Bluetooth bedeutet Hochspannung für die Werbebranche

Bluetooth Smart könnte der Zauberschlüssel sein, der Online und Offline nahtlos miteinander verbindet. Die Technik ist einfach und günstig, die Verbreitung steigt rasant, nur bei den Anwendungsszenarien wird es noch ein Weilchen dauern.

Von Frank Puscher

Wer mit seinem Unternehmen in der echten, der realen Welt unterwegs ist und wer dort direkten Kundenkontakt pflegt, der denkt aktuell in Bluetooth. Die Lindner Hotels testen derzeit die Technologie, um damit die Restaurants der Hotels in Köln und auf Sylt zu füllen. Mymüsli möchte gerne damit mehr Müslis in der Münchner Innenstadt verkaufen und in London haben sich bereits Dutzende Händler darauf geeinigt, aus der Regent Street die Bluetooth Street zu machen.

Kommt Ihnen die Sammlung bekannt vor? Klar, denn Lindner, Mymüsli oder Macys werben nicht mit Bluetooth, sondern mit Beacons. Beacons sind kleine, robuste Funksender, die man dazu nutzen kann, um die echte Welt zu digitalisieren. Während Lindner und Mymüsli den vorbeischlendernden Kunden mit Beacons anfunken und zum Besuch des Ladens verführen wollen, stellt Macys eine Verbindung her, wenn der Kunde den Laden betritt und schreibt ihm für den Besuch gleich mal ein paar Punkte im Bonusprogramm gut.

Unterstützende Großunternehmen machen den Unterschied

Beacons sind nicht ganz neu, es handelt sich dabei tatsächlich um einen Gattungsbegriff aus der Funktechnik. Beacons bedeutet „Leuchtfeuer“ und die entsprechenden Sender tun nicht viel mehr als ständig rauszufunken, wer sie sind und wo sie sind. Die Intelligenz zur Auswertung dieses Signals steckt in einer App auf dem Smartphone. Ist diese installiert, kann ein Beacon diese öffnen oder per Push-Nachricht dem Besitzer des Smartphones eine Meldung zukommen lassen. Bei Lindner in Köln ist es die freudige Nachricht vom kostenlosen Kölsch auf der hauseigenen Terrasse.

Das klingt sehr ähnlich wie NFC, die Near Field Communication, und irgendwie ist es auch ähnlich. Doch wie seinerzeit bei den Videorekordern macht nicht das technische System den Unterschied, sondern die unterstützenden Großfirmen. Und die heißen bei Bluetooth 4, dem Übertragungsstandard hinter den Beacons, halt Apple, Google und Microsoft – kurz zusammengefasst eigentlich alle Smartphones. Wogegen NFC von Apple kategorisch nicht unterstützt wird.

Wer braucht wo Indoor-Navigation?

Auch wenn Beacons und Apples Variante iBeacons zwar derzeit in aller Munde sind, so einfach ist es nicht, ein wirklich griffiges Einsatzszenario zu entwickeln. Häufig wird von Indoor-Navigation gesprochen, die Beacons stecken also den Raum auch dort ab, wo ein 3G- oder gar GPS-Signal gar nicht hinkommt. Nur: Wer braucht wo Indoor-Navigation? Im Flughafen, an Großbahnhöfen und in Museen mag das nahe liegen, im Handel wird die Luft schon sehr dünn. Das Einkaufzentrum kann noch punkten, vielleicht sogar der riesige Baumarkt, aber wie orientierungslos ist der Kunde bei Görtz? Dazu kommt, dass eine feine Navigation hin zu einzelnen Artikeln nur möglich ist, wenn ganz viele Beacons nicht nur gekauft und aufgestellt, sondern auch gewartet werden. Und wehe, wenn sich der Regalinhalt ändert.

Mal wieder bleibt das Glück bei den Themen Loyalty und Couponing hängen. Beide Themen können auch die Kraft haben, den Nutzer zur Installation der App und Freigabe der Datenübergabe zu bewegen. Ohne die nutzt das beste Bluetooth nichts.

Bluetooth ist mehr als Beacons

Aktuell haben Dienstleister die Nase vorn, die die Angebote mehrerer Läden bündeln können. So hat eben die Regent Street eine eigene App, der Gutscheinanbieter Barcoo ist hierzulande eine starke Referenz, Paypal will damit die Bezahlung mittels Smartphone salonfähig machen und Payback wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn nicht längst ein Beacon-Konzept hitzig diskutiert wird. Konkurrent Shopkick hat sich hier bereits positioniert.

Doch Bluetooth 4, das neue, smarte Bluetooth, ist viel mehr als Beacons. Es erlaubt die Verbindung und den Datenaustausch zweier fast beliebiger Geräte. Für den Handel setzt Suke Jawanda, der Marketingleiter der Special Interest Group, zum Beispiel große Stücke auf Kundenberater, die nicht nur Produkte empfehlen sondern per Bluetooth zum Beispiel via Tablet auch gleich Zahlungen entgegennehmen können. Das US-Warenhaus Nordstrom betreibt das bereits.

