Corona-Analysen: Nachhaltigkeit und Konsumenten-Typen

Auch abseits der Statistiken zu den Infizierten, Genesenen oder Verstorbenen in der Corona-Krise gab es in den letzten Tagen eine Reihe von interessanten Zahlen und Untersuchungen zum Coronavirus und seinen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Die wichtigsten Ergebnisse für die Marketingbranche im Überblick.
Nachhaltigkeit
Utopia-Umfrage: Wird das Thema Nachhaltigkeit durch die Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewinnen? (© Unsplash)

Viele Verbraucher wollen nach der Corona-Krise ihr Verhalten ändern

Viele Verbraucher wollen ihr Verhalten im Alltag aufgrund der Corona-Krise ändern: Sie wollen auch nach Abflauen der Pandemie weniger ins Kino oder in Konzerte gehen, seltener reisen und einen Bogen um öffentliche Verkehrsmittel machen. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Marktforschungsunternehmens McKinsey hervor.

Solange kein Impfstoff gegen das Corona-Virus zur Verfügung steht, wollen rund 40 Prozent der Umfrage zufolge seltener öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, Züge oder Flugzeuge nutzen. Stattdessen wollen sie häufiger zu Fuß gehen, oder auf das Fahrrad oder das eigene Auto zurückgreifen.

Ein Drittel der Befragten will auch nach dem Abflauen der Corona-Krise seltener auf Konzerte, ins Theater oder ins Kino gehen, 26 Prozent überhaupt nicht. Und immerhin rund 29 Prozent der Befragten gab an, auch nach dem Abflauen der Corona-Krise weniger beruflich oder privat reisen zu wollen. Weitere 27 Prozent planen sogar, völlig darauf zu verzichten. Rund 30 Prozent kündigten an, künftig weniger Geld für Luxusprodukte oder überflüssige Einkäufe ausgeben zu wollen. Jeder Viertel will der Umfrage zufolge beim Einkauf künftig grundsätzlich mehr auf den Preis achten.

63 Prozent der Deutschen haben keinen Spaß am neuen Einkaufen

Es hatte sich schon in der ersten Woche der Öffnung der Geschäfte angedeutet: Den Konsumenten fehlt in diesen Tagen die Lust zum Shoppen. Insgesamt 63 Prozent der Befragten bekennen, dass ihnen das Einkaufen unter den aktuellen Bedingungen keinen Spaß macht. Das ist nicht nur ein hoher Wert, sondern im Vergleich zur Vorwoche noch einmal eine satte Steigerung von rund 13 Prozentpunkten. Das ergibt sich aus den aktuellen Daten des fortlaufenden Corona-Handelstracker von EY-Parthenon und Innofact.

„Masken und Mindestabstand scheinen sich damit noch stärker zum Konsumkiller zu entwickeln, als gedacht“, schreiben die Studienautoren. Grund hierfür sei unter anderem auch eine wachsende Sorge vor finanzieller Unsicherheit. So sagen aktuell knapp 38 Prozent der insgesamt 1.050 repräsentativ befragten Bundesbürger, dass sie aufgrund der Unsicherheit in der aktuellen Lage versuchen, ihre Ausgaben auf das Nötigste zu reduzieren. Das ist eine Steigerung von deutlichen fünf Prozentpunkten im Vergleich zur Untersuchung von vor zwei Wochen.

Zur Wiederbelebung des privaten Konsums hat der Handel somit gleich gegen zwei Barrieren anzukämpfen: Unzufriedenheit der Verbraucher mit der neuerlebten Shopping-Realität und Kaufzurückhaltung wegen finanzieller Sorgen.

Beim Corona-Handelstracker wurden Männer und Frauen im Alter von 18 bis 79 Jahren befragt. Es erfolgte eine Bevölkerungsrepräsentative Quotierung der Stichprobe nach Geschlecht, Alter und Bildungslevel.

