Als hätten Marken nicht schon genug mit Markenpiraterie und Produktfälschungen zu tun: In der digitalen Werbung steht der Schutz von Markenidentität und Reputation mehr denn je im Mittelpunkt. Wohl niemand möchte seine Werbung neben dem Geschwafel von Verschwörungstheoretikern, Hassreden, Gewaltaufrufen oder Fake News sehen. Und erscheint die teuer bezahlte Anzeige auf Websites, die keinen Inhalt bieten, sondern nur Sichtkontakte generieren sollen, hätte der Advertiser sein Geld auch gleich verbrennen können. Das Schlimmste: In allen Fällen droht ein Reputationsverlust. Bleibende Schäden nicht ausgeschlossen.
Markensicherheit ist herausfordernd
„Es ist nach wie vor eine Herausforderung, dafür zu sorgen, dass Marken nicht neben schädlichen oder unangemessenen Inhalten erscheinen. Das Aufkommen der generativen KI hat jedoch neue Komplexitäten mit sich gebracht“, sagt Philipp von Hilgers, Vorsitzender der Fokusgruppe Digital Marketing Quality im Bundesverband Digitale Wirtschaft, BVDW. Die weitverbreitete Erstellung von minderwertigen oder nicht authentischen Inhalten durch KI erhöhe das Risiko, dass Marken mit Umgebungen in Verbindung gebracht werden, die nicht mit ihren Werten übereinstimmen. „Diese Inhalte, die oft mit minimaler menschlicher Kontrolle erstellt werden, können sich wiederholen, unoriginell sein und einen begrenzten Wert bieten, was ein Risiko für den Ruf von Marken darstellt“, warnt Hilgers.
Darüber hinaus verkompliziert das Aufkommen von Deepfakes und anderen Formen von nicht authentischen Inhalten dem Experten zufolge die Situation noch weiter, sodass es für Marken unerlässlich ist, fortschrittliche Technologien und menschliche Kontrolle einzusetzen, um ihre Sicherheits- und Eignungsstandards zu wahren. Um mit geeigneten Maßnahmen markensichere Werbung in der Praxis umzusetzen, ist es zunächst hilfreich, zwischen Brand Safety und Brand Suitability zu unterscheiden.
Brand Safety und Brand Suitability gehören zusammen
Brand Safety muss sicherstellen, dass Werbeanzeigen nicht neben schädlichen, riskanten oder unangemessenen Inhalten erscheinen, die dem Ruf einer Marke schaden könnten. Um markenschädigenden Content kategorisch auszuschließen, können Agenturen solche Online-Angebote, beispielsweise gewaltverherrlichende Seiten oder bekannte Spam-Websites, von Werbeauslieferungen kategorisch ausschließen.
Brand Suitability ist ein Unterbegriff der Brand Safety und etwas weniger strikt. Sie hat das Ziel, dass die Werbung neben Inhalten erscheint, die zur Markenidentität und Zielgruppe passen. Hier steht der Kontext im Mittelpunkt. Auch kulturelle oder gesellschaftliche Aspekte können eine Rolle spielen und müssen abgewogen werden. Der Art und der Grad einer Brand Suitability sind je nach Marke individuell. Es wäre beispielsweise unpassend, wenn eine nachhaltige Marke in redaktionellen Auto-Tuning-Umfeldern zu sehen ist; auf einer Plattform der Windkraft-Industrie wäre die Marke hingegen wahrscheinlich gut aufgehoben.
Mit Agenturen an einem Strang ziehen
Die OWM, Organisation Werbungtreibende im Markenverband, betrachtet Brand Safety als integrales Element der digitalen Marketing- und Mediastrategie. „Wir Werbungtreibenden erwarten von Plattformen und Agenturen, dass Brand Safety zentraler Bestandteil der Mediasteuerung und -planung ist“, sagt Susanne Kunz, Geschäftsführerin OWM.
Werbetreibende, Publisher und Plattformen würden zudem eine gesellschaftliche Verantwortung tragen, sicherzustellen, dass Werbung nur in marken- und rechtskonformen Umfeldern erscheint. „Die Bewertung und Steuerung obliegt hier stets den einzelnen Unternehmen mit ihren beauftragten Agenturen“, betont Kunz. Weiterhin sollte der Gesetzgeber konsequenter eingreifen und gegen unlautere und rechtswidrige Praktiken vorgehen. Unabhängige Verifikationstools und klare Content-Richtlinien sind aus Sicht der Expertin essenziell.
