Herr Sons, Herr Raab, Sie arbeiten beide mit Pflanzen und Gesundheit. Was hat Sie dazu inspiriert, sich beruflich in diesem Bereich zu engagieren?
Benedikt Sons: Mein Bruder Jakob ist Jurist und beschäftigte sich 2016 mit einem Gutachten zum Thema Cannabis. Zu der Zeit war Cannabis in Deutschland noch streng reguliert, aber es zeichnete sich ab, dass eine Legalisierung für medizinische Zwecke kommen würde. Wir beide waren neugierig: Mein Bruder interessierte sich für die rechtlichen und regulatorischen Herausforderungen, und ich, damals noch Unternehmensberater, sah die Chance, in einen völlig neuen Markt einzusteigen. 2017 gründeten wir Cansativa, kurz nachdem der Bundestag die medizinische Nutzung von Cannabis legalisiert hatte. Uns fasziniert das Potenzial dieser Pflanze, besonders in der Schmerztherapie und Palliativmedizin.
Dr. Andreas Raab: Mein Einstieg war durch meine Familie vorgezeichnet. Mein Onkel gründete vor über 35 Jahren unser Unternehmen und setzte von Anfang an auf pflanzliche Bio-Supplements – lange bevor das Thema in der Breite angekommen war. Ich selbst habe als Molekularbiologe viele Jahre in der Forschung gearbeitet und mich vor allem mit den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen beschäftigt, die in vielerlei Hinsicht extrem wertvoll sind. Vor rund elf Jahren kam ich dann zur Firma und habe schnell erkannt, welches Potenzial in dieser Arbeit steckt – und was mein Onkel schon vor Jahrzehnten begriffen hat: Pflanzen bieten nicht nur Vitamine und Mineralstoffe, sondern auch sekundäre Inhaltsstoffe, die sehr nützlich sein können.
Sie arbeiten beide in stark regulierten Märkten. Was sind die größten Hürden, denen Sie im deutschen Gesundheitssystem oder bei der Zulassung Ihrer Produkte begegnen?
AR: Nahrungsergänzungsmittel sind als Lebensmittel klassifiziert, und deshalb unterliegen sie den strengen Regeln der Lebensmittelindustrie. Wir müssen uns um das Gesundheitssystem selbst keine Gedanken machen, aber es gibt viele Vorgaben, die die Deklaration und Zusammensetzung der Produkte betreffen. Zum Beispiel dürfen wir nur Aussagen machen, die wissenschaftlich eindeutig belegt sind, wie „Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“. Andere gesundheitsbezogene Versprechen sind nicht erlaubt. Wenn man sich an diese Regeln hält und streng auf Qualität achtet, hat man keine größeren regulatorischen Probleme zu erwarten. Es ist allerdings oft ein Balanceakt, da wir sehr genau darauf achten müssen, was wir kommunizieren dürfen und was nicht.
BS: Bei uns ist die Regulierung noch strikter, da wir uns in der Arzneimittelbranche bewegen. Bis vor Kurzem war medizinischer Cannabis in Deutschland noch als Betäubungsmittel eingestuft. Das bedeutete, dass die Vorschriften besonders streng waren. Zum Beispiel war es extrem aufwendig, medizinischen Cannabis innerhalb von Deutschland zu handeln, weil wir alles bis ins kleinste Detail melden und dokumentieren mussten.
Was ist nun anders?
BS: Seit dem 1. April 2024 hat sich die rechtliche Lage innerhalb Deutschlands gelockert, und medizinischer Cannabis wird jetzt nur noch als verschreibungspflichtiges Arzneimittel, aber nicht mehr als Betäubungsmittel gehandhabt. Das hat den Zugang für Patienten deutlich erleichtert, aber der internationale Handel bleibt weiterhin unverändert streng reguliert. Wir müssen außerdem Arzneimittelstandards wie „Good Manufacturing Practices“ und „Good Distribution Practices“ einhalten, was zusätzliche Anforderungen an unsere Prozesse stellt.
Konsumieren Sie Ihre eigenen Produkte?
AR: Ja, definitiv. Jeden Morgen nehme ich zwischen sechs und zehn verschiedene Produkte ein, darunter Vitamin B12, Magnesium, Taurin und Curcuma. Das ist quasi mein Frühstück – es sättigt und gibt mir einen guten Start in den Tag.
BS: Medizinischen Cannabis bekommt man nur auf Rezept, und ich bin kein dauerhafter Patient.