Die Konsumenten-Typen in der Corona-Krise

Laut der Studie „Resilienz-Typologie in der Corona-Krise“ von Wavemaker und [m]Science, lassen sich die deutschen Konsumenten hinsichtlich der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise in vier Kategorien einteilen:

  • „Ego-Tivity“: Zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) setzen ihren Fokus während Covid-19 auf das eigene Wohlbefinden und nehmen sich wieder mehr Zeit für sich.
  • „New Solidarity“: Knapp jeder Zweite (45 Prozent) entdeckt in der Krise seine Solidarität und engagiert sich für seine Mitmenschen.
  • „Eventification“: Als positives Event inszeniert ein Drittel der deutschen Konsumenten (33 Prozent) die Pandemie, um gut durch die Corona-Krise zu kommen.
  • „Binge-Capism“: Größtmögliche Ablenkung sucht jeder Vierte (25 Prozent) im täglichen Konsum großer Mengen an Content.

Methode: Mischung aus repräsentativer, quantitativer Umfrage und tiefenpsychologischer Analyse; Zielgruppe: Erwachsene 18+; Quoten: Alter, Geschlecht; Stichprobengröße: n=1.514; Feldzeit: April 2020

Corona-Krise: Ein Push für die Nachhaltigkeit?!

Das Thema Nachhaltigkeit wird durch die Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewinnen. Davon sind 39,4 Prozent der Verbraucher, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, überzeugt. Weitere 39,9 Prozent erwarten langfristig keine Veränderung für Nachhaltigkeit im Ranking der öffentlichen Agenda. Nur 16,6 Prozent sind pessimistischer und gehen davon aus, dass Nachhaltigkeit für die meisten Menschen infolge der Krise weniger wichtig sein wird als vorher. Das ergab die aktuelle Utopia-Studie „Die Welt nach Corona“ unter bewussten Konsumenten. (n = 2500 Utopia-Nutzer).

Die stärksten Alltags-Veränderungen sind laut der Umfrage auch bei bewussten Konsumenten die privat wie beruflich eingeschränkte Reiseaktivität, die veränderte Arbeitssituation (Homeoffice) und das häufigere Selber-Kochen. Nach diesen Aspekten rückt bereits Regionalität in den Fokus: 79,1 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, bewusst lokale Anbieter (Händler, Dienstleister) in diesen Krisenzeiten zu unterstützen. 57,7 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage kaufen noch mehr regionale Produkte ein als vor der Corona-Krise.

Doch welche veränderten Konsum- und Alltagsverhalten werden bewusste Konsumenten in die Zeit „nach Corona“ übernehmen? Die Unterstützung lokaler Anbieter und der Kauf regionaler Produkte liegen in der Utopia-Studie klar vorne: 85,3 Prozent wollen auch nach der Krise verstärkt bei lokalen Händlern und Anbietern kaufen, 76,4 Prozent erwarten, dass sie mehr auf regionale Produkte achten. Immerhin 68,9 Prozent geben an, in Zukunft mehr auf Bio-Qualität achten zu wollen. Auch die Qualität von Produkten steht für die Zeit nach Corona hoch im Kurs: 69,2 Prozent nehmen an, dass sie künftig mehr darauf achten werden beim Einkaufen.

Was können Marken in der Corona-Krise tun?

Auf die Frage nach dem Besten, was Marken und Unternehmen in der Corona-Krise tun können, um zu helfen, sagten sechs von zehn Menschen weltweit, „sich um ihre Mitarbeiter zu kümmern“ – das ist eins der Ergebnisse der dritten Studie „Truth About Culture and Covid-19 Phase 3“ von der Mc Cann Worldgroup.

Die Studie zeigt zudem, dass sich die Hälfte der Verbraucher Marken wünscht, die sich auf die Beschaffung lebenswichtiger Ressourcen wie Beatmungsgeräte, Masken und andere Schutzausrüstung konzentrieren. Die Mehrheit der Menschen weltweit glaubt, dass Regierungen und Unternehmen zusammenarbeiten sollten, um die Coronavirus-Krise zu lösen. Einer von drei Menschen weltweit ist der Meinung, dass CEOs für ihre Mitarbeiter Opfer bringen sollten (in Großbritannien sind es 54 Prozent und in den USA 48 Prozent).

„Der Aufbau starker Marken war wohl noch nie so wichtig wie heute“, heißt es weiterhin in der Studie. Über 13 Prozent der weltweit Befragten gaben an, bereits auf generische Marken umgestiegen zu sein, um Geld zu sparen. Ein Drittel der Menschen weltweit wünscht sich darüber hinaus, dass Marken Glück und Positivität verbreiten.

