhoben. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass wir auch in diese Richtung gehen. Wenn man nämlich tiefer in die Studie schaut, sieht man, dass 6 Prozent der 16- bis 54-jährigen US-Amerikaner Vollzeit-Influencer sind und im Schnitt 179.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Viele haben es offensichtlich geschafft, damit richtig gut Geld zu verdienen.
Das Interactive Advertising Bureau, kurz IAB, hat herausgefunden, dass 40 Prozent der US-Marketingentscheider*innen ihre Budgets für Creator 2024 erhöhen wollen. Laut Goldman Sachs soll sich die Creator Economy von derzeit 250 Milliarden auf 480 Milliarden US-Dollar bis 2027 verdoppeln. Sehen Sie ein Ende dieser Entwicklung?
Wenn man sich anschaut, wieviel Zeit Menschen inzwischen auf Social Media verbringen, versteht man den Bedarf an immer mehr Content. Marken finanzieren ihn mit, weswegen die Entwicklung automatisch in diese Richtung geht. Im B2B-Bereich ist sie vielleicht noch nicht so ausgeprägt, aber im B2C-Bereich gehört die Arbeit mit Social-Media-Stars in jedem Fall dazu – unabhängig von der Größe eines Unternehmens. 97 Prozent aller Unternehmen geben laut einer aktuellen Digiday-Studie Geld für Social-Media-Marketing aus. Und die Budgets steigen.
Auch wenn die Inhalte von Creatorn kreativer und weniger von Kaufanreizen getrieben sind als die von Influencer*innen, entscheiden doch Meta, TikTok und Co über die Ausspielung der Inhalte, oder?
Bei TikTok entscheidet der Algorithmus, welche Inhalte auf der For You Page ausgespielt werden. Bei Instagram und Facebook ist der Algorithmus auch relevant, aber was ich like und wem ich folge, hat einen deutlich größeren Einfluss darauf, was ich sehe. Der User hat mehr Macht, seine Inhalte zu kuratieren. Umgekehrt ist hier die Anzahl der Follower aus Markensicht viel wichtiger, bei TikTok kommt es darauf nicht wirklich an. Ein Stück weit hat man es selbst in der Hand: über gutes Storytelling und guten Content.
Die Dmexco steht kurz bevor: Am 18. und 19. September wird es in Köln auch um das Thema “Creator Economy” gehen. Welche Highlights sollten Besucher*innen auf dem Schirm haben?
Erstmals haben wir eine Kooperation mit den Video Days. We are Era bringt mit Fabian Grischkat einen haltungsstarken Influencer auf die Bühne, der gerne den Finger in die Wunde legt (Anmerk. d. Red.: 19.9., 12.30-13 Uhr). Céline Flores Willers von The People Branding Company kuratiert am zweiten Tag der Dmexco auf der Collective Stage einen ganztägiges Summit zu den Themen Business Influencer, Personal Branding, Employer Branding. Da reinzuschauen, macht auf jeden Fall Sinn, wenn man sich, seine Marke oder sein Unternehmen auf LinkedIn positionieren möchte. Der Datenanalyst Michael Schreck wird auf der E-Commerce-Stage über das Thema Social Selling sprechen und tief in den LinkedIn-Algorithmus reinblicken (Anmerk. d. Red.: 19.9., 11.55-12.15 Uhr). Ebenfalls auf der E-Commere-Stage haben wir, in Kooperation mit Social Match, den Social Talk – einen eigenen Summit zu den Themen Social Media und Influencer Marketing geplant (Anmerk. d. Red.: 19.9., 13-17 Uhr).