Das Internet ist für alle da. Doch nicht für alle Menschen sind Web-Inhalte gleichermaßen zugänglich. Viele Websites stellen für Menschen mit Behinderung hohe Hürden dar, die einer umfänglichen Inklusion im Weg stehen. Dabei kann gerade der E-Commerce für Menschen mit Behinderung ein wichtiges Werkzeug sein, um ihren Alltag selbstbestimmt zu gestalten. Deshalb sind große Onlineshops ab 2025 zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet. Die Agentur Sapera Studios hat nun die Barrierefreiheit der 20 umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland untersucht und hinsichtlich verschiedener Funktionen verglichen.
Websites sind für Screenreader nicht lesbar
Screenreader lesen Menschen mit Sehbehinderung vor, was auf dem Bildschirm vor ihnen zu sehen ist. Allerdings sind gerade einmal sieben der 20 größten Onlineshops mit solchen Tools kompatibel. Ebenso viele sind nur eingeschränkt kompatibel. Die übrigen sechs, darunter auch Lidl und Ikea, sind nicht oder nur mangelhaft tauglich für Screenreader. Menschen mit Sehbehinderung können diese Seiten kaum nutzen.
Ein weiteres Problem für Screenreader: Bilder lassen sich nicht vorlesen. Eine Lösung dafür sind Alternativtexte, die für jedes Bild hinterlegt werden und beschreiben, was zu sehen ist. Solche Alt-Texte sind bei den meisten der untersuchten Websites hinterlegt, bei drei von ihnen sind sie jedoch nur eingeschränkt verfügbar. Die Alt-Texte von vier anderen Onlineshops sind nicht ausreichend oder sogar unpassend.
Laut Sapera Studios ist die Sprache der Onlineshops gut verständlich und unkompliziert. Davon ausgenommen sind jedoch Zalando und H&M beziehungsweise Cyberport und Conrad. Hier verschlechtern vor allem Anglizismen oder Fachbegriffe die Verständlichkeit.
Auch vermeintlich unproblematische Einstellungen wie Schriftgröße und Schriftart machen einen Unterschied. Besonders kleine Schrift oder besonders viele verschiedene Schriftarten und -größen stellen eine Barriere dar. So mischen Lidl und Ikea unterschiedliche Größen besonders häufig. Außerdem nutzen manche Anbieter mehr als drei Schriftarten. Zudem bieten 15 der 20 Onlineshops die Möglichkeit, mit der Tastatur zu navigieren. Das erleichtert die Nutzung der Website für einige Menschen mit Einschränkungen ungemein.
Onlineshops bieten kaum Anpassungsmöglichkeiten
Websites müssen nicht für alle Nutzer*innen die Schrift vergrößern oder den Farbkontrast verändern. Wenn Barrierefreiheit nicht global auf einer Website umgesetzt wird, so müssen Nutzer*innen die Möglichkeit haben, die Website anzupassen. Das ist bisher auf keiner der Websites möglich.
„Das ungenutzte Potential der größten deutschen Onlineshops hinsichtlich ihrer digitalen Barrierefreiheit ist erstaunlich“, sagt Katrin Kolossa, CEO von Sapera Studios. So besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf, um digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten – auch unabhängig von gesetzlichen Regelungen. „Es geht vor allem auch darum, Menschen mit Handicap in unserer Gesellschaft endlich den vollen Zugang zu Onlineplattformen wie dem E-Commerce zu bieten und sie am heutigen, stark durchs Internet geprägtem Leben voll umfänglich teilhaben zu lassen“, so Kolossa.
Mehr Informationen zur Studie finden Sie hier.
Methode: Sapera Studios untersuchte die folgenden Onlineshops: About You, Alternate, Amazon, Apple, Baur, Bonprix, Conrad, Cyberport, DocMorris, H&M, Hornbach, Ikea, Lidl, Mediamarkt, Notebooksbilliger, Otto, Saturn, Shop Apotheke, Tchibo, Zalando. Dabei berücksichtigte die Agentur vier Funktionen: Nutzbarkeit der Website ohne Farben, Möglichkeit der Tastatur-Navigation, Screenreader-Tauglichkeit und Alternativtexte.
Digitale Barrierefreiheit: In unserem crossmedialen Schwerpunkt #03/22 werfen wir einen kritischen Blick auf den Stand der Inklusion und zeigen auf, wie sich Marketing und Vertrieb zu Treibern der Veränderung entwickeln können.