Die Zukunft des Sports liegt im Beruf. Das zumindest besagt die Studie „Sportivity – die Zukunft des Sports“ des Zukunftsinstituts. Fitnessförderung im Job ist somit die Notwendigkeit einer funktionierenden Zivilgesellschaft. Mittelständische Unternehmen haben im Bereich Gesundheitsmanagement aber oft noch Defizite. Was her muss, ist eine Revolution. Die Großkonzerne sind da Vorreiter: für mehr Bewegung am Arbeitsplatz.
Gruppen-Sportarten sind im Kommen
Rückenfit-Kurse und Balancetraining auf lebensgroßen Bällen haben 2015 ausgedient. Heute haben sich Bodenturnen und Co. in den meisten Unternehmen verabschiedet, weil Mitarbeiter sich dafür schlechter motivieren lassen. Gruppen- und Leistungssportarten wie Speedminton oder Indoor-Beachvolleyball sind im Kommen. Auch Yoga, eine Runde Billard oder Tischtennis schaffen den perfekten Ausgleich. Und manche Truppen, die sich im Büro zum mittäglichen Joggen oder Radfahren zusammengefunden haben, laufen heute den Marathon oder sprinten die Cyclassics gemeinsam.
In manchen Unternehmen legen sich die Mitarbeiter gerne mit dem Boss an. Und zwar aus sportlichen Gründen: „Challenge your Boss“ heißt das Konzept von Opel in Kooperation mit dem Technologieunternehmen Garmin, welches Fitness-Tracker-Armbänder herstellt. „Wir haben uns im Vorstand überlegt, wie wir den Mitarbeitern am besten deutlich machen können, wie ernst es uns mit dem Thema ist. Die Antwort ist einfach: Indem wir mit gutem Beispiel vorangehen“, erklärt Karl-Thomas Neumann, Vorstandsvorsitzender bei Opel.
Zu wenig Bewegung vor, während und nach der Arbeit
Denn wer wissen will, wie viel er sich am Tag bewegt, braucht heute nicht lange zu rechnen. Es ist bei den allermeisten zu wenig. Und weil jeder dritte Deutsche – laut einer Studie der Techniker Krankenkasse zum Bewegungsverhalten – Treppenstufen vermeidet und fast drei Viertel der Arbeitnehmer jeden Tag mindestens fünf Stunden sitzen, will Opel aus Sportmuffeln und Antisportlern endlich Sportbegeisterte kreieren. Das Konzept von „Challenge your Boss“ ist simpel: Rund 350 Rüsselsheimer Opelaner erhalten Fitnessarmbänder, mit deren Hilfe sie direkt mit der Führungsriege in den Kampf um die meisten Schritte und die sportlichsten Aktivitäten treten können.
„Als leidenschaftlicher Läufer habe ich die Erfahrung gemacht, wie sehr das Laufen hilft, nicht nur fit zu bleiben, sondern auch den Kopf freizubekommen und quasi die Batterie wieder aufzuladen“, erklärt Neumann. Hierarchieebenen sind im Sport kein Thema, wirken sich sogar positiv auf die Arbeitsatmosphäre aus. Das gesamte Opel-Team hat innerhalb von rund sechs Wochen mehr als 150 Millionen registrierte Schritte erreicht. Und auch neben vielen Aktionen können sich die Mitarbeiter im eigenen Gesundheitscenter, dem Adams-Fit, körperlich auspowern. Für Opel beginnt schließlich umparken im Kopf – und das auch in Sachen Bewegung.
Sportprogramm auch für Vorstandschefs
Das Büro kann also zum Mittelpunkt eines sportlichen Wettbewerbs werden, der positive Effekte zeigt: Mitarbeiter kränkeln weniger, weil sich das Immunsystem und die Konzentration bessern und Stress abgebaut wird. 32 Prozent der deutschen Unternehmen bieten ihren Beschäftigten eigene Fitnesseinrichtungen an oder haben einen Firmenrabatt für externe Sporteinrichtungen ausgehandelt. Das ergab die Arbeitnehmerbefragung im Rahmen des Randstad- Arbeitsbarometers, welches in rund 32 Ländern vierteljährlich Befragungen durchführt.
Zu den Unternehmen mit eigenem Fitnesscenter gehört auch Adidas. Schon seit vielen Jahren treiben die Mitarbeiter gemeinsam Sport. Unternehmensgründer Adi Dassler schickte seine Arbeiter schon damals auf den Bolzplatz, allerdings um neue Sportbekleidung zu testen. Heute gibt es zahlreiche Bewegungsangebote, die vom Schreibtisch weglocken sollen. Auf verschiedenen Sportplätzen und im seit 2005 hauseigenen Adi-Dassler-Stadion mit einer 400-Meter-Strecke, einem Fußballplatz und einem umliegenden Waldweg können die Mitarbeiter in Herzogenaurach bei Nürnberg auch zur Mittagszeit ihrem Sportprogramm nachkommen.
