Burda: Wachstum begleitet den Wandel

Hubert Burda hat sich früh mit der Entwicklung der digitalen Welt beschäftigt, aber anfangs so manche Chance verpasst. Inzwischen steht sein Medienhaus auf stabilen Beinen. Print funktioniert noch immer gut, während sich Vermarktung, Portale und Handel im Internet zur Wachstumslokomotive entwickeln. Zuletzt stiegen die Erlöse des Konzerns um mehr als ein Viertel. Auch künftig sind zweistellige Zuwachsraten bei profitablem Geschäft geplant.

Von Roland Karle

Das sind ja Aussichten: „Schluss mit Rauchen. Weniger Alkohol. Mehr Sport.“ Die aktuelle „Focus“-Ausgabe preist auf der knapp halbseitigen Titelklappe „die besten Methoden zur Selbstmotivation“. Der Mann daneben sieht dagegen ziemlich derangiert aus. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat ein rotblau geschwollenes Auge und Pflaster im Gesicht. Eine Fotomontage, unterschrieben mit der Zeile: „Schlägt Steinbrück sich selbst k. o.?“

Erster „Focus“ unter neuer Leitung

Das Cover kommt als Hybridmodell daher. Die Motivationsstory ist ein typisches Thema für Burdas Wochenmagazin. Verbrauchernah, serviceorientiert, an jedermann adressiert. Die Steinbrück-Haue passt irgendwie gar nicht dazu, ist aber hoch aktuell. Auch „Der Spiegel“ macht mit dem SPD-Kanzleranwärter auf – ganzseitig, prominent, ohne Nebengeräusche.

Heft 2/2013 ist der erste „Focus“ unter der Leitung von Jörg Quoos. Der langjährige Vize-Chefredakteur von „Bild“ hat die Nachfolge von Uli Baur angetreten und die Nach-Nachfolge von Helmut Markwort. Die beiden haben den Titel entwickelt und geprägt. Sie sind weiterhin Herausgeber. Der erste Versuch, einen externen Chefredakteur zu holen, war krachend zu Ende gegangen. Wolfram Weimer, zuvor erfolgreich wirkend beim Monatsmagazin „Cicero“, sollte und wollte das Magazin politischer machen. Es hat aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert.


In einer Artikelreihe nimmt absatzwirtschaft.de die großen und relevanten Verlage in Deutschland unter die Lupe und analysiert ihre Geschäftsmodelle und Zukunftsstrategien.

In den vergangenenen Wochen erschienen:
>>>>Gruner + Jahr: Unternehmen in schwebendem Verfahren
>>>>Axel Springer fährt auf der Überholspur
>>>>Bauer Media Group bleibt Print treu und expandiert kräftig


Nun also probiert sich Quoos an „Focus“. Es ist wirtschaftlich und publizistisch betrachtet neben der „Bunten“ die wichtigste Zeitschrift von Hubert Burda Media. Jahrelang füllte das Nachrichtenmagazin prächtig die Verlagskassen. Es war in den 1990er ein gewaltiger Umsatz- und Gewinnbringer. Mit der neu definierten Zielgruppe der „Info-Elite“ überzeugte Markworts Magazin im Mediageschäft, war als schnell drehender Werbeträger mit montäglicher Erscheinung ein ernster Wettbewerber zum damals Quasi-Monopolisten „Spiegel“. Die verkaufte Auflage wuchs kräftig, erreichte 2003 im Zenit 824.328 Stück und bewegte sich danach lange zum Teil deutlich über 700.000. Dem allgemeinen Markttrend der vergangenen Jahre konnte sich „Focus“ jedoch genauso wenig entziehen wie das gesamte Segment.

Burda erkennt Zukunftsthemen

„Focus“ steht beispielhaft für die Entwicklung des Zeitschriftengewerbes. Die Verlage verdienen damit immer noch gutes Geld, aber längst nicht mehr so auskömmlich und einfach wie früher. Burda hat darauf reagiert. Der Verleger selbst gilt ohnehin als fortschrittlich. Als das Internet noch im Strampelanzug daherkam, sah Hubert Burda bereits, was für eine Riese in diesem Baby steckte. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er mal in einem Interview, dass er sich seit seinem 51. Lebensjahr intensiv mit den digitalen Medien beschäftige. „Es war mir klar: Die digitale Integration ist die größte Veränderung seit dem Buchdruck Gutenbergs.“

Burda startete in den 90er Jahren das Internetportal Europe Online und wollte später mit AOL zusammengehen. Der damalige AOL-Eigentümer Bertelsmann entschied sich dagegen. So hätten zwei traditionelle Medienhäuser früh in der digitalen Welt einen großen Fußabdruck hinterlassen können. Zusammen wären die beiden Online-Dienste damals Europas führender größter europäischer Internetprovider gewesen. Nicht die einzige verpasste Chance in der Frühzeit des Internets. Beispiel Alando: „Mit diesem Online-Haus würden wir heute drei Prozent an E-bay halten. Ich Idiot habe es 1999 für zehn Millionen Mark verkauft, weil ich mir sagte: ,Ich will endlich auch mal Geld sehen im Internet.‘“, gestand Burda der „SZ“. Heute allerdings seien fast alle Online-Beteiligungen des Münchner Medienunternehmens profitabel.

