„Wir schaffen das!“, versicherte uns die deutsche Regierung in Bezug auf die Flüchtlingskrise. Sollen uns diese Worte beruhigen? Naja, ich bin mir da nicht so sicher. Denn es ist immerhin die gleiche Regierung, die den Berliner Flughafen baut.
Marketingtechnisch jedoch ist das sichere Proklamieren von optimistischen Parolen nicht dumm. Kein Wähler möchte in Wahrheit hören, dass die Regierung bestimmte Dinge nicht im Griff haben könnte. Wenn eine Führungsperson öffentlich zugibt, dass sie den aktuellen Entwicklungen hilflos gegenübersteht, fliegen ihr nicht gerade die Herzen zu. Auch wenn wir manchmal sogar im Innersten wissen, dass „die da oben“ keinerlei Idee oder Plan haben, lassen wir uns von charismatischem Auftreten nur allzu gerne blenden.
Irrationale Wahlentscheidungen
Dazu hat vor einigen Jahren der Psychologe Alexander Todorov von der Princeton University einen bemerkenswerten Test durchgeführt: Er zeigte seinen Studenten einen kurzen Augenblick lang Portraitfotos von jeweils zwei ihnen unbekannten Männern und forderte sie dann auf, spontan zu entscheiden, welche der beiden Personen in ihren Augen kompetenter wirkt. Was die Studenten nicht wussten: Bei den Paarungen handelte es sich um reale Politiker, die bei unterschiedlichen Wahlen gegeneinander angetreten waren. Das verstörende Ergebnis: In 70 Prozent aller Fälle fiel die Entscheidung der Studenten auf den tatsächlichen Wahlgewinner! Nicht, weil er möglicherweise kompetenter als sein Gegner war, sondern weil er lediglich kompetenter erschien.
Selbst bei so etwas Wichtigem wie einer politischen Wahl spielen für uns Rationalität und logische Argumente offenbar eine untergeordnete Rolle. Vernunft kann uns davor bewahren, als kompletter Idiot dazustehen, aber sie wird uns nicht davon abhalten, unsere Stimme einer Flachpfeife mit tollem Haarschnitt zu geben.
Auch in anderen Branchen funktioniert das Prinzip der Kompetenzillusion. 1983 engagierte der Konzern AT&T die Unternehmensberater McKinsey, um die Zukunft des Mobiltelefonmarktes zu prognostizieren. McKinsey hatte eine: Bis zum Jahr 2000 werden höchstens eine Million Amerikaner mobil telefonieren. Die Realität jedoch sah ganz anders aus. Im Jahr 2000 telefonierten bereits 80 Millionen Amerikaner schnurlos. Die Vorhersage der smarten Jungs mit Rollkoffer und Laptoptaschen lag um 8 000 Prozent daneben! AT&T verlor die Marktführerposition und wurde 2005 von Southwestern Bell gekauft. Und McKinsey? Wuchs und wuchs und kam vollkommen ungeschoren davon.
Ahnungslosigkeit gekonnt vertuschen
Wer es schafft, nach außen hin Kompetenz auszustrahlen, der kann noch so oft den Laden gegen die Wand fahren, er wird nicht an den Pranger gestellt. Wer kompetent erscheint, versagt nicht, er verursacht höchstens einen unabwendbaren Kollateralschaden, den man schon nach einiger Zeit wieder vergessen hat. Charisma schlägt Kompetenz. Der eher uncharismatische Berti Vogts führte als Bundestrainer die Fußballnationalmannschaft 1996 zum Europameistertitel und wurde trotzdem vom Fußballvolk immer als „Bundesberti“ belächelt. Ganz anders der ewig lächelnde Jürgen Klopp. Der könnte vermutlich Bayern München in die Drittklassigkeit führen und würde bei vielen Fans immer noch als Wundertrainer gelten.
Deswegen mein Tipp: Sollten Sie keine Ahnung haben und dummerweise in einer Führungsposition sitzen, dann sollten Sie auf jeden Fall vermeiden, zuzugeben, dass Sie keinen blassen Schimmer haben. Tun Sie stattdessen alles dafür, um Ihre Ahnungslosigkeit gekonnt zu vertuschen. Arbeiten Sie sich oberflächlich in das Thema ein und simulierten Sie ab dann Expertentum. In Insiderkreisen spricht man von einer fundierten „Inkompetenzkompensationskompetenz“. Sie schaffen das!!!