Der Discounter Penny wird ja gerade mächtig für seinen neuen Weihnachtsfilm gefeiert. Ich frage mich allerdings: Warum eigentlich? Weil Penny mit dem Spot „The Kids“ dazu auffordert, Kinder und Jugendliche mit ihren Bedürfnissen und Wünschen zu hören und ernst zu nehmen? Das ist toll. Aber ist das schon eine Haltung? Zumal dieser „Aufforderung“ ja niemand ernsthaft widersprechen würde. Sorry, Penny. Aber als tragende Message oder gar Haltung für eine viel beachtete Weihnachtskampagne ist mir das deutlich zu dünn.
Nur sieben Unternehmen distanzieren sich von der AfD
Wesentlich besser gefällt mir da schon die Haltung einiger Dax- und anderer Unternehmen, die im Rahmen einer aktuellen Umfrage des Wirtschaftsmagazins Capital bereit waren, sich offen gegen die AfD zu positionieren. Der VW-Konzern etwa stellt klar: „Die Ziele der AfD stehen unseren Werten und Kerninteressen fundamental entgegen.“ Der Chemiekonzern Helm teilt mit: „Die erhebliche Wählerzustimmung zur AfD ist bereits jetzt eine Gefahr für den Standort Deutschland.“ Und der Technologiekonzern Siemens hält fest: „Rechtspopulismus ist nicht nur demokratie-, sondern auch innovations- und fortschrittsfeindlich.“
Befremdlich ist indes, dass laut Capital von allen angefragten Dax-Konzernen und zusätzlich 20 der größten Mittelständler des Landes nur knapp die Hälfte überhaupt antworteten, und davon nur sieben den Werten der AfD öffentlich eine klare Absage erteilten.
Falls Sie sich nun fragen, warum das in einem Text über „Work & Culture“ steht, hier die Antwort: Weil Haltung nun mal auch eine der zentralen Botschaften von Unternehmen ist, die unmittelbar auf die Arbeitgebermarke abstrahlt. Und weil Haltung, Mut und klare Meinung braucht. Einfach nur Dinge fordern, über die ohnehin Konsens herrscht, wie zum Beispiel „Hört Kindern zu“, zählen meiner Ansicht nach nicht dazu. Sich als Unternehmen gegen eine immer größer werdende, demokratisch gewählte, aber in Teilen als rechtsradikal eingestufte Partei öffentlich zu positionieren, hingegen schon.
Insofern bin ich sehr gespannt auf die vielen weiteren Weihnachtsfilme, die uns in den nächsten Wochen noch beglücken werden. Mal sehen, wie hart- oder weichgespült sich hier potentielle Arbeitgebermarken präsentieren.
Tijen Onaran redet sich in Rage
Derweil hat sich die von mir ansonsten sehr geschätzte Diversity-Vorkämpferin Tijen Onaran vergangene Woche in einem „Welt“-Interview ganz schön in Rage geredet. Beim Thema Vier-Tage-Arbeitswoche platzt der Unternehmerin schier der Kragen. „In dieser Debatte liegt etwas, was mich gewaltig nervt, nämlich das Arbeit hierzulande mittlerweile verteufelt und verpönt wird“, so Onaran. Wer Lust habe auf Aufstieg und ranklotzen wolle, müsse gepusht werden, und es sei „ein Unding, wenn ich mich entschuldigen muss, wenn ich durch mein Engagement andere positiv beeinflusse und ihnen Arbeitsplätze sichere“.
Nanu. Was ist denn da passiert? Ist da jemand mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden oder wird hier ein Thema moralisch aufgeheizt, das doch eigentlich dringend nach Versachlichung ruft? Nennen Sie mich naiv, aber dass Arbeit hierzulande verteufelt und verpönt wird, ist mir völlig neu. Und dass Menschen, die ranklotzen wollen, nicht mehr gepusht werden dürfen, und man sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen entschuldigen müsse, ebenso.
