In Krisenzeiten machen sich Menschen Sorgen. Medizinische Sorgen, Sorgen um die Versorgungslage und natürlich Sorgen um ihr Geld. Aktuell wird der Suchbegriff „Aktie“ fast vier Mal so häufig auf Google eingegeben, wie noch zum Jahreswechsel. Der generische Begriff hat natürlich zwei Ebenen: Die Menschen suchen nach Aktien, in die sie jetzt investieren könnten. Und sie beobachten den Aktienkurs der Papiere, die sie bereits haben.
Letzteres machen auch die Journalisten, um die Entwicklung des Kurses als Stimmungsbarometer zu verwenden und durch entsprechende Artikel induzieren sie weitere Suchen bei den Lesern. Das Interesse an Unternehmensanteilen der Drägerwerke, die mit einem Großauftrag der Bundesregierung medizinische Ausrüstung produzieren, ist enorm. Der Highflyer aber ist Curevac. Dem Unternehmen wird zugetraut, einen Impfstoff zu finden.
„Gold“, also die vermeintlich sichere Geldanlage in Krisenzeiten, wird unterdessen nicht häufiger gesucht. Auch eine erste Recherche nach dem „Goldpreis“ interessiert die Menschen nicht mehr als sonst.
„Near me“ im Versorgungsengpass
Was die Menschen dagegen brennend interessiert, ist die Frage, wo es „Toilettenpapier in der Nähe“ zu kaufen gibt. Wohlgemerkt „Toilettenpapier“ und nicht „Klopapier“. Die Suchbegriffe weisen extrem unterschiedliche Entwicklungen auf. Vielleicht liegt den Menschen in Zeiten zwangs-verstärkter Häuslichkeit der ästhetischere Suchbegriff näher als der profane. Vielleicht drückt er einen höheren Anspruch an Sauberkeit und Hygiene aus.
Das ist nur eine der vielen Lektionen, die das Marketing aus der Krise mitnehmen muss. Das Suchverhalten ändert sich und mit ihm sollten sich die Budgets bewegen. Eine Verschiebung zwischen Synonymen kann immer passieren und der Marketer sollte das im Blick behalten. Der Begriff „Homeschooling“ beginnt gerade erst zu wachsen, nachdem viele Medien das Wort verwendet haben. Er wird aber wesentlich häufiger eingegeben als „Unterricht zuhause“. „Schule online“ wurde kurzfristig sehr häufig gesucht als die Schulen schlossen. Inzwischen scheint Ernüchterung eingetreten zu sein.
Die Marketing-Experten von Uberall haben ihr Augenmerk vor allem der „Near me“ Suche gewidmet. Das Berliner Start-up, das US-Unicorn Yext und einige andere haben in den letzten Jahren viel Geld damit verdient, den Unternehmen hyperlokales Marketing zu ermöglichen. „Die Suche nach Hotels und Restaurants in der Nähe lässt dramatisch nach. Die Aufrufe von Google Maps haben sich halbiert“, erläutert Greg Sterling, VP Market Insights von Uberall. Gleichzeitig hat Uberall herausgefunden, dass in den USA die Suche nach geöffneten Supermärkten und Drogerien ansteigt.
Deutsche besser mit Öffnungszeiten vertraut?
In Deutschland ist die Suche nach „Supermarkt in der Nähe“ nicht in gleichem Maß explodiert. Der Schluss liegt nahe, dass die Deutschen mit wichtigen Informationen wie den Öffnungszeiten besser vertraut sind. Das hat eventuell damit zu tun, dass Amerikaner normalerweise eher auf dem Weg zur Arbeit oder in der Nähe der Arbeitsstelle einkaufen. Die Deutschen tun das eher in der Umgebung des Zuhauses. Allerdings gilt das nicht für Baumärkte. Hier zeigt die Menge der eingegebenen „Near Me“ Suchen auch in Deutschland deutlich nach oben.
Für Sterlings ist das eine sehr spannende Zeit. Gerade hat Uberall ein Werbeprodukt für Google Maps gelauncht. Das liegt jetzt auf Eis. Aber die Krise beinhaltet für Marketer auch Chancen. „Wenn sich Unternehmen aus bestimmten Bereichen zurückziehen, werden natürlich die Klickpreise für die anderen niedriger“, so Sterling.
Neue Themen in der Suche
Es liegt nahe, dass man in SEO gerade punkten kann, wenn man zu aktuellen Suchbegriffen wie „Desinfektionsmittel“ etwas Kluges zu sagen hat. Allerdings werden die offensichtlichen Top-Keywords wie „Corona“ auch extrem intensiv mit Content bespielt, schon von den Medien.
Der Blick sollte sich auf die „zweite Reihe“ richten. Wie verändern Ausgangsbeschränkungen die Lebensgewohnheiten der Menschen? Sehr spannend ist etwa die Entwicklung im Bereich Basteln. Suchbegriffe wie „Selber machen“ erfahren sehr viel Zuspruch. „Do it yourself“ wird dagegen deutlich seltener von den Deutschen gesucht, „DIY“ schon etwas häufiger, aber deutsches Wording verspricht schnelleren Erfolg.
„Fortbildung“ ist unterdessen ein Suchwort, das die Deutschen eher meiden. Möglicherweise ist es zu abstrakt. Konkrete Themen wie „Yoga online“, „Fitness online“ oder natürlich „Schule online“ funktionieren aktuell sehr gut. „Fitnessgeräte“ werden von den deutschen gerne gekauft, aber noch lieber wollen sie ein „Laufband“. Und in Richtung Wochenende geht regelmäßig der Begriff „Wandern“ nach oben.
Die Amerikaner äußern sich dagegen ambivalent, wenn es um spezielle Bedürfnisse in der Krise geht, hat die Uberall-Analyse ergeben. Sie suchen verstärkt nach Möglichkeiten zum Blutspenden, aber auch viel häufiger nach Bezugsquellen für „Waffen und Munition“.