Vor allem Junge haben in Corona-Krise gehamstert

In der Corona-Krise haben vor allem junge Leute Arzneien, Lebensmittel und Hygieneartikel gehamstert. Das zeigt eine Studie des Marktforschers Nielsen im Auftrag des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), für die Mitte April rund 1000 Menschen repräsentativ befragt wurden.

Demnach gaben 43 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, Arzneien über die in normalen Zeiten beschaffte Menge hinaus gekauft zu haben. Bei den 30- bis 39-Jährigen waren es 34 Prozent. Dagegen hamsterten nur 15 Prozent der 50- bis 59-Jährigen sowie 9 Prozent der über 60-Jährigen Medikamente. Damit lagen die älteren Menschen deutlich unter dem Durchschnitt von 23 Prozent.

Nicht nur bei Arzneien zeigte sich, dass gerade jüngere Menschen auf Vorrat kauften. So gaben 53 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, Produkte des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Seife oder Toilettenpapier über das gewöhnliche Maß beschafft zu haben und 51 Prozent der 30- bis 39-Jährigen. Das waren weit mehr als in der Gruppe zwischen 50 und 60 und bei den über 60-jährigen (24 beziehungsweise 19 Prozent). Große Haushalte mit drei bis vier sowie über fünf Personen hamsterten demnach besonders, ebenso solche mit einem hohen Bildungsgrad. Haushalte mit wenig Einkommen hielten sich zurück.

Eine Ursache für das Einkaufsverhalten sei, dass Eltern Vorräte auch für ihre Kinder angelegt hätten, so die Marktforscher. Das könne erklären, warum relativ junge Menschen bei Lebensmitteln und Arzneien verstärkt zuschlugen. Sie fühlten sich verantwortlich für andere Personen im Haushalt – etwa, wenn diese an Krankheiten litten.

Urlaub in der Corona-Krise: Deutsche suchen ihr neues Glück in der Region

Die Studienreihe „Markenkommunikation in Zeiten von Corona“ von der Hamburger Agentur Pilot zeigt in der siebten Welle unter anderem, wie sich die Deutschen in ihren Freizeit- und Urlaubsplänen neu orientieren.

Während das Auswärtige Amt Ende April die weltweite Reisewarnung bis 14. Juni verlängert hat, wollen zeitgleich 47 Prozent der Befragten an ihren Urlaubsplänen für 2020 festhalten. Hier hält sich der Optimismus auf eine Normalisierung im zweiten Halbjahr. 27 Prozent gaben dagegen an, ihren Urlaub ersatzlos storniert zu haben, 18 Prozent haben geplante Reisen zeitlich verschoben. Umgebucht auf ein Urlaubsziel in Deutschland hatten zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechs Prozent der Befragten. Hatten zu Beginn der Corona-Krise 65 Prozent der Befragten einen Kurzurlaub geplant, so sind es inzwischen immerhin noch 55 Prozent.

Von den geänderten Urlaubsplänen könnten vor allem die Angebote in den Regionen deutlich profitieren: 48 Prozent der Betroffenen wollen nun lieber Tagesausflüge in die nähere Umgebung unternehmen, 40 Prozent sehen sich nach Kurzurlaubszielen innerhalb Deutschlands um. Und 27 Prozent planen nun Urlaub im Alltag: Sie wollen mit Freunden etwas in der eigenen Stadt oder Umgebung unternehmen.

Steckbrief der Online-Panel-Studie: n = 1000 Befragte; Struktur der Stichprobe: online repräsentativ 18+ Jahre; Feldzeit: 29./30.4.2020; Forschungsinstitut: Norstat. Alle Ausgaben der Studienreihe finden Sie hier.

Corona-Krise: Deutscher Industrie brechen die Aufträge weg

Das Neugeschäft der deutschen Industrie ist in der Corona-Krise so stark eingebrochen wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Der Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe fiel im März saison- und kalenderbereinigt um 15,6 Prozent gegenüber dem Vormonat Februar, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Dies sei der stärkste Rückgang seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1991, so die Wiesbadener Behörde. Der Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe sank laut der vorläufigen Zahlen um 11,5 Prozent zum Februar.

Der Einbruch der Industrie-Aufträge zog sich durch alle Regionen und war noch stärker als von Analysten befürchtet: Sie hatten im Schnitt ein Minus von zehn Prozent erwartet. Während die Order aus Deutschland um 14,8 Prozent fielen, sanken die Auslandsaufträge um gut 16 Prozent. Beim Neugeschäft in der Eurozone stand gar ein Rückgang von fast 18 Prozent. Während Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeuge einen Einbruch um mehr als ein Fünftel hinnehmen mussten, war das Minus in der Konsumgüterbranche gering.

