PS-starke und große Autos – sprich SUV – stehen verstärkt auf der Shopping-Liste der Kunden. Für die deutschen Autobauer ist das eine risikoreiche Entwicklung. Bis zum Jahr 2022 müssen sie Plug-In Hybride und Elektroautos in größerem Umfang verkaufen. Die neue Technik ist „ungewohnt“ für die Käufer. Ein Gewöhnungseffekt benötigt Zeit, und damit wird die Zeit zur Einhaltung der CO2-Vorgaben eng.
Damit könnten die deutschen Autobauer gezwungen zu sein, verstärkt eine Quersubventionierung ihrer Fahrzeuge vorzunehmen, um die Nachfrage nach alternativen Antrieben zu beleben. Quersubventionierung – also die konventionellen Antriebe künstlich teurer zu machen, könnte im Wettbewerb mit den Importeuren „Wettbewerbsvorteile im Kerngeschäft“ bedeuten. Es scheint sich ein Dilemma für die deutschen Autobauer aufzutun.
Die Auswertung der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland führt zu vier Einzelergebnissen.
Ergebnis 1: Hybrid- und Elektro-Modelloffensive der Deutschen ohne Wirkung
Ernüchternd ist die Bilanz der Neuwagenverkäufe bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen der deutschen Autobauer. Von den Marken Audi, BMW, Ford, Mercedes, Opel, Porsche und VW wurden im Jahre 2014 insgesamt 1,879 Millionen Pkw in Deutschland neu zugelassen. Darunter waren 8.463 Fahrzeuge mit Hybrid, Plug-in Hybrid oder reinem Elektroantrieb. Einen Teil der Fahrzeuge lassen die Hersteller auf sich selbst zu – als Testwagen oder Fahrzeuge für Mitarbeiter – oder es sind Zulassungen von den Händlerbetrieben.
Zieht man diese sogenannten Eigenzulassungen ab, verbleiben 4.814 „echte“ Neuwagen-Verkäufe. Gegenüber dem Jahr 2013 sind das immerhin 2,5-mal so viele Fahrzeuge wie im Jahr zuvor. „Markthochlauf-Phase“ nennt das gerne der Verband der Autobauer. Im Jahr 2014 waren immerhin 28 unterschiedliche Fahrzeugmodelle im Angebot der deutschen Autobauer. Pro Monat wurden damit von allen deutschen Autobauern im Durchschnitt pro Modell ganze 14 Neuwagen von „echten Kunden“ zugelassen. Die Zahl zeigt, wie deprimierend für die Autobauer derzeit das Geschäft mit alternativen Antrieben ist.
Ergebnis 2: PS-Zahlen steigen weiter
Seit 1995 bewegen sich die PS-Zahlen der Neuwagen in Deutschland mit Ausnahme eines Jahres in eine Richtung: nach oben. Nur im Abwrackprämienjahr 2009 sanken durch den Kleinwagen-Boom die PS-Zahlen in Deutschland. Während im Jahr 2012 mit 136,9 PS und im Jahr 2013 mit 137,3 PS die PS-Zahlen nahezu stagnierten, haben die Neuwagen im Jahr 2014 mit 139,7 PS und in den ersten beiden Monaten des Jahres 2015 mit 142,5 PS sich deutlich nach oben bewegt. Es scheint, als macht billiger Treibstoff Lust auf mehr PS beim Neuwagenkauf.
Ergebnis 3: Sportliche Geländewagen SUV im Dauer-Boom
Der Verkauf und die Verkaufsanteile der sportlichen Geländewagen SUV haben in den letzten 14 Monaten einen kräftigen Sprung „nach oben“ gemacht. Mittlerweile sind 19,3 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw sportliche Geländewagen. Im letzten Jahr kamen knapp 550.000 SUV neu auf Deutschlands Straßen.
In diesem Jahr bewegt sich die Zahl der SUV-Neuwagen in Richtung 600.000. Zwar werden vermehrt Kompakt-SUV verkauft, aber es gilt der Zusammenhang, dass der SUV aufgrund seiner Größe eben mehr Treibstoff verbraucht als die vergleichbare Limousine oder der vergleichbare Stufenheck. Da das SUV-Segment in Deutschland boomt und die SUV derzeit im Schnitt mit 27 PS höher motorisiert sind als der „Durchschnitts-Neuwagen“, steigen mit den wachsenden SUV-Zulassungen auch die PS-Zahlen.
Der Durchschnitts-Neuwagen verbrauchte in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 126 g CO2 pro Kilometer, ein neu zugelassener SUV dagegen 148 g CO2 pro Kilometer – 18 Prozent mehr. Damit steigt der Druck zur Erfüllung der CO2-Vorgaben auf die deutschen Autobauer, die größere und schwere Fahrzeuge verkaufen.
Ergebnis 4: Alle alternativen Antriebe „verkümmern“
Das Bild der alternativen Antriebe im Automarkt ist nicht nur ernüchternd, sondern deprimierend. Klammert man Toyota und Lexus sowie die Zulassungen der Autobauer auf sich selbst aus, dann wurden in den ersten beiden Monaten dieses Jahres in Deutschland 0,8 Prozent aller Neuwagen als alternative Antriebe – sprich nicht Diesel und Benzin – neu zugelassen. Pkw-Neuwagen mit Gasantrieb – also Flüssiggas (LPG) und Erdgas (CNG) – machen 0,5 Prozent der Neuwagen-Zulassungen in Deutschland aus. Der Trend ist rückläufig, obwohl neue Modelle, wie etwa bei VW der Passat oder Golf angeboten werden – freilich zu hohen Preisen.
So wurden im Jahr 2014 im deutschen Automarkt 125 unterschiedliche Modelle an Erdgas- und Flüssiggas-Fahrzeugen zugelassen. Insgesamt kamen 14.446 Fahrzeuge mit Gasantrieb, überwiegend Bi-Fuel, neu in den Markt. Monatlich haben die Autobauer im Jahr 2014 damit pro Modell lediglich zehn Fahrzeuge verkauft. Es wird deutlich, dass auch diese Verkaufsbilanz nicht tragbar defizitär ausfällt.
Nicht viel besser sieht es mit Hybriden und Elektroautos aus. Mittlerweile sind 59 unterschiedliche Fahrzeugmodelle (Hybrid-, Plug-In Hybride, Elektro) von allen Automarken in Deutschland im Angebot. So viele wie noch nie. Im Jahr 2014 wurden pro Fahrzeug-Modell 281 Fahrzeuge zugelassen trotz der profilierteren Toyota-Modelle. Auch in den nächsten Monaten muss hier mit Stagnation gerechnet werden. Es macht für Kunden wenig Sinn 10.000 Euro und mehr für einen Plug-In-Fahrzeug auszugeben, Stromladezeiten und Umstände in Kauf zu nehmen bei nahezu gleichem Treibstoffverbrauch wie beim Diesel. Statt Plug-In kauft der Kunde mehr PS und SUV.
Über den Autor: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.