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Für manche steht das M für Marktführer. Für andere M wie Mephisto. Tatsächlich sind beide Definitionen je nach Standpunkt im Fall der GroupM, die vier der wichtigsten Media-Agenturnetzwerke unter ihrem Dach vereint, durchaus zutreffend: Das Konglomerat von Medien-Agenturen – das die Gelder ihrer Werbekunden an die Medien leiten – herrscht weltweit über ein Werbegeld von rund 95 Milliarden Dollar; allein in Deutschland hält der Branchenprimus mit seinen Agentur-Töchtern (Mediacom, MEC, Mindshare und Maxus) einen Marktanteil von knapp 43 Prozent. Oder in anderen Worten: Der ganze Stolz des Mutterkonzerns WPP, der mit über 27.000 Mitarbeitern und 400 Büros weltweit vertreten ist, gibt die Geschwindigkeit für die Branche vor.
Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Branche immer wieder aufs Neue die Ohren anlegt, sobald der „Interaction“-Bericht der GroupM vorliegt – der alljährliche Überblick über den globalen Status Quo des digitalen Marketings mit ersten Prognosen zu entscheidenden Trends und Themen des kommenden Jahres. Eine Erkenntnis davon: Das Digital-Geschäft zieht weiter an; von jedem Werbedollar werden im laufenden Jahr voraussichtlich 77 Cent für digitale Vermarktung ausgegeben. Ins Fernsehen werden hingegen nur noch 17 Cent investiert. Das ist eine Ansage, die wohl auch die Entscheider in den vormaligen reinen Print-Häusern aufhorchen lässt .
Und nicht die einzige. Für 2017 sieht Global CDO Rob Norman in einem 66-seitigen Vorgeschmack jenes heiß erwarteten Trend-Berichts (der im April erscheint) vor allem ein unausweichliches Thema für die Werbewelt: den wachsenden Einfluss künstlicher Intelligenz. MEEDIA hat die sieben wichtigsten Prognosen aus dem Trend-Report zusammengefasst.
1. Prognose: Der endgültige Durchbruch künstlicher Intelligenz
„Künstliche Intelligenz manifestiert sich bereits jetzt in unserem alltäglichem Leben. Es wird unser Verhalten vorhersagen – und noch vor uns wissen, dass wir neues Waschmittel kaufen müssen.“
Und daher scheint es laut GroupM vor allem an Facebook kaum ein Vorbeikommen zu geben. Der Social-Media-Gigant arbeitet zur Zeit an intelligenten Chat-Bots, die zum einen den Kundenservice verbessern – zum anderen aber auch einiges über das Nutzerverhalten lernen. Und schlussendlich zu „vielen Billionen Transaktionen“ führen; kann Facebook doch seinen Nutzern schließlich noch passendere Anzeigen ausspielen. Der Erfolg von KI-Pionieren wie Google (durch „Google Home“) und Amazon (mit „Amazon Echo“) würde die wachsende Relevanz von Künstlicher Intelligenz nur unterstreichen.
2. Prognose: AR und VR – die neue Realität
„Wie immer steht das Erzählen von Geschichten im Mittelpunkt der kreativen Evolution.“
Das Buch sei linear gewesen. Und der Film zum Buch sei auch linear gewesen. Bei Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) sei das aber anders – sie eröffnen im wahrsten Sinne des Wortes weitere Blickwinkel zu einem Thema. Bei AR-Applikationen, wie etwa „Pokémon Go“, wird die digitale Erfahrung mit einem analogen Umfeld sogar verknüpft.
Die Erfolge von Googles „Cardboard“ oder Facebooks „Oculus“ seien noch überschaubar, aber ein Anfang – in Zukunft zielen AR und VR auf den Massenmarkt. Werber sollten sich laut GroupM daher vier Fragen stellen:
- Welchen Ort, welches Objekt oder Gegenstand möchte ich erweitern?
- Mit welchen Daten oder Vermögenswerten muss ich diese erweitern?
- Wie werde ich diese Erfahrung verbreiten?
- Welchen (Mehr-)Wert schaffe ich für den Verbraucher und meine Marke? Und zu welchem Preis?
Es sei wahrscheinlich, dass in Zukunft die größten Deals im VR- und AR-Geschäft zwischen Kooperationen zwischen Marken und Einzelhändlern sowie Veranstaltungen und Sponsoren sein geschlossen werden. Vor allem Ein Wachstum in den Ressorts Reisen, Tourismus und Grundeigentum könne erwartet werden.
3. Prognose: Native Advertising im Fernsehen und Netz
„Befürworter des linearen Fernsehens argumentieren, dass Werben im linearen Umfeld eine große Reichweite sowie Werbespots auf großen Bildschirmen mit bestem Sound und Bewegtbild garantieren. Dem gegenüber steht aber die schwammige Quotenzählung sowie die zunehmende Intoleranz des Zuschauers, bei langen Werbepausen am Ball zu bleiben.“
Laut GroupM zieht nicht nur dieses Argument nicht mehr: Das lineare Fernsehen sei zudem nicht mehr der Auslöser sozialer Interaktion und von Innovationen, der er einmal war. Daher müssen sowohl Fernsehmacher und Werber weiterdenken – wie etwa die US-Networks NBC Universal, Turner und ESPN: Sie gehen Partnerschaften mit Webplattformen wie Buzzfeed ein und bauen sich auch eine Zuschauerschaft auf Youtube auf.