Marketing in Ihren Branchen ist oft ein sensibles Thema, besonders was Gesundheitsversprechen betrifft. Wie schaffen Sie es, typische Marketingfallen zu vermeiden und trotzdem effektiv zu werben?
AR: In unserer Branche ist die sogenannte Health-Claims-Verordnung entscheidend. Wir dürfen nur Aussagen machen, die wissenschaftlich bewiesen und von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) zugelassen sind. Beispielsweise ist es erlaubt zu sagen, dass Vitamin B12 zu einem normalen Energiestoffwechsel beiträgt, wenn die Tagesdosis in unserem Produkt ausreicht. Aber wir dürfen keine vagen oder übertriebenen Behauptungen aufstellen, wie zum Beispiel, dass ein Produkt das Immunsystem „boostet“ oder „heilende Kräfte“ hat. Das halten wir sehr strikt ein, auch wenn das manchmal bedeutet, dass wir weniger Spielraum für kreative Marketingstrategien haben.
BS: Auch bei uns sind die Werbemöglichkeiten stark reguliert. Da wir verschreibungspflichtige Arzneimittel verkaufen, dürfen wir unsere Produkte gar nicht direkt an Endverbraucher*innen vermarkten. Unsere Zielgruppen sind Ärzt*innen und Apotheker*innen, die die Produkte weiterempfehlen und verschreiben. Das macht es uns zwar schwerer, im klassischen Sinne zu werben, aber es gibt auch Vorteile: Unsere Kommunikation ist gezielt, wir erreichen die Fachkreise direkt, und das führt zu einem sehr vertrauensvollen Verhältnis.
Sie vertreiben beide Ihre Produkte über Apotheken. Was macht diesen Vertriebskanal für Sie besonders attraktiv, und gibt es auch Nachteile?
BS: Für uns sind Apotheken der wichtigste Vertriebskanal. Das hat vor allem damit zu tun, dass Cannabisprodukte beratungsintensiv sind. In Apotheken gibt es fachkundiges Personal, das Patienten gut beraten kann. In Deutschland gibt es etwa 18.000 Apotheken, und rund 3.000 davon geben regelmäßig Medizinal-Cannabis an Patienten ab. Diese breite Abdeckung ist ein großer Vorteil. Zudem gibt es Apotheken, die sich durch den Onlinehandel auf Cannabis konzentrieren und dadurch noch mehr Patienten erreichen. Für uns sind Apotheken nicht nur Verkaufsstellen, sondern auch wichtige Partner, die uns dabei helfen, Medizinal-Cannabis als Therapieoption bekannter zu machen. Außerdem hat Cannabis ein sehr großes Umsatzpotenzial für Apotheken und wir unterstützen unsere Partner dabei, dieses Potenzial zu erschließen und Apotheken stark für die Zukunft aufzustellen.
AR: Apotheken bieten einen großen Vorteil: Sie werden als hochwertige und seriöse Einkaufsstätten wahrgenommen, und das Verkaufspersonal ist hervorragend ausgebildet. Für uns ist es ein Qualitätsmerkmal, in Apotheken vertreten zu sein, da die Kunden dort auf Beratung und Kompetenz vertrauen. Allerdings sind Apotheken auch konservative Verkaufsstellen, was für einige Produkte, die einen modernen oder innovativen Ansatz haben, eine Herausforderung sein kann. Wir versuchen, das mit unserer seriösen, wissenschaftlich fundierten Herangehensweise auszugleichen.
Wie bewerten Sie die unterschiedlichen Marketingstrategien des jeweils anderen?
AR: Wir setzen auf wissenschaftliche Substanz und Kompetenz und vertrauen darauf, dass sich langfristig Qualität durchsetzt. Influencer Marketing oder prominente Werbeträger sind nicht unser Weg. Wir glauben, dass solide Arbeit und verlässliche Produkte letztlich das Vertrauen der Kunden gewinnen werden. Das ist ein langsamerer, aber nachhaltiger Ansatz.
BS: Auch wir setzen eher auf Zurückhaltung. Obwohl Snoop Dogg über den Wagniskapitalgeber Casa Verde an unserem Unternehmen beteiligt ist, nutzen wir keine auffälligen Werbestrategien oder Influencer*innen. Unsere Kommunikation ist sehr professionell und zurückhaltend, denn wir wollen, dass unsere Produkte für sich selbst sprechen. Wichtig ist uns, dass unsere Fachpartner, wie die Apotheken, gut informiert sind und die Vorteile unserer Produkte verstehen. Für uns ist das der effektivste Weg, langfristig erfolgreich zu sein.