Frau Diaz Sanchez, Sie sind als Vorständin im GWA zuständig für Diversity, Equity und Inclusion (DEI). Diversity am Arbeitsplatz umfasst mehr als nur Herkunft und Geschlecht. Welche Bereiche von Diversität könnten Agenturen übersehen, die dennoch wichtig sind?
Die Bereiche der Diversität sind sehr vielfältig, aber es ist nicht einfach für uns, alle davon zu untersuchen. Wir konzentrieren uns häufig auf die Themen Gender, Alter und Herkunft, weil wir auf Daten zurückgreifen können. Das sind aber natürlich nicht alle Dimensionen von Diversität. Wir sind bei den vorhandenen Daten ein wenig eingeschränkt. Eine gute Datenlage ist jedoch wichtig, um Bedarfe zu erkennen oder die Wirksamkeit von Maßnahmen zu überprüfen.
Inwiefern schränken Personaldaten ein?
Personalabteilungen können oder dürfen nicht alle Daten erfassen, die uns aus einer Diversitäts-Perspektive interessieren. Das gilt unter anderem dafür, ob eine Person einen Migrationshintergrund hat oder welche sexuelle Orientierung. In Deutschland geht man hier sensibler mit Daten um als zum Beispiel in den USA.
Ihre GWA Diversity Studie von 2023 basiert ja auch auf eben solchen Personaldaten.
Genau. Wir haben jedoch überlegt, wie man weitere Informationen über Umfragen direkt von den Menschen in Agenturen erhalten könnte. Deshalb haben wir eine Befragung mit Civey angeschlossen. Die befasst sich mit Fragen zur Diskriminierung in Bezug auf verschiedene Dimensionen wie Migrationshintergrund und Alter.
An der Diversity Studie haben nur 19 von über 130 Agenturen, die im GWA Mitglied sind, teilgenommen – wie aussagekräftig ist sie dann überhaupt?
Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass mehr Agenturen teilnehmen. Die Teilnahme erfordert aber viel Arbeit und Zeitaufwand, weil die Agenturen in ihre Personaldaten genau reinschauen müssen. Auch das ist eine Hürde. Diese hätten wir gern ein bisschen gesenkt, aber wenn wir gute Daten haben wollen, dann müssen wir diesen Weg gehen. Außerdem wurden 2.119,95 Vollzeiteinheiten erfasst. Das ist vergleichbar mit unserer Studie von 2021 und diese Vergleichbarkeit war uns wichtig.
Die wichtigsten Ergebnisse der GWA Diversity Studie von 2023 und der Branchenbefragung von Civey. (©GWA/Civey)
Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass der Frauenanteil in Führungspositionen zunimmt. Wie ist das bei Ihnen in der Agentur Ressourcenmangel?
Bei Ressourcenmangel haben wir mehrheitlich Frauen in der Standort-Geschäftsführung. In Berlin sind von drei Geschäftsführenden zwei Frauen, und auch in anderen Regionen wie Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart sind Frauen in der Geschäftsführung und in der Standortleitung vertreten. Wir sehen uns hier als vorbildliche Agentur in Bezug auf Geschlechtervielfalt und sind stolz darauf. Generell beobachte ich, dass auch in anderen Agenturen neue Frauen in Führungspositionen, einschließlich C-Level-Positionen, aufsteigen.
Trotzdem gibt es immer noch Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen – laut der Studie etwa 7,7 Prozent. Woher kommt das?
Wir haben darüber ausführlich diskutiert und vermuten, dass diese Unterschiede möglicherweise durch die längere Erfahrung und Zugehörigkeit von Männern in bestimmten Positionen entstehen. Das können wir nicht belegen, aber so erklären wir es uns.
Und wie können Agenturen eine gleichwertige Entlohnung sicherstellen?