Man kann die Vier-Tage-Woche finden, wie man will. Man muss auch, um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen, wahrlich weder der IG Metall noch GDL-Chef Claus Weselsky zustimmen in ihren Forderungen nach Einstieg in die Vier-Tage-Woche. Gerne kann man auch fragen, wer Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich am Ende des Tages eigentlich bezahlen wird und ob die Vier-Tage-Woche tatsächlich die richtige Lösung gegen den Fachkräftemangel ist. Aber moralische Scheinargumente im Sinne von „Ich lasse mir meine Karriere nicht verbieten“ helfen in dieser Debatte echt nicht weiter.
Blue-Collar-Beschäftigte suchen Sicherheit
Neue Fakten zu den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt liefert indessen eine Studie von Onlyfy by Xing in deren Rahmen Recruiter explizit nach Blue-Collar-Jobs befragt wurden. Das sind bekanntlich Berufe vornehmlich aus Handwerk, Industrie, Einzelhandel, Logistik, Gastronomie oder Pflege; sie machen in Deutschland immerhin rund 80 Prozent aller Beschäftigten aus. Der kleinere Rest sind die sogenannten White-Collar-Jobs, gerne auch Wissensarbeiter genannt, also beispielsweise Marketing-, Sales-, Werbung- und PR-Verantwortliche, aber auch Diversity-Vorkämpferinnen und Newsletterautorinnen.
Laut Onlyfy-Studie haben inzwischen 93 Prozent der befragten Personaler Schwierigkeiten, im Blue-Collar-Bereich Arbeitskräfte zu finden. Die am meisten genannten Gründe dafür sind allgemein zu wenige Arbeitskräfte auf dem Markt (83 Prozent), aber auch unzureichende fachliche Qualifikationen der Bewerbenden (62 Prozent). Spannend wird es, wenn es um die Diskrepanzen zwischen der Sicht der Personaler*innen und der Bewerbenden geht. So glauben Recruiter, dass den Jobsuchenden bei ihrer Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber gutes Führungsverhalten besonders wichtig ist (98 Prozent), gefolgt von pünktlicher Bezahlung (91 Prozent), dem guten Ruf des Unternehmens (90 Prozent) und einem höheren Gehalt (84 Prozent). Auf der Wunschliste der ebenfalls befragten Blue-Collar-Beschäftigten hingegen liegt mit 74 Prozent die Jobsicherheit vorn, gefolgt von höherem Gehalt (71 Prozent), pünktlicher Bezahlung (70 Prozent) und attraktivem Standort (69 Prozent).
Verschleißt die Black Week die Fachkräfte?
Womit wir beim letzten Thema dieser Woche wären. In vier Tagen, also am 24. November, ist wieder Black Friday und damit der Höhepunkt der diesjährigen Rabattschlachtsaison im Handel erreicht. Das Ganze ist erneut ein riesiges Spektakel: Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet 2023 mit einem Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent auf 5,8 Milliarden Euro. Doch des einen Glück ist des anderen Leid. In die Kritik am überbordenten Versendungs- und Verpackungswahn und an der hemmungslosen Geiz-ist-geil-Mentalität mischen sich nun auch Mahnungen mit Blick auf die Beschäftigten. Manche fürchten bereits Black-Friday-Burnouts.
Christopher Henke, Vertriebsleiter beim Paymentdienstleister Mollie, sagt: „Gerade die vor und während des Black Friday strapazierten Fachkräfte aus Vertrieb und Marketing, die generell mit mangelnden Ressourcen zu kämpfen haben, arbeiten über Wochen hinweg an ihrer Belastungsgrenze. Die logische Konsequenz ist Überarbeitung, die in den schlimmsten Fällen zum Burnout führen kann.“ Zwar glaubt auch Henke, dass Black Week und Black Friday aufgrund der Umsatzerfolge nicht abgeschafft werden könnten, gleichwohl müssten Händler kritisch hinterfragen, wie sinnvoll diese ausufernde Rabattschlacht für das eigene Geschäft sei und ob das alles den Verschleiß der eigenen Belegschaft in einer vom Fachkräftemangel geprägten Zeit wirklich wert sei.
In diesem Sinne: Eine verschleißfreie und schnäppchenreiche Woche – und bleiben Sie gut drauf!