Blick in die Zukunft mit Schock-Moment 

Gute Vorbereitung ist alles – das gilt auch für eine Zukunft mit Klimaextremen. Ein interaktives Szenario des Bayerischen Rundfunks führt ins Jahr 2050. Und eine YouGov-Studie definiert sechs Nachhaltigkeitstypen. 
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Mit seinem interaktiven Szenario blickt der BR in die klimawandelgeprägte Zukunft. (© Unsplash)

Kein Zweifel, ich bin gemeint. „Es ist ein sonniger Tag im Jahr 2050. Christine (86) steht auf ihrem Balkon in München.“ Okay, es sind nicht immer nur die anderen, die älter werden. Der wahre Schock kommt erst noch, beim Lesen der Bedingungen, die den Sommer von Senior*innen in gut zwei Jahrzehnten prägen werden: extreme Hitze, Tropennächte und immer wieder Starkregen. Gleichzeitig wird das Wasser knapp. 

Möglich macht den Zeitsprung der Bayerische Rundfunk mit der interaktiven, personalisierbaren Projektion „Unser Bayern 2050“. Sie beruht auf Daten des Landesamts für Umwelt, deren Herkunft und Verwendung hier genau erklärt werden. Will sagen: Es handelt sich um ein durchaus seriöses Projekt und nicht um Panikmache, wofür auch spricht, dass die Verantwortlichen jeweils Szenarien für „leichte“ und „starke“ Auswirkungen des Klimawandels geben. Das ist nicht nur ein Thema für Privatleute; Wasserknappheit und Hitzetage haben ja auch Folgen für Produktionsabläufe, Arbeitszeiten und Materialverfügbarkeit. Wie hoch mag der Anteil der Unternehmen sein, die sich darauf ernsthaft vorbereiten?  

Klimaneutral bis 2050? Mehr Tempo gefragt  

Natürlich, es gibt das Netto-Null-Ziel, zu dem sich so unterschiedliche Konzerne bekennen wie Shell, Mars, Viessmann oder die Schweizer Migros. Ein gutes Drittel der weltweit größten Unternehmen habe sich verpflichtet, bis 2050 kein CO2 mehr auszustoßen, meldete Ende vergangenen Jahres die Unternehmensberatung Accenture. Das waren sieben Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor.  

Grund zum Jubeln besteht trotzdem nicht. Denn: „93 Prozent der Unternehmen werden ihre Ziele verfehlen, wenn sie ihr Tempo nicht deutlich erhöhen“, warnt Accenture. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Studie auch dem Marketing von Beratungsleistungen dienen soll, ist das eine ernüchternde Prognose. Ja, Weihnachten kommt auch immer so plötzlich, und dann kauft man noch am 24.12. ein Geschenk. Bei der CO2-Einsparung funktioniert eine Last-Minute-Aktion aber nicht. 

Kontrollinstanz Kunde 

Dabei mangelt es nicht an Unternehmen, von deren kreativen Ideen sich andere inspirieren lassen könnten. Besonders viele finden sich zielgruppenbedingt in der Outdoorbranche, das Familienunternehmen Tatonka aus Dasing bei Augsburg ist so ein Beispiel. Dessen Geschäftsführung hat eine Website namens Traceability eingerichtet, auf der Kund*innen unter Angabe der Seriennummer die Herstellungs- und Lieferwege des Produkts verfolgen können. Ein mutiger Schritt, denn damit hat das Management freiwillig eine Kontrollinstanz aufgebaut, deren Existenz allein dazu beitragen dürfte, dass Ziele wie CO2-Reduzierung und faire Arbeitsbedingungen nicht vergessen werden.  

CO2-optimierte DOOH-Kampagne  

Der Münchner Ökostromanbieter Lichtblick hat im Rahmen seiner neuen „Umwelten voraus“-Kampagne ein klimafreundliches Digital-Out-of-Home-Pilotprojekt konzipiert: Werbung wird nur dann programmatisch ausgespielt, wenn der Anteil grüner Energie am deutschen Strommix mindestens 50 Prozent beträgt. Technisch läuft das mit Hilfe der Plattform Entso-E Transparency, die Zusammensetzung und Preise des Stroms in einzelnen Ländern in Echtzeit aufschlüsselt und eben auch vorhersagen kann. Plattformbetreiber ist der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber, englische Abkürzung Entso-E. Die Kampagne stammt von der Agentur The Goodwins (Berlin), umfasst auch TV und Connected TV, Social Media und Online Display Ads und soll über mehrere Monate laufen. 

Lieferkettentransparenz, CO2-reduzierte Kampagnen – das sind Mosaiksteine, gewiss. Aber mal abgesehen davon, dass Lichtblick spätestens 2035 klimaneutral sein will und jedes Jahr eine detaillierte Klimabilanz veröffentlicht: Genau solche Anfänge und Experimente braucht es doch.  

38 Prozent haben von “Greenwashing” noch nie gehört 

Inwieweit Konsument*innen das Engagement honorieren, ist dann wieder eine andere Frage. Eine aktuelle Studie aus dem Hause YouGov, die sechs Nachhaltigkeitstypen definiert, stimmt in dieser Hinsicht nicht gerade optimistisch: Die „Abwälzenden Passiven“ machen 19 Prozent und die „Klimawandel-Agnostiker“ 15 Prozent aus. Von der Gesamtheit sehen lediglich sieben Prozent in Nachhaltigkeit den wichtigsten Aspekt bei ihrer Kaufentscheidung (ganz oben mit 39 Prozent: der Preis). 38 Prozent haben den Begriff Greenwashing angeblich noch nie gehört und 48 Prozent wissen nicht, was Fast Fashion bedeutet. Welche Medien konsumieren diese Menschen, möchte man fragen? Ganz sicher nicht den Green Wednesday.  

Earth Poetica als Symbol grüner Hoffnung 

Um nicht mit Doom and Gloom zu enden, zum Abschluss ein Beweis dafür, dass Plastikmüll auch schön sein kann. Sie haben richtig gelesen. Die israelische Künstlerin Beverly Barkat hat ihn zu einer Weltkugel mit vier Meter Durchmesser verarbeitet, die derzeit im World Trade Center steht und von innen fast wirkt wie eine Kathedrale. Earth Poetica heißt die Skulptur. Die Künstlerin verknüpft mit ihr eine Botschaft der Hoffnung und Erneuerung. 

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! 

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.