Eine Möglichkeit, dem Gehaltsunterschied entgegenzuwirken, ist die Transparenz der Gehaltsstrukturen bei gleicher Arbeit. Das ist zum Beispiel im Entgelttransparenzgesetz vom BMFSFJ geregelt. Wichtig ist jedoch, dass die Führungsebene regelmäßig die Gehaltsstrukturen überprüft, um solche Unterschiede zu identifizieren und gerechte Anpassungen vorzunehmen. Es geht darum, das Thema Gehaltsunterschied regelmäßig auf die Agenda zu setzen, Daten zur Verfügung zu stellen und Entwicklungen zu überwachen. Nur so können Veränderungen herbeigeführt werden.
Die Befragung von Civey hat gezeigt, dass Diskriminierung aufgrund des Alters vor allem bei der Altersgruppe von 30 bis 39 wahrgenommen wird. Warum denken Sie, ist diese Altersgruppe besonders betroffen?
Das liegt genau in dem Zeitraum, in dem viele Frauen eine Familie gründen. Wir glauben, dass in dem Moment, in dem das passiert, sie sich benachteiligt fühlen. Weil man sie nicht mehr als Führungskraft wahrnimmt, nicht mehr berücksichtigt oder ihnen nicht mehr zutraut, ein Geschäft zu führen, wenn sie Mutter sind. Das ist natürlich absurd!
Also waren es in dieser Altersspanne eher Frauen, die das empfunden haben?
Ja, genau.
Wie geht man als Agentur gegen solche Alters-Diskriminierung vor?
Auf unterschiedlichen Ebenen, beginnend mit dem Wertesystem der eigenen Agentur. Wir bei Ressourcenmangel bieten zum Beispiel eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen an, darunter Teilzeit für viele Kolleg*innen. Das ermöglicht Flexibilität, ist aber nicht immer einfach. Die Vielfalt der Arbeitszeitmodelle erfordert gute Organisation und Abstimmung, aber wir können so von der Erfahrung und Expertise vieler Menschen profitieren. Es wäre schade, wenn wir auf eben diese vielen Menschen verzichten – auf viele Frauen, Mütter und Väter, die sehr viel Arbeitserfahrung mitbringen.
Also denken Sie nicht, dass Teilzeit auch ein Karriere-Hindernis sein kann?
Das sollte es meiner Meinung nach nicht sein. Es wäre sehr schade, da Teilzeitbeschäftigung eine breite Palette an Arbeitskräften bietet. In der Realität entscheiden sich viele Eltern, nicht nur Mütter, sondern auch zunehmend Väter, für Teilzeit, um Zeit für ihre Familie zu haben.
In der aktuellen Zeit können sich Agenturen nicht leisten zu sagen, sie stellen nur Vollzeitkräfte ein, da es immer weniger davon gibt. Unsere Umfrage hat gezeigt, dass auch immer mehr Nachwuchskräfte nicht in Vollzeit arbeiten möchten. Daher müssen Agenturen offen sein und sicherstellen, dass Teilzeit eben keine Karrierehindernisse schafft. Ich arbeite in Vollzeit und meine beiden Geschäftsführerkolleg:innen in Berlin haben unterschiedliche Teilzeitmodelle. Das geht alles wunderbar.
Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass ungefähr 90 Prozent der Belegschaft eine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Was denken Sie, können Agenturen tun, damit der deutsche Standort auch für internationale Talente interessant ist?
Das ist auch ein wichtiges Thema, das uns im GWA beschäftigt, besonders im Kontext des Nachwuchsmangels. Unser Standort ist stark deutsch geprägt, die meisten Agenturen kommunizieren auf Deutsch. Nur wenige haben Englisch als Arbeitssprache eingeführt. Es ist immer eine Hürde, wenn jemand Deutsch nicht gut beherrscht, da er das Gespräch nicht gut versteht, was dazu führen kann, dass dieser Mensch ausgeschlossen wird.
Was heißt das konkret?
Als Agenturen müssen wir den Mut haben, uns zu öffnen, zum Beispiel auch Englisch als Arbeitssprache zu etablieren und Stellenausschreibungen auf Englisch zu veröffentlichen, um einladender zu wirken. Das könnte Menschen dazu ermutigen, auch in Deutschland eine Chance zu sehen. Es stellt jedoch auch eine Herausforderung dar, Talente aus anderen Ländern gut zu integrieren. Hier ist auch eine gewisse Offenheit der Kund*innen erforderlich. Diese beiden Ebenen müssen wir berücksichtigen, um für internationale Talente attraktiver zu werden.