Kurz: Im Bewegtbildmarkt könnte zukünftig mehr auf Native Advertising, gesetzt werden. Es wird also nicht mehr eine klar definierte Anzeigenfläche gebucht, sondern der Werber wird mit seinen Inhalten ein – klar gekennzeichneter – Teil eines Angebotes. Damit sprechen Werber auf der einen Seite die Kunden gezielt(er) an – auf der anderen Seite wird das Programm um eine soziale (und digitale) Facette erweitert. Daher rät GroupM auch Werbern im linearen Fernsehmarkt, auf das Programm bezogene Anzeigen zu gestalten.
Ein Beispiel: Im Rahmen des RTL-Dschungelcamps 2017 hat Bahlsen in Kooperation mit RTL-Vermakrter IP Deutschland tagesaktuelle Framesplits entwickelt, die Bezug auf die Ereignisse im Camp genommen haben.
4. Prognose: Die Audio-Revolution
„Für Marken und Werber haben die On-Demand- und On-the-go-Streamingdienste das Potenzial, noch nie dagewesene Ebenen des Verbrauchers zu ergründen.“
Vor allem das Radio im Allgemeinen und Musik im besonderen würden viel über den Verbraucher sagen – mit Streaming-Diensten wie Spotify und Apple Music, deren Geschäftsmodell auch das Erfassen des Nutzergeschmacks ist, habe sich diese Werbemöglichkeit revolutioniert. Denn das Konsumieren von Audio-Angeboten verrate viel über die Gemütslage, Aktivität und auch Vorlieben des Nutzers. Im Umkehrschluss: Werber können über Audio-Angebote nun noch gezielter Werbung ausspielen – und sie in Kombination mit anderen Medien nahezu den ganzen Tag begleiten.
5. Prognose: Facebook und Google – das Duopoly
„Wir schätzen das Google im Jahr 2016 für 16 Prozent der weltweiten Werbung und 42 Prozent der digitalen Werbung verantwortlich war. Dem gegenüber steht Facebook mit fünf Prozent und fünfzehn Prozent. Weder Facebook noch Google operieren in China, daher sind die Zahlen nicht ganz genau. (…) Dennoch könnte diese Position unüberwindbar sein.“
Allein Google würde mit sieben seiner Plattformen (u.a. Google Mail und YouTube) über eine Milliarde Nutzer erreichen, ebenfalls über eine Milliarde User nutzen täglich Facebook und 600 Millionen Instagram (das Facebook gehört). Jeweils eine Datenbank über menschliches Verhalten für sich. Ein kaum schlagbares Machtmonopol.
Und daher auch oder vor allem für Werber interessant: So eröffne etwa YouTube (Google) ungeahnte Möglichkeiten für Werber; die Videos generieren teilweise Milliarden an Klicks – und sind daher eine attraktive Werbefläche. Zumal der Trend zum „sequenced Advertising“, also dem Einspielen von Werbung während des Videos, gehe.
Ähnliches gilt für Facebook, dass sich auf den Ausbau der Videosparte konzentriert – für Werber ist hier also auch das Bewegtbild von Interesse. Zumal das soziale Netzwerk vor allem über mobile Geräte angesteuert wird.
6. Prognose: Live Video wird immer lebendiger
„Je mehr Zeit Menschen auf einer Plattform verbringen, desto größer sind die Möglichkeiten sie zu monetarisieren.“
Mit „Live Video“-Funktionen haben Plattformen wie Facebook oder Youtube einen zusätzlichen Anreiz für Nutzer (als auch Werber) geschaffen, sich darauf zu tummeln. Von Preisverleihungen, über Musikfestivals bis hin zu Sport-Events kann über die Netzwerke eigentlich alles live gestreamt werden. Für Werber aber besonders interessant: Die Live-Video-Anbieter schließen mittlerweile Partnerschaften mit Medienunternehmen ab und holen damit exklusive Inhalte auf ihre Plattformen. GroupM glaubt hier an eine völlig neue Werbeform, die sich durchsetzen könnte. Und da freut sich wohl jeder Werber: „Es ist bemerkenswert, das Twitter, Facebook und Snapchat für diese Inhalte zahlen.“
7. Prognose: Augen auf bei Fake News
„Fake News sind keine Frage der Meinung. Entweder ist etwas passiert oder nicht.“
Auch Werber haben mit Fake News zu kämpfen – aber nicht immer, weil sie es wollen: Wird etwa eine Anzeige über Google AdSense bei der Rechtsausleger-Website Breitbart ausgespielt, die oftmals für Fake News und „alternative Fakten“ Kritik erntet, wird auch die Marke in Mitleidenschaft gezogen. Daher sei es auch für Werber wichtig, jene Anzeigen – auch, wenn sie große Reichweite und damit große Umsätze erzielen – zu bekämpfen. Die höchsten Umsätze würden ohnehin Anzeigen auf authentischen Newsangeboten erzielen. Daher die Devise: Mehr Anzeigen bei den „good Guys“ statt den „bad guys“.