Connected TV – Evolution eines Werbekanals

Immer weniger Menschen nutzen ihren Smart-TV ausschließlich für das klassische lineare Fernsehen. Stattdessen schauen sie sich verstärkt Streams und andere digitale Inhalte auf dem Big Screen an. Um diese Nutzer anzusprechen, expandieren Marken mit ihrer TV-Werbung ins Connected TV
Die Werbeakzeptanz im Connected TV nimmt zu. Entsprechend ist der Werbemarkt in Bewegung. (© Sky Deutschland)

Von Karsten Zunke

Seit Fernseher über einen Internetanschluss verfügen, ist vieles anders: Serien werden via Netflix geschaut, großes Kino über Prime Video konsumiert und Sportübertragungen kommen mit den TV-Apps von Sky oder Dazn ins Wohnzimmer. Interaktiv und auf dem Big Screen. Ist der Fernseher dazu allein nicht in der Lage, werden smarte Devices angesteckt, zum Beispiel ein Fire­TV-Stick von Amazon. Die Zusatzgeräte machen den Fernseher internetfähig und ermöglichen den Zuschauern auf ihrem TV-Bildschirm den Zugang zu digitalen Inhalten. Ein solches Connected TV (CTV), bei dem Bewegtbild­Content via Internet auf dem TV-Gerät konsumiert wird, gewinnt für Werbetreibende rasant an Bedeutung.

Bestes Beispiel ist Warsteiner: Das klassische Fernsehen ist für die Marke historisch ein wichtiges Werbemedium. Doch die Biermarke zeigt auch, wie man neue Technologien clever für die Zielgruppen-Kommunikation einsetzen kann: Mit einer CTV-Kampagne wurden auf Samsung-Smart-TVs ausschließlich Zuschauer angesprochen, die die Spots der Marke im klassischen TV nicht gesehen hatten.

Möglich macht das eine spezielle technische Lösung von Samsung, mit der nach einem User-Opt-in die Bildschirminhalte mithilfe einer Bilderkennung automatisch analysiert werden. Dadurch konnte bestimmt werden, ob und in welcher Frequenz ein TV-Spot auf einem Endgerät gesehen wurde – oder eben nicht. Auf den linear nicht erreichten Geräten wurden anschließend gezielt In-Stream Video Ads innerhalb der Inhalte der Samsung TV Plus-Sender angezeigt (unter anderem Auto Motor und Sport, Comedy Central, Focus TV, Spiegel TV). Durch dieses Vorgehen konnte die Marke die Nettoreichweite auf dem Big Screen deutlich steigern.

Werbemarkt im Aufwind

Laut einer aktuellen Goldbach-Studie verfügen 74 Prozent aller Haushalte zumindest über ein internetfähiges Gerät, was sich auch in den Nutzungszahlen niederschlägt: 70 Prozent der 16- bis 49­Jährigen nutzen bereits Connected TV, die Hälfte von ihnen sogar regelmäßig. Die Nutzung der internetfähigen Zusatzfunktionen erfolgt bei 71 Prozent der Befragten am häufigsten direkt über den Smart-TV. 20 Prozent nutzen eine Streaming-Box, 22 Prozent einen Streaming-Stick und 30 Prozent eine Spielekonsole. Besonders interessant: Zwei Drittel der Nutzer kostenpflichtiger Apps würden der Studie zufolge Werbung akzeptieren, wenn die Inhalte kostenlos wären. Laut Goldbach nimmt die Werbeakzeptanz im CTV zu. Entsprechend ist der Werbemarkt in Bewegung.

Fernsehsender gehörten in Deutschland zu den ersten, die den Streaming-Trend erkannten. Die RTL-Gruppe hat sich mit ihrem Angebot TV Now hierzulande ebenso etabliert wie Joyn, ein gemeinsames Streaming-Angebot der Medienkonzerne Pro Sieben Sat.1 Media und Discovery. Auch der etablierte Sportsender Sky bietet CTV-Inhalte an und vermarktet sie, ebenso wie der aufstrebende Streaming-Dienst Dazn. Gerätehersteller mischen ebenfalls mit. Sie bauen ihren Einfluss im deutschen TV-Markt kontinuierlich aus. Ursprünglich als Hardware-Anbieter angetreten, entwickeln sie sich zu Plattformbetreibern. LG und Samsung beispielsweise bündeln Inhalte verschiedenster Quellen für ihre Nutzer und vermarkten sie.

Zusätzlich kann auf den Geräten selbst geworben werden, zum Beispiel in der App-Navigation. Die großen Verlagshäuser haben das Potenzial von Connected TV ebenfalls längst entdeckt. Bekannte CTV-Apps sind unter anderem Bild Live, Welt oder Focus Online. Special-Interest-Titel und unabhängige Anbieter wie Waipu.tv, Pluto TV und ­Rakuten TV runden das CTV-Angebot ab.

