Retail Marketing ist eines der ganz großen Buzzwords dieser Tage. Welche Qualität haben Werbeplatzierungen im Umfeld der großen Handelsplattformen? Otto, Zalando und natürlich Amazon haben enorm spannende Daten, denn sie kennen echte Conversions. Die Menschen werden nicht über ihre Markenerinnerung befragt oder wie „schön“ sie einen Spot fanden. Nein, sie stimmen mit den Füßen ab, genauer mit ihrem Portemonnaie.
Aber vielleicht ist auch genau das das Problem. Wenn die User fokussiert sind auf einen bestimmten Kauf, haben sie dann noch den Seitenblick auf geschaltete Werbung? Oder existiert ab einer gewissen Stufe im Funnel eine Art immanente Bannerblindheit?
Man wird der Wahrheit vermutlich nur nahekommen, wenn man das testet. Der schnelle, einfache Einstieg sind die Sponsored Products oder Sponsored Listings. Hier erkauft man sich eben wie bei Google einen Platz auf der Suchergebnisseite zu bestimmten Keywords. Doch das ist längst nicht alles. „Im Grunde sollte man zu den wichtigen Keywords alle Werbeplätze besetzen“, sagt Patrick Müller. Er ist bei Sellvin verantwortlich für die Ausspielung von Werbebannern. Und bei Sellvin gehört Retail Media zum täglich Brot. Man bietet auf die wichtigen Suchbegriffe, auf die eigenen Markennamen und gelegentlich auch auf die Marken der Konkurrenz. „Aber das kann schnell teuer werden“, sagt Müller.
Keywords sind für alle da
Spannend am strukturellen Aufbau des Marketings bei Sellvin ist die Tatsache, dass das traditionell Daten-getriebene Performance Marketing und das Content Marketing, das meist eher mit Social Media zusammenhängt und aus der Kommunikationsabteilung stammt, sich einen Datenpool teilen. Und zwar zu beider größtem Vergnügen.
Dorothea Bakker ist Müllers Counterpart im Content Marketing. Und was für Müller das Keyword für die nächste Anzeige ist, ist für Bakker der Schlüssel zu gutem Content. „Wir versuchen, bei jedem neuen Produkt einen halben Tag Zeit in die Recherche zu investieren“, sagt sie. Recherche bedeutet: Keyword-Analyse, schauen was der Wettbewerb macht und definieren, was das zu platzierende Produkt eigentlich gut kann.
Bakker weiß, dass der Verkaufserfolg der Produkte unter anderem davon abhängt, bei Amazon sehr gut gefunden zu werden. Ähnlich wie bei Google gibt es eine Reihe von Relevanz-Faktoren. Die wichtigsten aus Sicht von Amazon sind Conversions und Marge. Danach folgen die Klassiker wie Keywords, Verweildauer der User, Bewertungsdurchschnitt und vieles mehr.
Für die Inhalte auf der Produktseite ist bei Sellvin Bakkers Team zuständig. Und dessen Daseinsberechtigung wird durch den Verkaufserfolg definiert. Insofern ziehen Müller und Bakker am gleichen Strang.
„Wir tauschen uns permanent aus“, sagt Müller, der seine Daten zum Beispiel aus der Analyse der direkten und verwandten Suchbegriffe holt. Bakker kann derweil Keywords beisteuern, die sie in den Produktbewertungen gefunden hat. „Wenn viele User ein bestimmtes Problem haben, könnte das spannender Content für die Produktbeschreibung sein.“ Der User-Centric-Ansatz.
Permanente Strategieoptimierung
Für Sellvin gibt es also nicht „die“ Amazon-Strategie. Sie ist ein lebendes Gebilde, dass sich ständig ändert, abhängig von dem, was der User macht, wie der Wettbewerb sich verhält oder was in der Welt passiert. „Natürlich haben wir geschaut, welches der Produkte einen Bezug zum Homeoffice hat“, sagt Bakker. Fündig geworden sind sie zum Beispiel bei einem Rückenstützkissen, dass die Tage im Heimbüro weniger anstrengend macht. Die Kommunikation wurde entsprechend für den zeitweise populären Suchbegriff „Homeoffice“ angepasst.