Tatsächlich gehört Burda zu den Verlagen, die den Sprung aus der analogen in die digitale Welt ohne erkennbaren Schaden geschafft haben. Mehr noch: Das klassische Geschäft bringt stabile Erlöse, ist in den zurückliegenden sieben Jahren sogar sechs Mal gewachsen. Mit 1,04 Milliarden Euro machten die Verlagstätigkeiten rund die Hälfte des gesamten konsolidierten Umsatzes der Burda-Gruppe aus, der 2011 bei 2,178 Milliarden Euro lag und gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 26,5 Prozent aufwies.

Das Geld kommt aus dem Digitalen

Die Lokomotive des Geschäfts ist jedoch das Digitale: 937 Millionen Euro brachte es im vergangenen Jahr, das sind 55 Prozent mehr als im Jahr zuvor und dreieinhalb Mal so viel wie noch 2007. Sprich: Bereits 43 Prozent aller Erlöse stammen aus digitalen Geschäftsfeldern. Der erhebliche Umsatzsprung ist vor allem der erstmals vollkonsolidierten Zooplus AG zu verdanken (Umsatz: 245 Millionen Euro). Ein Beispiel für die strategische Richtung des Unternehmens: Die Printmedien, traditioneller Kern des Hauses, werden weiterhin gehegt und gepflegt. Doch zugleich wird investiert in wachstumskräftige Internetfirmen wie eben Zooplus, Webportale wie Holidaycheck und Online-Vermarkter wie Tomorrow Focus.

Für Paul-Bernhard Kallen, den Vorstandsvorsitzenden der Hubert Burda Media, steht längst fest, dass sich „sich unsere Medien in einem grundlegenden Veränderungsprozess befinden. Technologie beseitigt Barrieren und ermöglicht, Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und Kundenwünsche besser zu erfüllen“. Burda stellt sich darauf ein. „Media in Transition“ heißt die Leitlinie, und die Ziele sind ambitioniert. „Für die kommenden Jahre haben wir uns vorgenommen, jährlich zweistellig zu wachsen“, sagt Kallen. Und das Ganze soll sich höchst profitabel entwickeln: „Wir erwarten, dass das Konzernergebnis weiterhin stärker wächst als der Umsatz.“

Einzelne Titel wie „Focus“, „Bunte“ & Co müssen dazu ihren Beitrag leisten. Das Wohl und Wehe des Medienhauses Burda hängt allerdings nicht an ihren schwankenden Auflagen- und Anzeigenkurven.

Burda auf einen Blick

Hubert Burda Media ist, gemessen am Umsatz, hinter Axel Springer das zweitgrößte eigenständige deutsche Medienunternehmen mit verlegerischen Wurzeln. Für 2011 weist der Geschäftsbericht einen Umsatz von knapp 2,2 Milliarden Euro aus, was einem Plus von 37 Prozent binnen zwei Jahren entspricht. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei rund 8250. Das Geschäft der inländischen Verlage entwickelt sich indes rückläufig: In den vergangenen fünf Jahr sanken die Erlöse um 16 Prozent auf 658 Millionen Euro, was einem Anteil am Gesamtumsatz von 30 Prozent entspricht. Die ausländischen Verlage sind in diesem Zeitraum um 29,6 Prozent gewachsen und erlösten 385 Millionen Euro.

Mit 1,04 Milliarden Euro steuern die in- und ausländischen Verlage mit Medienmarken wie „Focus“, „Bunte“, „Freundin“, „Elle“, „TV Spielfilm“ somit knapp die Hälfte (48 Prozent) zum Burda-Gesamtumsatz bei, während das Geschäftsfeld Digitales bereits einen Anteil von 43 Prozent (937 Millionen Euro) erwirtschaftet. Zum Vergleich: Fünf Jahre zuvor lag die Quote erst bei 26 Prozent. Zu Burdas bekanntesten Firmen in der Internetsparte zählen Holidaycheck, Tomorrow Focus, Xing, Zooplus.

Im Dezember 2009 berief Verleger Hubert Burda (72) seinen früheren Finanzchef Paul-Bernhard Kallen zum Vorstandsvorsitzenden. Mit ihm zusammen bilden Holger Eckstein (Finanzen), Philipp Welte (Verlage) und Stefan Winners (Digital) sowie Robert Schweizer (Recht/assoziiertes Mitglied) den Vorstand.