von Sandra Fösken
Das Zauberwort für die Medienwelt heute heißt „Community-Building“ (community = Gemeinschaft), also die Bindung von Kunden und Lesern über Themen, Interessen, Produkte, Marken und Events zu einer Interessengemeinschaft, die sich die Werkzeuge des Web 2.0 zunutze machen. Zentrales Merkmal von Web 2.0 ist die Alleinverantwortung der Nutzer für die Gestaltung des Inhalts.
Rechtzeitig auf den Zug aufgesprungen ist der Burda-Konzern, der vor etwa zwei Jahren das Zielgruppen- durch das Community-Marketing ersetzte. Was allerdings oft in Vergessenheit gerät: Spezielle Interessengemeinschaften und Gruppen Gleichgesinnter gab es schon lange vor dem Internet.
Medien bedienten schon immer das Gemeinschaftsgefühl. Vor allem Frauenzeitschriften und Special-Interest-Zeitschriften schreiben sich seit Jahrzehnten das Community-Marketing auf die Fahnen. Allerdings funktionierte „Community-Building“ über Mitmach-Anrufe, Gewinnspiele und Lesertreffen oftmals nicht so reibungslos wie heute. Die Kommunikationsformen über das Web 2.0 beschleunigen und vereinfachen die Interaktion zwischen Printmarke und Leser. Und sie geben den Lesern auch untereinander Raum, sich direkt auszutauschen.
Der US-Markt zeigt, welches Potenzial in Communitys steckt. So sind die Amerikaner weitaus häufiger in Netzwerken aktiv als ihre englischen und deutschen Kollegen, hat das Marktforschungsunternehmen Ipsos ermittelt. Dass Neugier das Motiv ist, das die meisten User zu Community-Webseiten treibt, zeigt das amerikanische Schüler- und Studentenportal Facebook.com, das zu den Top Ten der am häufig besuchten Social-Network-Webseiten zählt.
Dort registrieren sich jeden Tag über 100 000 Menschen. Ob Community-Portale direkten Einfluss auf das Konsumverhalten der Nutzer haben, ist noch nicht erforscht. Die Marktforscher von Jupiter Research jedenfalls haben für den US-Markt ermittelt, dass immerhin 29 Prozent sich durch Online-Communitys in ihren Kaufentscheidungen bestätigt fühlen.
Die Community als Werbeplattform
Aber eignen sich Web-2.0-Angebote als Werbeplattform? Immerhin entstehen mit Web 2.0 sehr viele soziale Netzwerke, die nur kleine Zielgruppen erreichen. Und die Kundengewinnung erfolgt ausschließlich über den Netzwerkeffekt. „Nur die großen Portale mit hohen Page-Impressions und Visits werden sich durchsetzen und langfristig erfolgreich sein“, meint Konstantin Urban, Geschäftsführer der Holtzbrinck Networks GmbH, die mit der Online-Studenten-Community Studi VZ über zwei Milliarden Page-Impressions monatlich erzielt und damit mehr Seitenaufrufe erreicht als das T-Online-Portal.
Doch Christoph Schuh, Marketing- und Sales-Vorstand beim Online-Vermarkter Tomorrow Focus, mahnt, eine Finanzierung ausschließlich über Werbung sei schwierig. Erfolgreicher sei ein Mix aus Werbeerlösen und Endkundengeschäft. Als Beispiel führt Schuh das Urlaubs-und Hotelbewertungsportal „Holiday Check“ an, das mit einem Anteil von 90 Prozent über Transaktionen und nur mit zehn Prozent über Werbung finanziert wird. Auf dem Portal erhält der Nutzer Reisetipps und Hotelbewertungen und die Möglichkeit, das ausgewählte Hotel oder die Reise direkt zu buchen.