Handlungsempfehlungen für die operative Umsetzung von Brand Safety
Für die praktische Umsetzung haben sich im Markt zahlreiche Dienstleister etabliert, die sogenannte Ad Verification Tools anbieten. Diese Tools analysieren die Auslieferung von Werbeanzeigen unter anderem bezogen auf Sichtbarkeit, möglichen Betrug, Kontext und Compliance. Sie liefern damit wichtige Erkenntnisse für eine markensichere Werbestrategie. Außerdem haben sie die richtigen Hebel an Bord: Domains, Kategorien, Keywords oder auch Publisher können mit solchen Tools blockiert oder auf eine Positivliste gesetzt werden.
Neben dem Einsatz solcher Lösungen rät der OWM dazu, Brand Safety in der Mediastrategie und -planung zu priorisieren und auch Pre-Bid-Technologien zu nutzen. Dabei handelt es sich um Verfahren, die im Bereich der programmatischen Werbung eingesetzt werden, um bereits vor der Abgabe eines Gebots für eine Werbeplatzierung Informationen über die Werbeumgebung, die Zielgruppe oder die Qualität des Inventars zu sammeln und zu analysieren. Das spart nachträgliche Korrekturen.
Zudem rät der OWM dazu, die Marketingteams zu aktuellen Brand-Safety-Standards und Tools weiterzubilden und die Qualität und Transparenz der Daten regelmäßig zu überprüfen. Nicht zuletzt können werbetreibende Unternehmen Brand Safety mit ihren Agenturen vertraglich festlegen und entsprechende KPIs definieren.
Neue Herausforderungen durch KI
Mit Künstlicher Intelligenz kommt zusätzliche Dynamik in die Entwicklung. So ist beispielsweise das sogenannte MFA-Impressionsvolumen laut einem Report des Mess- und Analysedienstleisters DoubleVerify 2024 um 19 Prozent gewachsen. MFA steht für „Made For Advertising“ und meint Websites, die hauptsächlich KI-generierten oder kopierten Content beinhalten, der nicht den Leserinnen und Lesern nutzt, sondern einzig und allein Clicks und Sichtkontakte erzeugen soll. Für hochwertige Markenwerbung ist das ein absolutes No-Go. Solcher Content entsteht mithilfe von KI schnell und in großer Menge. Um diese Herausforderung zu meistern, müssen die eingesetzten Verification-Tools in der Lage sein, Inhalte in Echtzeit zu analysieren und zu bewerten. International werbende Marken müssen darüber hinaus darauf achten, dass ihre Lösungen die Markensicherheit auch in der jeweiligen Landessprache sicherstellen können.
Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine elementar für Markensicherheit
All dies setzt voraus, dass zuvor definiert wurde, welche Umfelder oder Inhalte für eine Marke schädlich sind und welche wünschenswert. Dabei ist es hilfreich, Negativlisten für problematische Domains und Schlüsselwörter zu definieren sowie Positivlisten vertrauenswürdiger Websites zu erstellen. Experte Hilgers rät dazu, dass Werbetreibende ihre Sicherheits- und Eignungseinstellungen regelmäßig aktualisieren, um aktuelle Trends und aufkommende Risiken, wie die Schwemme an KI-generierten Inhalten, zu berücksichtigen.
Perspektivisch hat der Aufstieg von KI aber nicht nur Nachteile. Mit ihrer Unterstützung können die Tools der Anbieter Inhalte genauer und umfassender klassifizieren. DoubleVerify beispielsweise nutzt KI zur Analyse von Bild-, Ton-, Sprach- und Textelementen und stellt mit ihrer Hilfe sicher, dass Anzeigen in geeigneten oder kontextuell relevanten Umgebungen platziert werden.
Die gesamte Entwicklung zeigt immer mehr: Der Kampf um Markensicherheit und Markenwerte ist längst auch zu einem Kampf der Technologien geworden. Jetzt kommt es auf die Menschen an, die sich rasant entwickelnde Marketing Tech richtig einzusetzen und zu steuern.
Basis-Checkliste für Brand Safety
Zur Orientierung sollten Unternehmen folgende Aspekte prüfen:
- Strategie und Planung: Sind Ziele und Richtlinien klar definiert?
- Technologische Maßnahmen: Werden aktuelle Ad Verification Tools genutzt?
- Daten und Transparenz: Werden Sichtbarkeit und Datenquellen überwacht?
- Vertragsmanagement: Sind Standards und Auditrechte festgelegt?
- Kooperation und Weiterbildung: Gibt es interne Schulungen zu aktuellen Entwicklungen?
Quelle: OWM