Um die in der Corona-Krise abgestürzte Nachfrage anzukurbeln, fordert die deutsche Autoindustrie staatliche Prämien für den Neuwagen-Kauf. Damit soll auch der Austausch alter Benziner und Dieselwagen gefördert werden. Volkswagen konkretisierte am Montag seine Vorschläge. „Die Produktion der Automobilindustrie kann nur hochfahren, wenn auch der Absatz der Fahrzeuge gesichert ist“, sagte VW-Kernmarkenchef Ralf Brandstätter. Strittig ist jedoch etwa die Frage, ob sich eine mögliche Förderung auf klimafreundliche Antriebe beschränken oder auf alle Arten von Autos erstrecken könnte.
Auch der Autoverband VDA sprach sich für konjunkturelle Impulse aus. Präsidentin Hildegard Müller sagte, wichtig sei es, dass solche Maßnahmen bald beschlossen und die Vielfalt der Fahrzeugsegmente berücksichtigt würde. „Denn nur mit einer solchen Breitenwirkung ergibt sich ein signifikanter Effekt auf die Kaufentscheidungen der Kunden und damit auf die Produktion und die gesamte Wertschöpfungskette.“ Dies ermögliche es der Automobilindustrie schneller aus der Krise zu kommen.
Corona-„Lockdown“ bringt Autobranche in Bedrängnis
Der coronabedingte „Lockdown“ hat die Branche schwer in Bedrängnis gebracht. Einerseits waren Autohäuser wochenlang geschlossen, und viele Kunden zögern mit der Anschaffung von langlebigen Konsumgütern wie Fahrzeugen. Andererseits rissen zahlreiche Lieferketten. Die Firmen mussten zudem den Gesundheitsschutz in den Werken verbessern.
Die Auto-Neuzulassungen brachen im März ein. Bundesregierung und Ökonomen rechnen mit einer tiefen Rezession in Deutschland. Der private Konsum als Stütze der Wirtschaft geht zurück. Zigtausende Beschäftigte sind in Kurzarbeit, viele haben Einkommensverluste.
Am 5. Mai sind nach Dpa-Informationen Beratungen von Bund und Autobranche zu möglichen Stützungsmaßnahmen geplant. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ darüber berichtet. Wie die Zeitung unter Berufung auf Industriekreise meldete, würden auch andere Instrumente diskutiert – etwa eine reduzierte Mehrwertsteuer oder bessere Abschreibungsregeln.
Forderungen nach Kaufprämien sind an sich nicht neu, Hersteller und Politiker hatten diese schon allgemein vorgeschlagen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte gesagt, der Umstieg auf umweltfreundliche Antriebe könne damit wesentlich beschleunigt und die Branche im Strukturwandel zur E-Mobilität unterstützt werden. Niedersachsen ist VW-Anteilseigner, Weil Mitglied im Aufsichtsrat.
Brandstätter sprach sich nun für Maßnahmen aus, die gezielt wie auch in der Breite wirkten und Jobs sicherten. Die Öffnung der Autohäuser sei ein erster wichtiger Schritt. Das allein werde aber nicht reichen. „Um Absatz von Neuwagen anzustoßen, braucht es einen besonderen Impuls.“ Automobil- ist neben dem Maschinenbau die deutsche Schlüsselbranche, mehr als 800.000 Menschen arbeiten hier.
VW, BMW, Daimler – Absatzförderung als sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz?
Eine Absatzförderung könne ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz sein, sagte der VW-Manager. „Eine Idee wäre beispielsweise, dass sich die Höhe der Förderung an der Höhe des CO2-Ausstoßes des jeweiligen Neufahrzeuges bemisst. Damit ließe sich der Austausch von alten Fahrzeugen mit Abgasnorm Euro-2 bis Euro-5 beschleunigen.“ Eine Prämie solle auch moderne Verbrenner einschließen.
Beim Konkurrenten BMW gibt es ähnliche Überlegungen. Vorstandschef Oliver Zipse hatte der dpa in München kürzlich gesagt: „Wir sehen in einer Innovationsprämie eine doppelte Chance: Sie kann als Konjunkturmaßnahme die Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig den Umstieg auf klimaschonende Technologien beschleunigen.“ Dies sei ein umfassender Ansatz: „So kombinieren wir wirtschaftliche Erholung mit wirksamem Klimaschutz, anstatt beides gegeneinander auszuspielen.“
Daimler erklärte: „Grundsätzlich halten wir Maßnahmen, die in diesen Zeiten der starken Unsicherheit bei den Kunden die Nachfrage stärken könnten, durchaus für überlegenswert. Dabei können verschiedene Maßnahmen in Frage kommen, die gerade national wie auf europäischer Ebene diskutiert werden.“ Brandstätter plädierte für eine anhaltende, separate Förderung für E- und Hybridfahrzeuge über den „Umweltbonus“ – unabhängig von möglichen neuen Programmen gegen die Absatzkrise.
Der Bund hatte erst kürzlich eine höhere Förderung von Elektroautos beschlossen. Die Industrie trägt dabei die Hälfte der Kosten. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag, in der Corona-Krise habe die Koalition umfassende Hilfen für die Wirtschaft auf den Weg gebracht. Falls es generell erforderlich wäre, würden weitere Maßnahmen beraten, sagte er, ohne näher auf die Debatte um eine Kaufprämie für Autos einzugehen. Allgemein habe die Regierung weiter den „Ehrgeiz“, Ökologie und Klimaschutz voranzutreiben.
Greenpeace und BUND: Umweltschützer skeptisch
Umweltschützer sehen Prämien für Benzin- oder Dieselautos skeptisch. Kaufbeihilfen für Pkw aus öffentlichen Geldern müssten auf jeden Fall an ökologische Kriterien geknüpft sein, sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Förderungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor seien maximal für eine kurze Phase zu akzeptieren – wenn gleichzeitig festgelegt werde, dass andere Vergünstigungen schrittweise abgebaut werden, so etwa die steuerliche Besserstellung von Dieselkraftstoff.
Greenpeace warnte vor Verzögerungen beim Hochlauf alternativer Antriebe, sollten neues Geld in alte Konzepte fließen. „Wer heute mit Hilfe von Steuermilliarden mehr Diesel und Benziner verkauft, wird morgen weniger Elektroautos absetzen“, so Experte Benjamin Stephan. „Deutschland braucht keine weitere Abwrackprämie, die veraltete Antriebe und Geschäftsmodelle am Leben halten will, sondern eine Aufbauprämie für saubere Mobilitätslösungen.“
Die Branche war schon vor Corona in einem schwierigen Umbruch zu alternativen Antrieben, dazu kommt der digitale Wandel. Hersteller müssen strengere Klimavorgaben der EU einhalten, andernfalls drohen Milliardenstrafen. Die E-Mobilität spielt eine wesentliche Rolle auch im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung.
Von Andreas Hoenig und Jan Petermann, dpa