Ohne Targeting geht es nicht
Der Vorteil für die Community-Betreiber ist der geringe Aufwand: Im Gegensatz zu den Nachrichtenportalen oder Kontaktportalen wie Parship.de entfallen bei den meisten Online-Communitys die hohen Marketingkosten. Auch die technologischen Herausforderungen sind gering. Es geht im Wesentlichen um Ideen, Inhalte und Businessmodelle, nicht um bahnbrechende Software-Neuerungen.
Matthias Ehrlich, Vorstand bei United Internet Media, ergänzt: „Nur wer Mediasteuerung beherrscht und zielgerecht ansprechen kann, wird mit Online-Communitys auch Geld verdienen. Hier liegt auch die Gefahr für deutsche Player ohne Technologie, die sich gegen technisch hochrüstende internationale Konglomerate behaupten müssen – wir sind froh, dass wir schon früh massiv in solche Mediasteuerung investiert haben.“
Als Meilenstein bezeichnet Ehrlich die erste Version des Mediaplanungstools „TOP“ der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOG), mit dem die Adressierung von Werbung nach unterschiedlichen Zielgruppenmerkmalen – etwa regionales oder soziodemografisches Targeting – möglich ist und Streuverluste erheblich reduziert werden können. Die Investitionen der Vermarkter in die Online-Werbemarktforschung sind notwendig.
Denn das fehlende Wissen darüber ist die größte Hürde für die Akquise von Werbekunden. Dies gilt insbesondere für Communitys.
„Die Mehrheit der Werbekunden ist noch damit beschäftigt, die Möglichkeiten der Online-Werbung ‚1.0‘ in ihrer gesamten Leistungsvielfalt und -stärke zu durchdringen und für sich zu erschließen“, beobachtet Ehrlich. Zudem begeben sie sich in ein werbliches Umfeld, dessen Wirkungsweise noch gar nicht erforscht ist, geschweige denn beherrscht wird.
„Wir stehen hier sicherlich erst ganz am Anfang“, resümiert der Experte. Die Angst vor dem totalen Kontrollverlust können die Anbieter den Markenartiklern nicht nehmen, die Web-2.0-Werkzeuge nutzen, Mitmach-Aktionen über Communitys starten oder dort werben.
Immerhin können die Folgen für die Marke dramatisch sein, wenn das Produkt, die Werbung, das Markenversprechen in Diskussionsforen, Weblogs und ähnliches kritisiert und virale Kampagnen ihren Lauf nehmen, die womöglich die Marke karikieren.
Professor Dr. Christoph Burmann vom Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen winkt ab: „Marken- und Mediamanager haben bisher noch nie die vollständige Kontrolle über ihre Marken gehabt.“ Web 2.0 vergrößere lediglich den bereits vorhandenen Bereich, der sich einer Kontrolle durch die Markenführung entzieht. Durch Web 2.0 hätten sich die Reaktionszeiten verkürzt.
Der Imageschaden trete schneller und heftiger ein.
Seine Empfehlung: Die Marken sollten Brand Commitment aufbauen und die Markenführung konsequent innengerichtet führen sowie die Web-2.0-Nutzer in die Markenführung einbeziehen. Coca-Cola beispielsweise startete in der virtuellen Welt Second Life einen Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer virtuelle Coke-Automaten gestalten sollten. Das Unternehmen verknüpfte den Wettbewerb mit unterschiedlichen Community-Plattformen. Teilnehmer konnten Vorschläge unter anderem als Video bei Youtube präsentieren.
Zudem konnten Ideen über eine Microsite (www.virtualthirst.com) und auf Myspace (www. myspace.com/virtualthirst) vorgestellt werden.
Der Automat sollte aber keine Flaschen auswerfen. Der Konzern erhoffte sich eine Darstellung der Markenwerte. Die Besonderheit: Die virale Kampagne wurde zunächst über Blogs kommuniziert. Auch das Interesse der Automobilkonzerne an Netzwerklösungen wächst. So hat BMW eine eigene Community-Plattform unter www.m-power.com für Besitzer der M-Modelle gelauncht.