Die Daten bestätigten die schlimmsten Befürchtungen, erklärte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Die Industrie bricht so stark ein wie noch nie seit Bestehen des wiedervereinigten Deutschlands.“ Für Ökonomen sind das schlechte Vorzeichen. „Der Rückgang ist epochal und lässt nichts Gutes erahnen», meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Selbst während der Finanzmarktkrise brachen die Bestellungen nicht so stark ein.“

Die Pandemie und die strikten Maßnahmen zur Eindämmung haben die Wirtschaft in vielen Teilen lahmgelegt, internationale Lieferketten rissen. Exportorientierte Branchen wie der Auto- und Maschinenbau sowie die Chemieindustrie trifft die Corona-Krise hart. Für die deutsche Wirtschaft hat die im internationalen Vergleich starke Industrie einen besonderen Stellenwert. Zuletzt hatte schon das Ifo-Institut wegen der Corona-Krise einen deutlichen Rückgang der Industrie-Produktion in den kommenden Monaten vorhergesagt. Die Wirtschaft werde erst Ende 2021 wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen.

Jede Woche eines Shutdowns koste die Volkswirtschaft einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag an Wertschöpfung, monierte der BDI. Das verursache starke Wohlstandsverluste und dauerhaften Schaden in Wirtschaft und Gesellschaft. Von der Politik forderte der Verband einen Zeitplan. „Unsere Unternehmen fordern eine verbindliche Planung ein, weil sie sich auf einen Neustart einrichten müssen.“

Motive der Mediennutzung während der Corona-Krise

Die FH Kufstein Tirol hat in einer Studie die Motive der aktuellen Mediennutzung während der Corona-Krise untersucht. Mittels Online-Befragung wurden sieben unterschiedliche Medientypen analysiert – und das sind die Ergebnisse:

  • Informationsmedien: Das Informationsmedium Nummer eins in der Krise ist das lineare, klassische Fernsehen. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr erhöhter TV-Konsum mit der Informationssuche zusammenhängt. Auch Social Media wird für Informationssuche mit 65 Prozent stark genutzt.
  • Unterhaltungsmedien: Streaming-Dienste wie Netflix, Amazon Video und ähnliche sind die bevorzugten Entertainment-Medien. 89 Prozent der Befragten gaben an, diese zur Unterhaltung zu nutzen. Nach Streaming wird die größte Unterhaltungsrelevanz mit 76 Prozent Büchern zugemessen, gefolgt von Social Media mit 70 Prozent und Radio mit 66 Prozent. Lediglich 19 Prozent der Befragten nutzen das Fernsehen zur Unterhaltung, 24 Prozent der Befragten gaben an TV wegen der Entspannung zu konsumieren.
  • Gewinner und Verlierer: 56 Prozent der Befragten greifen in der Krisenzeit verstärkt auf Bücher zurück. Das ist nach Social Media der zweithöchste Wert. Die verstärkte Nutzung von Büchern basiert laut der Studie überwiegend auf den Motiven „Unterhaltung“ (76 Prozent), „Entspannung“ (74 Prozent) und „Probleme vergessen“ (66 Prozent). Werte, die lediglich mit Streaming-Diensten vergleichbar sind.

    Printmedien sind der große Nutzungsverlierer. Gedruckte Produkte wie Zeitung oder Magazine wurden in der Krise der Studie zufolge weniger genutzt. Somit ist Print die einzige Kategorie, die in der Krise nicht stärker genutzt wird. Dies könnte laut den Wissenschaftlern unter anderem mit dem limitierten Zugang zu stationären Verkaufsstellen während des Lockdowns zusammenhängen.

Über die Studie: In der quantitativen Online-Befragung wurden Studierende der FH Kufstein Tirol im Alter zwischen 17 und 39 Jahren nach Ihrer Mediennutzung befragt. Es wurden sieben Kategorien der Mediennutzungsmotive auf Basis einschlägiger Studien gebildet. Die Befragung ist nicht repräsentativ und wurde im Zeitraum zwischen dem 15. und 22. April 2020 durchgeführt.

mit Material von der dpa

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.