Als der VDMA vor fünf Jahren eine Studie über Chinas Innovationsstrategien vorgestellt hatte, stand das Land noch auf Platz vier der Rangliste der weltgrößten Maschinenbauländer. Inzwischen ist China mit einem Umsatz von 563 Milliarden Euro (2011) mit Abstand der weltweit größte Maschinenproduzent. Jörg Nürnberg von Droege-Group berichtet: „In den Jahren 2006 bis 2010 steigerte China das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 115 Prozent. Treiber dieses Wachstums waren maßgeblich staatliche Infrastrukturmaßnahmen, nicht private Investitionen, nicht Innovationen und nicht Konsum.“ Dieses Verhalten habe weltweit zu spürbaren Überkapazitäten in Industrien wie etwa Stahl und Zement geführt.
Ziel Chinas sei es, bis 2015 Maschinen nicht mehr nur im unteren Preissegment anzubieten, sondern auch „State of the art“-Technologie zu liefern. Das würde auch den deutschen Maschinenbau treffen. „Auf dem Weg zu diesem neuen Niveau wird China, wie in der Vergangenheit, Überkapazitäten und landesinternen Wettbewerb schaffen, welcher auf den Weltmärkten für starke Verzerrungen sorgen wird“, betont Nürnberg. So sei China mittlerweile der größte Hersteller von Werkzeugmaschinen und habe deshalb seine Exportziele auf vier Milliarden US-Dollar für 2015 fixiert. Das sei acht Mal so viel wie im Jahr 2010.
Verdoppelung der F&E-Investitionen
Im Zeitraum bis 2015 wird China seine Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) der Studie zufolge mehr als verdoppeln. Sieben strategische Bereiche sollen mit 1,2 Billionen Euro gefördert werden, um globale Technologieführerschaft zu erreichen: umweltfreundliche Fahrzeuge, neue Energiequellen, High-End-Equipment, Energieeffizienz, neue Materialien, Bio-Technologie und neue IT. Diese Schlüsselindustrien sollen um jährlich 33 Prozent wachsen.
Verstärkt sollen nationale Forschungszentren aufgebaut werden und der Anteil der F&E-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt in China soll von 1,5 auf zwei Prozent steigen. Das sind 2015 rund 215 Milliarden Euro, rund dreimal so viel, wie Deutschland heute für Forschung und Entwicklung ausgibt. VDMA-Präsident Lindner konkretisiert dies: „Die Schlüsselindustrien sollen regional konzentriert werden, zum Beispiel High-End-Equipment in Hunan oder neue Energien in Sichuan.“ Auch die Investitionen im Ausland will China verstärken, wobei Akquisitionen die bevorzugte Methode sind.
Staatlich geförderte Wettbewerber
„Besonders die Förderung in den Bereichen Zulieferer für die Elektromobilität, Solar- und Windkraftindustrie, Luftfahrt, Hochgeschwindigkeitszüge und intelligente Ausrüstungen für die Produktionstechnik sind von großer Relevanz für den deutschen Maschinenbau“, betont Lindner. Für Teilbranchen wie Hütten- und Walzwerkeinrichtungen, Thermoprozesstechnik, Gießereimaschinen, Verfahrenstechnik, Fluidtechnik, Präzisionswerkzeuge, Werkzeugmaschinen oder Formenbau würden sich neue Marktpotenziale ergeben. Aber es entstünden auch staatlich geförderte, mächtige neue Wettbewerber.
Auf diese veränderten Bedingungen in China und auf dem Weltmarkt müssten sich die deutschen Maschinenbauer einstellen und die eigenen Strategien überprüfen und neu ausrichten. „Das kann sowohl verstärkte Produktion und Entwicklung in China heißen, Nachdenken über neue Kooperationen oder gesteigerte Innovationen, um den chinesischen Wettbewerb auf Distanz zu halten“, sagt Lindner. Die Studie gebe den deutschen Maschinenbauern konkrete Hinweise, welche Geschäftsmöglichkeiten sich erschließen, aber auch in welchen Bereichen ausländische Unternehmen oder Importeure in China vor verschlossenen Türen stehen werden. Der VDMA Präsident betont, es müsse „fair“ zugehen und es müsse Wettbewerbsgleichheit gegeben sein. Dies habe er kürzlich in einem Gespräch mit dem chinesischen Wissenschaftsminister Wan Gang zum Ausdruck gebracht. Lindner fordert dazu auf, die Aktivitäten der chinesischen Wettbewerber und der lenkenden Hand von Partei und Regierungsstellen noch genauer zu beobachten und zu analysieren, um böse Überraschungen zu vermeiden.