Inwiefern geht man da als Agentur proaktiv beratend auf Kund*innen zu, um Diversität in der Werbung zu integrieren?
Viele Agenturen sind hier weiter als ihre Kund*innen. Sie versuchen, Kund*innen in Bezug auf Sprache und Visualität mitzunehmen. Erfahrungen zeigen, dass viele Kund*innen offen dafür sind, aber es ist wichtig, keine Grundsatzdiskussionen zu führen oder brachial etwas durchsetzen zu wollen. Im Bereich von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion ist es entscheidend, Brücken zu bauen und Wege gemeinsam zu gehen. Man muss auf die Kund*innen-Bedürfnisse, aber auch den gesellschaftlichen Kontext achten.
Einige Agenturen haben Diversity-Gruppen etabliert, die Kampagnen vor der Veröffentlichung überprüfen, um sicherzustellen, dass sie vielfältig und inklusiv sind. Idealerweise ist ein Gespür dafür in den Agenturen so etabliert, dass solche Überprüfungen nicht mehr notwendig sind. Es ist wichtig, dass Agenturen das verinnerlichen, um es dann an ihre Kund*innen weiterzutragen.
Also zuerst muss die Agentur selbst Diversität in ihre Denkweise integrieren?
Genau. Es ist wichtig, dass das Team in der Lage ist, Stereotypen zu erkennen und sich bewusst zu machen, welche Geschichten man nach außen trägt. Als Kommunikatoren haben wir eine wichtige Aufgabe, Geschichten zu erzählen, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass einige Geschichten Stereotypen hervorbringen, die in der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert werden sollten.
Das Wissen darüber, was man repräsentiert und weitergibt, ist entscheidend. Sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen ist aber auch nicht immer einfach – vor allem im Agenturalltag. Es ist herausfordernder geworden, spitze Kommunikation zu machen, ohne jemandem zu nahe zu treten. Es ist jedoch wichtig, denn je pluraler die Perspektiven, die wir einnehmen, desto vielfältiger und dadurch relevanter wird das Ergebnis. Diversität in der Kommunikation bedeutet aber nicht, alles „weich zu spülen“.
Passiert das wirklich? Kann man „zu divers“ sein?
Es gibt schon manchmal Kampagnen, wo man den Eindruck hat, jemand ist eine Checkliste durchgegangen und hat gesagt: Okay, ich habe People of Color, ich habe eine Frau und so weiter. Also Kampagnen mit so einer Art Bilderbuch-Diversität. Das abzuwägen ist wirklich nicht leicht. Trotzdem ist Checklisten- und Bilderbuch-Diversität eben auch nicht echt.
Wird der Anspruch, divers zu sein, größer und zeigt sich tatsächlich eine Veränderung?
Ich bin ein durchaus positiver Mensch und ich sehe positive Veränderungen in unserer Branche. Das ist nicht nur in Daten erkennbar, sondern auch auf Branchenveranstaltungen. Zum Beispiel eben im Bereich Gender: In den Panels verschiedener Kongresse sieht man immer mehr Frauen.
Aber: Die Branche steht vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Wenn wir in eine Rezession schlittern, neigen Unternehmen dazu, Zahlen über vermeintlich weiche Faktoren zu stellen. Es besteht die Gefahr, dass Diversität in den Hintergrund rückt, wenn andere Themen die CEOs beschäftigen. Daher müssen wir sicherstellen, dass das Thema weiterhin Priorität hat. Obwohl ich positive Entwicklungen sehe, mache ich mir auch angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen Sorgen, insbesondere bezüglich Feminismus und Gleichberechtigung. Wir sehen ja, wie bestimmte Bundesländer zum Beispiel die gendergerechte Sprache jetzt auch verbieten. Daher müssen wir aufpassen, dass da nicht alles, was wir erreicht haben, wieder verloren geht.