Von Gastautorin Sophie Engelhardt, Fachanwältin Urheber- und Medienrecht
Unternehmen setzen zwei Spielarten der Preisanpassung ein: Dynamic Pricing nutzt variable Preise je nach Marktlage, gleichermaßen für alle Kunden. Der dynamische Preis gilt vielen als der gerechteste, denn er steigt und sinkt in Abhängigkeit äußerer Faktoren und kann so durchaus kundenfreundlicher sein als der ewig stabile Preis. Dynamische Preise sind nicht nur ein Thema für das Online-Geschäft. Schon lange zieht der stationäre Handel nach – elektronische Preisschilder erleichtern eine flexible Preisgestaltung.
Als neueres Phänomen gilt das Personal Pricing. Diese Methode der Preisanpassung kombiniert personalisierte Rabatte und individuelle Produktempfehlungen. Weil die Kundenbindung optimiert und die maximale Zahlungsbereitschaft ausgereizt wird, birgt Personal Pricing erhebliches Umsatzpotential für Shopbetreiber. Auch hier steht der Einzelhandel nicht nach, sofern der Kunde sich darauf einlässt, eine entsprechende App zu nutzen oder eine Kundenkarte zu erwerben. Nun kann der Supermarkt oder der Drogeriediscounter tracken, welche Produkte der Kunde kauft und bei welchem Preis er zuschlägt. Mithilfe dieser Informationen kann er über Newsletter gezielt auf den Kunden zugeschnittene Artikel bewerben und seine Preise über Rabattcodes an das Kaufverhalten anpassen: Frau X wird ein Wein empfohlen, der neu im Sortiment ist, Herr Y erhält 10 Prozent Preisnachlass auf einen Schokoriegel.
Preisfreiheit des Verkäufers
Aber ist das alles so erlaubt: Daten auslesen, Kundenprofile erstellen, ein Produkt zu differenzierten Preisen anbieten? Personalisierte Preise sind zunächst einmal nicht verboten – im Gegenteil, die erlaubte Ungleichbehandlung gehört gewissermaßen zu den Grundfesten der freien Marktwirtschaft. Die Preisangabenverordnung (PangV), die die Preisgestaltung regelt, enthält keinerlei Bestimmung, dass die Preise stabil oder für jedermann gleich sein müssten. Der Verkäufer hat die Freiheit, seine Kunden ohne sachlichen Grund im Preis unterschiedlich zu behandeln.
Keine Benachteiligung ausgewählter Kunden
Es gibt jedoch Einschränkungen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet in § 19 eine Benachteiligung u.a. aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder des Alters. Ein Verstoß hiergegen in Verbindung mit § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stellt einen wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruch dar. Mitbewerber oder Verbände können diesen mittels Abmahnung und Unterlassungsklage verfolgen. Daher sollten Unternehmen Rabatte, die sie nur Kunden einer bestimmten Altersklasse oder beispielsweise nur Frauen gewähren, unter diesem Gesichtspunkt kritisch prüfen.
Dienstleister müssen vorsichtig sein
Für Dienstleister sieht die Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) in § 5 ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot vor: Von Kunden, die eine Dienstleistung buchen, dürfen nicht abhängig vom Wohn- oder Buchungsort unterschiedliche Preise für dieselbe Dienstleistung verlangt werden, jedenfalls nicht ohne objektive Rechtfertigung und vor allem nicht, ohne diese Handhabe den Kunden offenzulegen. Nicht erlaubt ist zum Beispiel, dass Autovermietungen bei Online-Buchungen den Mietpreis in Abhängigkeit vom Wohnort berechnen, entweder per Geolokalisierung über die IP-Adresse des Kunden oder über dessen manuelle Eingabe.
Kunden müssen zustimmen
Wichtig sind im Personal Pricing auch die datenschutzrechtlichen Vorschriften. Wenn Händler und Dienstleister personenbezogene Daten verarbeiten, also beispielsweise die bisherige Bestellhistorie mit dem Kundenkonto verknüpfen, müssen sie die ausdrückliche Einwilligung des Kunden einholen (§ 13 II Telemediengesetz bzw. § 4a Bundesdatenschutzgesetz). Dies funktioniert durch vorbereitete Erklärungen, die der Kunde im Zuge seiner Registrierung für ein Kundenkonto oder eine Kundenkarte abgibt.
Ähnlich ist es beim Einsatz von Cookies ohne identifizierende Verbindung zu einem Kundenkonto. Hier lesen Shops und Dienstleister ebenfalls Daten aus. Das ist ein Datenerhebungsvorgang, für den allerdings umstritten ist, wie die Zustimmung des Kunden hierzu gestaltet sein muss. Auf jeden Fall müssen die Händler und Dienstleister in ihren Datenschutzerklärungen darüber informieren, welche Daten sie zu welchem Zweck erheben. An dieser Stelle werden sie also ihre Methode der personalisierten Preise transparent machen müssen. Dieser Umstand dürfte vielen Händlern ein Dorn im Auge sein.
Empfehlung: Variable Preise als Vorteil für Kunden kommunizieren
Eine offene Kommunikation lohnt sich auch ohne datenschutzrechtliche Not, um das Vertrauen der Kunden zu erhalten. Die merken nämlich über kurz oder lang, wenn ihr Nachbar Sonderangebote kauft, von denen sie gar nicht erfahren haben, oder Kunden vor ihnen an der Kasse weniger für den Kasten Bier bezahlen müssen als sie selbst. Und sind zu Recht irritiert. Händler sind daher gut beraten, Überzeugungsarbeit zu leisten. Ungleichbehandlungen sollten erklärbar sein. Kunden sollten verstehen, dass es sich nicht um ein System der Diskriminierung handelt, sondern um ein Instrument, das Treue und Umsatz belohnt. Nur mit der Akzeptanz ihrer Kunden können Unternehmer die Chancen des Personal Pricing voll ausschöpfen.
Zur Autorin: Sophie Engelhardt arbeitet als Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht in der Hamburger Kanzlei Rasch Rechtsanwälte. Sie ist auf wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im E-Commerce spezialisiert.