Hohe Completion Rate für Mc Donald’s

Nicht nur Publisher und Technologieanbieter sind optimistisch gestimmt und drängen in den Markt, die Marketer sind es auch. Marken schätzen insbesondere die effizienten Möglichkeiten der Zuschaueransprache. In der Mediaplanung von Mc Donald’s ist Connected TV zum Beispiel bereits eine sehr wichtige Komponente. Um insbesondere Konsolenspieler und Medien-Streamer im Alter zwischen 18 und 49 Jahren zu erreichen, nutzte die Fastfood-Kette kürzlich eine Kampagne im CTV.

Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen und wiesen über drei Millionen abgeschlossene CTV-Aufrufe aus. Die Completion­Rate – die sich auf das Ansehen der kompletten Ads bezieht – erreichte im CTV 93 Prozent und lag damit höher als eine parallel umgesetzte Online-Video-Kampagne, die eine Completion­Rate von 86 Prozent erreichte.

Viele Zielgruppen sind bereits im CTV sehr gut erreichbar. Die Nutzung ist über alle Konsument*innen, gerade bei den jüngeren Zielgruppen, etabliert. Connected TV bietet somit hohes Potenzial und wächst stark. „CTV ist in der breiten Masse angekommen und essenziell für unsere Mediaplanung“, kommentiert ein Mc Donald’s-Sprecher die aktuelle Entwicklung. Perspektivisch werde CTV auch in kommenden Mediakampagnen eine wichtige Rolle einnehmen. Gründe seien die technische Ausstattung und Abdeckung der Haushalte sowie der veränderte Medienkonsum.

Eine große Stärke sieht man bei Mc Donald’s vor allem in den guten Targeting-Möglichkeiten, sowohl auf Zielgruppen und Umfelder als auch auf Endgeräte wie Spielekonsolen. Ein weiterer Vorteil: Werbung auf CTV genießt eine hohe Akzeptanz, die Mehrheit der Nutzer*innen findet Werbung auf Smart-TVs vollkommen in Ordnung. Diese Akzeptanz wird verstärkt, wenn die Werbebotschaft genau auf die Bedürfnisse der Konsumenten abzielt. Herausforderungen sieht man bei Mc Donald’s jedoch in der Etablierung Vermarkter-übergreifender Standards, zum Beispiel bei Messung und Ad Verification.

CTV bei der Telekom fester Bestandteil

Auch die Telekom zählt zu den First Movern bei Video-Werbung im Connected TV. Das Unternehmen nutzt CTV bereits heute in jeder Telekom-Bewegtbildkampagne als zusätzlichen Baustein, um gezielt spezifische Zielgruppen besser erreichen zu können. „Jedoch fehlen aktuell noch die Reichweite und Möglichkeiten zur Skalierung. Das muss und wird sich in Zukunft ändern“, ist Michael Schuld, TV-Chef der Telekom, überzeugt. So wie er sind viele Marktbeobachter*innen zuversichtlich, dass der Kanal für Werbetreibende weiter an Attraktivität zulegt.

Neben renommierten Angeboten finden immer mehr Special-Interest-Inhalte den Weg auf den digitalen Fernsehbildschirm – von der regionalen TV-App bis zum Nischen-Sportsender. Auf diese Weise fragmentiert das Angebot weiter. „CTV als Werbekanal macht den Big Screen relevant für Kampagnen mit spezifischeren Zielgruppen und erhöht so die Effizienz“, sagt Schuld. „Schwierig sind die aktuellen Publisher-Daten-Silos, die eine übergreifende Planung und Optimierung für Werbetreibende erschweren.“ Die Angebote für die Vermarktung zu bündeln, gilt somit als eine der wichtigen Aufgabe der kommenden Jahre. Erste vielversprechende Lösungen sind bereits verfügbar, zum Beispiel ein Vermarkter-übergreifendes Kontaktklassenmanagement für ausgewählte Angebote.

Letztlich dürfte – wie bei vielen anderen Entwicklungen – der hiesige Markt dem Trendsetter USA folgen. Einer Prognose von eMarketer zufolge werden Werbetreibende in den USA in diesem Jahr 11,4 Milliarden US-Dollar für Werbung im CTV ausgeben. Im Jahr 2021 sollen es bereits knapp 18,3 Milliarden US-Dollar sein – das wäre mehr als doppelt so viel wie noch im vergangenen Jahr. Zwar ist der TV-Markt in Deutschland historisch völlig anders gewachsen als der Markt jenseits des Atlantiks. Doch die digitale Evolution des Fernsehens wird sich auch hierzulande nicht aufhalten lassen.