Von Gastautoren Andreas Hesse (Hochschule Koblenz ) und Mathieu Bernal
Carsharing, Mitfahrgelegenheiten und Fahrdienste ermöglichen heute Mobilität über die klassischen Konzepte des Automobils, Taxis oder des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs hinaus. Rückläufige Absatzentwicklungen, der weltweite Siegeszug von Uber, einem Silicon-Valley Start-up, aber auch nationale Beispiele wie Car2go oder Blabla-Car lassen Platzhirsche unruhig werden und ihre Strategien überdenken. Volkswagen übersetzt dies beispielsweise in eine Veränderung der Positionierung weg von „Das Auto“ hin zu einem „Mobilitätskonzern“. Die sogenannten digitalen Anbieter folgen dem Trend der Sharing Economy, das heißt Produkte und Dienste zu teilen, um Effizienz zu steigern, Kosten zu sparen und die Umwelt zu schonen. Darüber hinaus nutzen die Anbieter den globalen Trend der Urbanisierung samt den damit verbundenen Debatten um Smog, Parkplatznot und Stau. Insbesondere junge Zielgruppen präferieren zunehmend die Nutzung der neuen digitalen Konzepte anstatt dem eigentlichen Besitz eines Gutes.
Hoher (Marken-)Wettbewerb der digitalen Mobilitätskonzepte
Digitale Endgeräte sind der neue Marktplatz, unterschiedliche digital anwendbare Mobilitäts- und Sharing-Konzepte sind die neuen Wettbewerber. Die Finanzspritzen von Wagnis-Kapitalgebern in diesem wachsenden Markt sind enorm. McKinsey berichtet von massiven Steigerungen der Investitionen in privatwirtschaftliche mobilitäts-bezogenen Start-ups um 263 Prozent von 2011 bis 2014. Um Marktanteile zu verteidigen oder zu gewinnen, versuchen die digitalen Anbieter einzigartige Markenpositionierungen zu schaffen.
Positionierungen aus Firmensicht
Aussagen von Firmengründern und Spitzenmanagern sowie Slogans der Firmen drücken aus, wie die Anbieter wahrgenommen werden wollen. Wir haben dem in einer explorativen Studie 2.279 User-Rezensionen gegenübergestellt und zeigen damit auf, wie die Kunden zu dem genutzten Konzept stehen.
Wie beurteilen Nutzer unterschiedliche Mobilitätskonzepte und welche Differenzierungsmerkmale lassen sich erkennen?
Um dies herauszufinden untersuchten wir User-Rezensionen in den deutschen „App-Stores“ von Apple und Google-Play. Hier können Kunden Smartphone-Applikationen zur Nutzung der Mobilitätskonzepte herunterladen und später rezensieren. Dies gilt auch für Uber und Lyft, obwohl diese Dienste nicht, beziehungsweise nur eingeschränkt in Deutschland angeboten werden. Im Rahmen unserer Analyse haben wir Carsharing-Angebote (Car2Go, DriveNow), Vermittlungsplattformen von Mitfahrgelegenheiten (Blabla Car, Flinc) und Fahrdienste (Uber, Lyft, MyTaxi) untersucht.
Übersicht Kundenrezensionen (Apple App-Store, Google Play Store)
Von insgesamt 15.803 Rezensionen, die zwischen 2011 und 2016 geschrieben wurden, haben wir nur diejenigen in Betracht gezogen, die sich konkret auf die Nutzungserfahrungen des Mobilitätskonzeptes und nicht auf die Smartphone-Applikation bezogen. Im Rahmen einer tiefgehenden empirischen Analyse konnten wir so je Anbieter eine Liste von Differenzierungsmerkmalen ermitteln und quantitativ einordnen.
Carsharing: Nutzer teilen den Markt klar auf
Insbesondere in urbanen Agglomerationen setzte sich in den vergangenen Jahren das Carsharing als fixkostensparende Alternative zum Automobilbesitz durch. Doch Kostenvorteile sind ein Argument, welches für den gesamten Carsharing-Markt gilt. Darüber hinaus werden beide deutschen Marken (Car2Go und DriveNow) von Nutzern klar differenziert. DriveNow steht für hohe Qualität und die gehobene Fahrzeugpalette wird von den Rezensenten anerkannt. Demgegenüber zeichnen die Nutzer ein alternatives Bild von Car2Go: hier stehen Verfügbarkeit und einfacher Zugang im Vordergrund.
