Besser arbeitslos als kinderlos 

Kommunikation kann mehr, als Konsum zu fördern. Es wird Zeit, dass sie auch mehr tut, fordert unsere Kolumnistin.
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Die Kolumnistin ist Strategin bei der Werbeagentur David+Martin und hat einen kleinen Sohn. (© Markus Burke, Montage: Olaf Heß)

Die Anfänge der Werbekommunikation in den 60er Jahren war simpel, denn sie war rein produktorientiert. Beworben wurden Waschmittel, Seifen, Fertigprodukte und Autos. Mit zunehmenden Werbemöglichkeiten, angestoßen durch immer neue Technologien, musste sich Kommunikation im Laufe der Dekaden verändern.  

Steigender Werbedruck, verschärfte Wettbewerbssituationen und veränderte Konsumentenansprüche zwangen das Marketing dazu, von produktbasierter Einbahnstraßenkommunikation in einen Austausch mit den Konsument*innen zu gehen. Statt um Produkte ging es um Gefühle, Zugehörigkeiten und Identifikation.  

Gute Kommunikation kann die Gesellschaft verändern 

Und nun? Wer das Spiel des Verkaufens beherrscht, kann damit viel mehr tun, als über ein Shampoo oder einen Moment Me-time zu sprechen. Gute Kommunikation kann die Gesellschaft verändern und ein wichtiger Spieler des öffentlichen Diskurses sein. In Zeiten, in denen angesichts von Klimawandel, Plastikflut und Umweltverschmutzung ein Appell zu mehr Konsum ohnehin überholt erscheint, kann Kommunikation in gesellschaftlicher Verantwortung eine sinnvolle Aufgabe finden.  

Ein Beispiel: The Female Company rief kürzlich anlässlich des Haushaltsplans der Bundesregierung für 2024, der eine Herabsenkung der Berechtigungsgrenze des Elterngelds vorsieht, eine Aktion ins Leben. Sie soll auch in Zukunft die Vereinbarkeit zwischen Kindern und beruflichem Erfolg sichern und die Bundesregierung zum Umdenken bewegen. Unter dem Titel „Besser arbeitslos als kinderlos“ werden Unternehmen und Arbeitnehmer*innen dazu aufgerufen, qua Vertrag die Wiedereinstellung nach der elterlichen Care-Arbeit zu regeln. Dafür kündigen die betroffenen Eltern ihre Stelle, beziehen als Ausgleich für die Care-Arbeit Arbeitslosengeld I und werden nach Ende der Elternzeit zu denselben Konditionen wieder eingestellt. Ein politischer Beschluss, kommunikativ gehackt.  

Rolle rückwärts bei der Gleichberechtigung 

Die Aktion sorgte für große Aufmerksamkeit, knapp 500.000 Mal wurde das Video zur Initiative in den ersten 24 Stunden geklickt. Die Zahlen spiegeln sehr deutlich wider, welche gesellschaftliche Relevanz in dem Thema steckt. Mit dem Vorstoß, die Berechtigungsgrenze für das Elterngeld herabzusetzen, macht die Bundesregierung einen Satz rückwärts in Sachen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Das Elterngeld sollte ursprünglich einmal traditionelle Rollenbilder aufbrechen, indem Care Arbeit bezahlt wird und dadurch von beiden Elternteilen übernommen werden kann.  

Weil die Herabsenkung der Obergrenze zur Berechtigung von Elterngeld in vielen Fällen bedeuten würde, dass wieder nur ein Elternteil zuhause bleibt, wäre das durch den “Gender Pay Gap” in den meisten Fällen die Frau. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil so kurz- und langfristig die finanzielle Abhängigkeit vom Partner gefördert und der “Wage Gap” berufstätiger Mütter zusätzlich vergrößert wird. Ein solcher Schritt erodiert wichtige gesellschaftliche Werte. 

Dagegen kann (Werbe-)Kommunikation etwas tun. Zwar bleibt abzuwarten, ob die Aktion ihr Ziel, die Bundesregierung zum Einlenken zu bewegen, Erfolg haben wird. Aber sie zeigt, wo Spielfelder für Kommunikation entstehen und dass die Branche mehr kann als Autos oder Waschmittel zu verkaufen. Sie kann gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.