Bluetooth verbindet auch Wearables mit Smartphones. Erst dadurch bekam der Boom bei Fitnesstrackern und Smartwatches den entscheidenden Aufschwung. Adidas präsentierte jüngst einen Fußball mit integriertem Chip. Nach jedem Schuss kann er auf dem Smartphone zeigen, wie schnell der Ball flog und welche Kurve er beschrieb.

Brandaktuell ist der „Rundumtracker“ Ambiotex, entwickelt von der Mainzer Bluetooth-Schmiede Match2Blue. Dabei handelt es sich um T-Shirt, das eine Vielzahl von Sensoren besitzt und mittels eines kleinen, unaufdringlichen Kästchens, alle Daten an das Smartphone funkt. Daten wie Pulsfrequenz, Atemrhythmus und -tiefe, Kalorienverbrauch, Bewegungsmuster und jede weitere körperliche Aktivität.

Anwendungsszenarien im SmartHome-Bereich

Freilich können Wearables auch untereinander Daten austauschen, etwa wenn sich zwei Träger von Wearables näher kommen. Alissia Ijaitsch entwickelt mit ihrer Firma Vectorform derartige Konzepte. Erste Anwendungsfälle sind zum Beispiel digitale Spiele, die nicht mehr durch Controller und Maus sondern durch die reale Bewegung der Spieler gesteuert werden. „Wir sprechen in diesem Kontext vom Paradigmenwechsel vom Graphical User Interface (GUI) über das Natural User Interface (NUI) hin zum Natural User Environment (NUE)“.

Ähnliches gilt freilich für das SmartHome. Bluetooth 4 kann alle Dinge miteinander und mit Apps vernetzen. Ein offensichtliches Szenario wäre die Raumüberwachung bei Abwesenheit. Doch natürlich gibt es auch Skurriles. So bekommt der heimische Fikus einen Sender, der der App – „Codename „Grüner Daumen“ – meldet, wenn das Wasser zur Neige geht.

Besonders vielversprechend an der neuen Technik ist deren Universalität und Einfachheit. „Die Unternehmen konkurrieren auf dem Anwendungslevel, nicht bei der Basistechnologie“, erklärt Suke Jawanda im Interview mit absatzwirtschaft.de. Langfristig kann er sich sogar vorstellen, das der SmartTV durch Bluetooth zur Steuerzentrale im SmartHome wird und das WLan teilweise ersetzt.

Hohe Dynamik durch einfachen Zugang zur Technologie

Kurzstreckenfunk ist unterdessen nur ein Einsatzszenario. „Entgegen der landläufigen Meinung ist BLE keineswegs nur auf Kurzstrecken einsetzbar. Je nach Sendeleistung können auch bis zu 100 Meter überbrückt werden“, weiß Holger Mannweiler, der Geschäftsführer von Match2Blue. „Natürlich geht eine höhere Reichweite zu Lasten der Batterielebensdauer“. Gemäß der BLE-Spezifikationen geht man von Lebensdauern von bis zu zwei Jahren für Beacons aus, was den Handlingaufwand für die Unternehmen, die solche Systeme einsetzen, erheblich verringert.

Der einfache Zugang zur Technologie gestattet es auch kleinen StartUps, Anwendungen zu entwickeln und sorgt somit für viel Dynamik im Markt. Suke Jawanda erwartet zum Beispiel demnächst die Universal-App, die mit verschiedenen Fitnestrackern arbeitet und durch die der Anwender die Daten behalten kann, auch wenn er die Hardware wechselt. Apropos Hardware: Match2Blue sieht auch hier weiteres Potenzial: „Wir bieten ein SDK an, und hoffen, dass möglichst viele Entwickler interessante Anwendungen damit realisieren“, sagt Co-Geschäftsführerin Stephanie Renda.

Aus Sicht der Werbung gibt es eine hochspannende Perspektive auf diese neue Technologie. Gleich eine Handvoll Unternehmen behauptet, Bluetoothsender „drucken“ zu können. Statt einer Batterie werden sie zum Beispiel per Induktion oder durch ein Solarpanel mit Strom versorgt. Das Konzertplakat der Zukunft kann also dem interessierten Passanten direkt das Video zum beworbenen Konzert präsentieren, ohne dass ein Browser zu öffnen oder ein QR-Code zu scannen wäre. Und die Milchtüte kann ihrem Kühlschrank endlich sagen, wenn sie leer ist. Doch wer stellt eine leere Milchpackung eigentlich wieder in den Kühlschrank?

Interessante Links zum Thema:

Das Daten-Shirt von Match2Blue: www.ambiotex.com

Die Buetooth-Meile in London: www.beaconblog.de

Das Bluetooth-Poster: www.youtube.com