Brief an mein jüngeres Ich, Folge 24: Thomas Koch

Im Brief an sich selbst blicken bekannte Köpfe aus dem Marketing zurück. Heute: Thomas Koch, Gründer der „The DOOH Consultancy". Er schreibt über unverschämte Angebote und das Dasein als Chef.
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"Nur wenn du ehrlich bist, verdienst du das Vertrauen der Menschen." Das ist die wichtigste Lehre im Leben von Thomas Koch. (© privat, Montage: Olaf Heß)

Hi Tommy, 

du bist bestimmt gespannt, was aus dir geworden ist. Nope, nicht der Astronaut, der das Weltall erkundet, aber auch nicht der Priester, den Mama in dir sah. Du gehst in die Werbung und wirst ein bekannter Mediaplaner. Warte! Urteile jetzt nicht vorschnell, und lass mich erst ausreden…  

Ich bekam nach kurzer Zeit tatsächlich Zweifel, ob der Job Sinn ergibt, ob ich damit einen Beitrag zum Wohlergehen der Menschheit leiste. Eines Tages träumte ich von einer (zu frühen) Begegnung mit Petrus an der Himmelspforte, der in seinem Buch nach den Talenten suchte, die man mir auf den Weg mitgegeben hatte. Er entschied, dass die derzeitige Ermittlung von GRPs und Umrechnen der TV-Leistung von Bundesländern in Nielsen-Gebiete nicht ausreiche – und schicke mich kurzerhand zurück.  

Kaum aus diesem Traum erwacht, wollte ich der Werbung den Rücken kehren. Dann überlegte ich aber: Wenn ich Chef werde und Verantwortung für die Entwicklung vieler Mitmenschen übernehmen würde, könne ich viel Gutes tun, indem ich meine Mitarbeiter*innen fördere und ein Umfeld schaffe, in dem das Arbeiten Freude macht.  

Also beschloss ich, Chef zu werden. Erst Chef einer Mediaabteilung, dann Gründer einer ganzen Agentur, die Hunderten von Menschen eine berufliche Heimat gab.  

Das, mein Lieber, wird richtig toll. Dennoch muss ich dich warnen. Sobald man Agenturchef ist, begegnet man den unerhörtesten, unverschämtesten und unmoralischsten Angeboten. Man muss aber nicht zum Gangster werden. Nur wenn du ehrlich bist, verdienst du das Vertrauen der Menschen. Das ist die wichtigste Lehre deines Lebens. Man hat dann zwar keine luxuriöse Finca auf Mallorca, aber kann jeden Morgen in den Spiegel schauen. Man ist stolz, weil man in den entscheidenden Situationen Rückgrat besaß. 

Ach ja, wir wohnen übrigens nicht mehr in Kanada, sondern schon lange wieder in Deutschland. Der schüchterne kleine Junge von damals wird als Erwachsener überschüttet mit Lob und Preisen. Aber er bleibt immer auf dem Teppich. Behält irdische Bodenhaftung, während das Weltall ein Leben lang sein Hobby blieb. 

Maach et joot, dein älteres Ich    


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