Mitfahrgelegenheiten: Kunden loben integrativen Ansatz
Mitfahrkonzepte und die digitalgestützte Organisation von Fahrgemeinschaften stellen insbesondere im nicht direkten urbanen Raum sowie bei der Reise zwischen städtischen Gebieten ein vielversprechendes Mobilitätskonzept dar. Der größte deutsche Anbieter BlaBlaCar setzt auf Netzwerkeffekte, die durch seine wachsende Community entstehen. Aus Sicht der Nutzer sind Kostenersparnis und komfortable Nutzungsmöglichkeit die entscheidenden Differenzierungsmerkmale zu alternativen Anbietern. Der Anbieter Flinc hingegen setzt auf Schnelligkeit. Die Nutzer honorieren dies in weiten Teilen und loben, spontan mitgenommen zu werden. Im Mittelpunkt der Kundenrezensionen zu Flinc steht allerdings die Einbindung der Nutzung in die Routenberechnung einer Navigationsapplikation. Nutzer denken hier in ganzheitlichen Szenarien.
Fahrdienste: Preis oder Freundlichkeit – Harter Wettbewerb in den USA
Uber und Lyft sind Fahrdienste, die in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bislang nicht oder nur in Ansätzen genutzt werden können. In den USA besetzen die beiden Marken den Markt für Fahrdienste insbesondere in urbanen Gegenden. Zur Vergleichbarkeit haben wir MyTaxi als in Deutschland angebotene Smartphone-Applikation in die Untersuchung einbezogen, da diese zumindest in der Abwicklung von Fahrdiensten eine vergleichbare digitale Weiterentwicklung darstellt. Mit Blick auf die Kundenrezensionen wird deutlich, dass Uber sehr stark als preisliche Alternative eingestuft wird, während Freundlichkeit und Wartezeiten eher an zweiter und dritter Stelle genannt werden. Lyft hingegen wird von den Nutzern klar aufgrund der Freundlichkeit der Fahrer als serviceorientiert bewertet, der Preis spielt eine untergeordnete Rolle. Die analysierten Kundenrezensionen zur Applikation MyTaxi geben einen Vorgeschmack auf die Sicht deutscher Kunden. Diese stufen kurze Wartezeiten, Transparenz im gesamten Prozess und bargeldlose Zahlung als positiv ein. Transparenz und Zahlungsverkehr können dabei als erste Differenzierungsmerkmale gegen die klassische Nutzung von Taxis eingestuft werden.
Fazit: Anspruch und Wirklichkeit nicht weit auseinander
Die Sicht der Kunden weicht bis auf wenige Ausnahmen nicht weit davon ab, wie sich die Unternehmen in den verschiedenen Marktsegmenten moderner Mobilitätskonzepte positionieren (wollen). Die empirische Analyse von Hunderten von Kundenrezensionen zeigt darüber hinaus erstaunliche Klarheit in der Abgrenzung von angebotenen Konzepten im Vergleich zueinander. Und dies in einem noch recht jungen Markt, der insbesondere im Segment Fahrdienste in Deutschland noch verhindert wird. Die Mobilitätskonzepte sind auf urbane und rurale Gegebenheiten zugeschnitten und stehen dabei in Konkurrenz zur Weiterentwicklung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Interessant ist dabei auch, dass Kunden (bislang) nahezu keine ökologischen Gründe für eine Markendifferenzierung reflektieren.
Positionierungs-Übersicht basierend auf Kundenrezensionen
Andreas Hesse (Jahrgang 1969, Diplom-Kaufmann), ist seit 2016 mit der Vertretung einer Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, an der Hochschule Koblenz beauftragt. Parallel dazu promoviert Andreas Hesse an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel mit den Forschungsschwerpunkten Digitalisierung, Soziale Innovationen, Leadership.
Mathieu Bernal (Jahrgang 1995, Bachelor of Science in Marketing and International Business) arbeitet derzeit als Praktikant bei der BMW Group in München.