Ab 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft – für Onlineshops heißt das: Ab dann müssen ihre Websites barrierefrei sein (die absatzwirtschaft berichtete). Was nach einer langen Frist klingt, dürfte in der Realität für viele nicht reichen. Zumal bis dato noch gar nicht feststand, wie die Regeln im Detail aussehen. Zum 22. Juni ist nun die Verordnung zum Gesetz in Kraft getreten, die an einigen Stellen genauere Regeln festsetzt. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstützt die Umsetzung zudem mit Leitlinien für Unternehmen.
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Kaum Ausnahmen für kleine Unternehmen
Damit ist nun auch klar, welche Shops genau, von den Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes betroffen sind. So ist zwar vorgesehen, dass für Kleinstunternehmen Ausnahmen gelten, wenn sie weniger als 10 Menschen Beschäftigen und gleichzeitig Bilanzsumme oder Jahresumsatz nicht größer als zwei Millionen Euro sind. Allerdings gibt es nun zusätzliche Präzisierungen, wann eine Ausnahme greift: nämlich nur für angebotene Dienstleistungen. Wenn ein Shop allerdings Produkte anbietet, muss er auch barrierefrei sein. Ein Nagelstudio mit wenigen Beschäftigten und Umsatz unter 2 Millionen Euro darf also die Dienstleistung auch anbieten, ohne dass der entsprechende Shop barrierefrei sein muss. Verkauft das Nagelstudio im Onlineshop aber auch den Nagellack, dann fällt es doch wieder unter das Gesetz.
Beratung für Kleinstunternehmen
Damit dürften auch viele kleine Unternehmen von den Regelungen betroffen sein, die nicht ganz trivial sind. Damit sie nicht auf sich allein gestellt sind, bietet die Bundesfachstelle Barrierefreiheit Beratung für Kleinstunternehmen an – unabhängig davon, ob sie unter das Gesetz fallen oder freiwillig für mehr Barrierefreiheit sorgen wollen.
Dazu gibt es zwei weitere Ausnahmen, in denen die Regeln nicht greifen. Nämlich dann, wenn die Barrierefreiheit zu einer grundlegenden Veränderung des Produkts oder der Dienstleistung führen würde. „Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen, etwa durch den Einsatz einer neuen Technologie oder Software, die Leistungsfähigkeit des Produktes in einem solchem Ausmaß beeinflussen würde, dass es nicht mehr den beabsichtigten Zweck erreichen kann”, erklärt das BMAS in seinen Leitlinien. Es braucht aber wohl etwas Fantasie, um einen solchen Fall zu konstruieren.
Häufiger ist wohl der andere Ausnahmetatbestand. Der Verzicht auf die Umsetzung ist dann vertretbar, wenn diese eine „zusätzliche übermäßige organisatorische oder finanzielle Belastung für den Wirtschaftsakteur darstellt”. Gerade kleinere Unternehmen, die eigentlich unter das Gesetz fallen, können sich womöglich auf diese Regeln berufen, weil ein Umrüsten eines bestehenden Shops je nach Komplexität recht teuer werden kann. Die Entscheidung, ob einer dieser Tatbestände zieht, obliegt zunächst dem Unternehmen selbst. Es muss dann aber die zuständige Behörde informieren. Gut möglich, dass dann noch gerichtlich zu klären ist, wer nun die Regeln tatsächlich einhalten muss.
Strafen: Bis zu 100.000 Euro für Verstöße
Bringt ein Hersteller ein Produkt auf den Markt, das nicht den Anforderungen an Barrierefreiheit entspricht, drohen dafür auch Strafen. Bis zu 100.000 Euro können diese nach den Richtlinien des Gesetzes betragen. Welche exakten Kriterien an die Barrierefreiheit von Onlineshops gesetzt werden, steht aber auch in der Verordnung nicht. Ob die strengeren deutschen Regelungen der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV) oder die etwas weniger strengen Regeln der internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) gelten, ist damit weiter nicht klar. Wer aber die Regeln der WCAG weitgehend einhält, dürfte dafür wohl kaum bestraft werden. Zumal die Kontrollen für bereits geltende Regeln bis dato nicht allzu streng sind.
Verbraucher*innen sowie Verbände können sich aber bei Verstößen bei den zuständigen Behörden beschweren. Diese muss dann aktiv werden. Passiert weiterhin nichts, müssen die Verbraucher*innen und Verbände zunächst gegen die Behörde klagen. Die wirkliche Durchsetzung des Rechts ist also mit Umwegen verbunden. Zumal bis dato noch nicht in jedem Bundesland feststeht, welche Behörde zuständig ist. Trotz Präzisierung mit Leitlinien und Verordnung sind also weiter noch einige Punkte offen.