Ingo Froböse, Sportwissenschaftler und Leiter des „Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung“ der deutschen Sporthochschule Köln, befürwortet das gemeinsame Sporttreiben und rät jedem Unternehmen zu einem ausgewogenen Sportprogramm für Mitarbeiter aber auch Vorstandschefs. „Körperliche Betätigung macht frisch und transportiert Sauerstoff in die Zellen“, sagt der Experte.
Was ist der richtige sportliche Ausgleich?
In der Pause sei eine kurze Partie Tennis oder eine kleine Joggingtour besser als Entspannungsübungen. „Autogenes Training ist zu kognitiv geprägt. Eine halbe Stunde ist meist zu kurz, um abzuschalten. Viele denken daran, was sie nach der Pause bei der Arbeit erwartet“, erklärt Froböse. Bei körperlicher Anstrengung hingegen konzentriere sich das Gehirn auf die Bewegungsabläufe und schaltet so ab. Deswegen verprügeln manche Manager in der Mittagspause auch mal gerne Boxsäcke. Im White Collar Boxing Club in Hamburg können gestresste Unternehmer ihre Aggressionen herauslassen. Managerboxen kommt aus den USA und wurde 1989 von zwei New Yorker Finanzhaien „erfunden“, die sich so gestritten hatten, dass eine verbale Lösung ausweglos erschien. Also stiegen sie in den Ring und klärten die Situation mit Fäusten. Übrigens: 2013 haben sich rund 35 Prozent mehr Frauen zum Boxen angemeldet als im Vorjahr.
Google ist Vorreiter, was alternative Aktivitäten im Team- und Einzelsport angeht. Heute bietet das Unternehmen den Mitarbeitern sogar individuelle Erlebnisumgebungen wie muschelförmige Schlafräume und raumsschiffartige Büros an – zur kreativen Förderung.
Sportvereine sind en vogue
Auch Sportvereine sind mittlerweile an Unternehmen angebunden: Die SG Stern ist ein gemeinnütziger, eingetragener Sportverein mit 57 Standorten in Deutschland, an denen 87 Sportarten angeboten werden. Diese Sportgemeinschaft gehört zur Daimler AG. Das Sport- und Bewegungsangebot nutzen vornehmlich deren Mitarbeiter. Neben den traditionellen Sportarten wie Handball, Tennis oder Volleyball sind auch Inlineskaten, Snowboarden oder Outdoorsport und gesundheitsorientierte Fitnessangebote im Programm. Natürlich können mittelständische Unternehmen auch externe Kurse von Fitnesscentern in Anspruch nehmen. Von 15-minütigen Mobilitätskursen, die auch ohne Sportbekleidung im Büro durchgeführt werden können, bis hin zu 75-minütigen Outdoor-Intervalltrainingseinheiten bieten zahlreiche Fitnessexperten ihre Angebote an.
Firmen wie 4Fcircle bieten spontane Bewegungseinheiten an. „Wir wollen ganz nah bei den Menschen sein. Nicht mehr draußen im Wald soll heute trainiert werden, sondern mitten in der Stadt. Auf Straßen und Plätzen, in Stadtparks und Freizeitanlagen absolvieren die Menschen ihre tägliche Fitnesseinheit“, so 4Fcircle, das Bewegungsfelder in Städten errichtet.
Auch Tanzen ist Sport
Und weil auch Tanzen Sport ist, haben die Schweden ihre Aktion „Lunch Beat Party“ eingeführt – die nun auch vereinzelt in deutschen Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg stattfindet. Hier treffen sich Freiberufler, Beamte, sogar gelegentlich Menschen mit Anzug und Schlips, um abzutanzen. Alkohol ist tabu, der Eintritt kostet zehn Euro. Dazu gibt es ein kleines, leichtes Mittagessen aus Knäckebrot, Smoothie, Energieriegel – und fertig ist die perfekte Mittagspause.
Sicher ist: Von gemeinsamen Sportangeboten profitieren beide Seiten. Die Arbeitnehmer sind ausgeglichener und gesünder, das Betriebsklima verbessert sich, und dem Firmenimage tut es auch gut. „Wer sich heute keine Zeit für seine Bewegung nimmt, wird sich später ganz viel Zeit für seine Krankheiten nehmen müssen“, so Froböse. Und weil wir zwei Drittel des Tages im Unternehmen verbringen, sollten Bewegung und Gesundheit auch dort eine Rolle spielen. Denn schließlich kann der Arbeitgeber aktive Mitarbeiter mit einfachen Mitteln fördern. Und sollte dies auch tun.