In den vergangenen Jahren haben die Kölner sehr viel Energie in die Optimierung der Bilder ihrer Produkte gesteckt. „Gute Bilder sind einer der wichtigsten Conversion-Treiber“, weiß Bakker. Und, sie erzeugen einen kleinen Abstand zur Konkurrenz, die sich vielleicht keinen professionellen Fotografen leistet.
Die Auswahl der Perspektiven, aus denen ein Produkt fotografiert wird, fällt nach einer Vorrecherche. „Wir versuchen, die zentralen Eigenschaften des Produkts auch im Bild zu zeigen“, sagt Bakker. Zum entsprechenden Foto aus der passenden Perspektive gehöre eventuell auch noch eine textliche Erklärung oder eine Analogie, um den User näher zum Produkt zu führen. Bakker sagt: „Wenn die Größe eines Produkts eine Rolle spielt, achten wir bei den Fotos darauf, dass eine menschliche Hand zu sehen ist.“
Sellvin will auch eine Marke sein
Aber für Sellvin geht es um mehr, als nur Pakete zu packen. Das Unternehmen will eine Marke sein und dies auf Amazon inszenieren. „Im Rahmen des A+-Content haben wir inzwischen viel mehr Möglichkeiten, unsere Marken darzustellen“, erklärt Bakker. Aktuell testet Amazon auch gerade, wie man die Bedeutung der Marken stärken kann. Die Links unter den Produkttiteln, die zum Konto des Verkäufers führen, durchlaufen gerade ein paar Experimente.
Für Sellvin ist Marke nicht nur der klassische emotionale Rahmen für die jeweilige Produktwelt. Marke sei auch Selbstschutz. „Wenn wir auf unsere eigenen Marken bieten, ist der TKP in der Regel günstig“, berichten Müller und Bakker: „Und wir können im Rahmen des A+-Content auch Komplementärprodukte und Empfehlungen ausspielen und damit verhindern, dass der Wettbewerb auf unseren Seiten erscheint.“
Amazon, Mano Mano, Otto
Neben Amazon spielen auch andere Plattformen eine Rolle, wenn auch nur eine kleine. Für den Bereich Haus und Garten entwickelt sich gerade die französische Plattform Mano Mano sehr dynamisch. Die Pariser nutzten die Corona-Zeit, um massiv im deutschen Fernsehen zu werben. Patrick Müller findet die Entwicklung der Plattform sehr interessant. „Wir haben dort noch keine Anzeigen geschaltet, aber das kann kommen“, sagt er.
Auch Ottos Erweiterung des werblichen Angebots ist bei Sellvin ein Thema. Kampagnen über die reinen Handelsplattformen hinaus seien laut Müller „natürlich im Bereich Retargeting spannend“. Otto bietet seit kurzem den Händlern an, gemeinsam mit Otto selbst Werbung auf fremden Websites einzukaufen. Je mehr Werbevolumen Ottos Display Network durchschleust, umso günstiger werden die Einkaufspreise. Und da Otto ein intrinsisches Interesse daran hat, dass die Kampagnen auch gut performen, deutet einiges darauf hin, dass Ottos DSP (Demand Side Plattform) nicht die schlechteste Wahl für den programmatischen Einkauf von Handelswerbung ist.
Social Media „immer wichtiger für Awareness„
Wie Bakker weiter erklärt, werde darüber hinaus Social Media „immer wichtiger für die Awareness“ von Sellvin. Wer die Kunden bereits in dieser Frühphase auf die eigenen Angebote lenken kann – egal ob über organischen Content oder gebuchte Werbung – spart sich die Bieterschlacht auf Amazon. „Bei ganz neuen Produkten hat Advertising einen Vorteil: Wir können sehr zielgenau schalten, wenn wir ein Zielgruppensegment gefunden haben“, sagt Müller.
Auch bei Social Media und Social Media Advertising profitiert das Kölner Team von der langjährigen Amazon-Erfahrung. „Wir nutzen Amazon immer auch als Testszenario um zu schauen, was bei den Nutzern gut ankommt“, erklärt Müller. Sein abschließender Tipp für alle Einsteiger im Amazon-Marketing ist ein Hinweis auf die sogenannten „Autokampagnen“: „Das ist ein einfacher Einstieg und von da kann man seine Strategie immer weiter verfeinern.“
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