„Unsere Online-Konkurrenten schauen mit Neid auf unser Filialnetz und investieren selbst in den Aufbau von Filialen. Das bestätigt unsere Strategie eindrucksvoll. Auf diesem Feld haben wir etwa dreißig Jahre Vorsprung.“
So optimistisch klingt die Lage bei Baby One auch während der Corona-Krise. Das Zitat stammt von Jan Weischer – der ehemalige KPMG-Rechtsanwalt ist Geschäftsführer von Baby One. Am vergangenen Donnerstag referierte er gemeinsam mit seiner Schwester und Geschäftsführerkollegin Anna Weber auf der von der Agentur Web-Netz ausnahmsweise virtuell durchgeführten Online-Marketing-Konferenz „OMK Digital“. Weber arbeitete vor ihrer Zeit bei Baby One unter anderem fünf Jahre im Bereich „Leadership, Talent & Engagement“ beim Telekommunikationskonzern Vodafone.
Baby One: Kinder übernehmen Geschäft, Transformationsexperte Diekmann berät
Den beiden Geschwistern wurde und wird die Baby-One-Führung von ihren Eltern übertragen: Inhaber Gabriele und Wilhelm Weischer werden sich zum Ende dieses Jahres aus der Geschäftsleitung zurückziehen. Gemeinsam mit Stefan Keil, der seit 2016 Mitglied der Geschäftsleitung ist, wollen Weber und Weischer nun das Online- und Offline-Wachstum von Baby One forcieren. Bei diesem Vorhaben wird die Geschäftsführung seit Anfang dieses Jahres vom Handels- und Transformationsexperten Marcus Diekmann als Change-Berater unterstützt.
Im Geschäftsjahr 2019 verzeichnete Baby One einen Nettoumsatz von rund 235 Millionen Euro. Das entspricht einem Umsatzplus von 7,2 Prozent gegenüber 2018. Weiteres Wachstum ist das Ziel: Schon vor der Corona-Krise hat sich die Fachmarktkette für Baby und Kleinkindbedarf auf die Fahnen geschrieben, mit einer Multichannel-Strategie ihren Umsatz weiter zu steigern.
Franchise-Nehmer vs. zentraler Online-Shop?
Was vermeintlich banal klingt, ist in der Praxis durchaus herausfordernd. Denn einerseits sehen Weber und Weischer „im digitalen Wandel eine große Chance“, sie wollen das „bestehende Geschäftsmodell in diese Richtung weiterentwickeln“. Künftig werde Baby One „stärker auf eine performanceorientierte und datengetriebene Kultur setzen, um agiler zu werden“.
Andererseits werden 70 Prozent der insgesamt 106 Fachmärkte von Baby One in der DACH-Region von 27 verschiedenen Franchise-Nehmern geführt. Die übrigen 30 Prozent sind in familiärer Hand. Wie also lässt sich ein digitaler Wachstumsansatz mit dem bis dato fast ausschließlich stationär geprägten Franchise-Geschäftsmodell vereinen?
Weber und Weischer erwecken den Eindruck, ein klares Bild vor Augen zu haben: „Die Diskussion Online gegen Offline ist doch von gestern. Erfolgreich werden im Handel eigentlich nur noch Multichannel-Player sein. Nur wenn man auf allen Kanälen präsent ist und hier jeweils die Erwartungen der Kunden erfüllt oder übertrifft, bleibt man dauerhaft wettbewerbsfähig.“
Um die Herausforderung auch praktisch zu meistern, launchte Baby One 2019 ein „Ship from Store“-Konzept, sprich: Die zentral über den Online-Shop bestellten Produkte werden seitdem hauptsächlich aus den regionalen Fachmärkten versendet, also von den Franchise-Nehmern. Konkret heißt das: Kommt eine Bestellung kommt online rein, wird zum einen geprüft, welcher Markt die Sendung vollständig in einer Lieferung anbieten kann, und zum anderen bestimmt, welcher Markt die kürzeste Entfernung zum Lieferort des Kunden hat. Die Franchise-Nehmer sollen so transparent wie möglich am Online-Geschäft beteiligt werden.
„Wir verstehen das Online-Geschäft als Gemeinschaftsaufgabe aller Franchise-Nehmer“, sagt Baby-One-Geschäftsführerin Weber. Diese Strategie sei besonders „in der Corona-Zeit wirklich super, da einfach auch Umsatz auf der Fläche bleibt – selbst wenn diese geschlossen sind“. Tatsächlich mussten die Baby-One-Märkte mit ihrer durchschnittlichen Größe von 1200 Quadratmetern durch die Lockdown-Bestimmungen wochenlang geschlossen bleiben. Für das Unternehmen bedeutete das einen „starken Umsatzeinbruch“, wie Weber und Weischer sagen. Denn der sonst zum Großteil stationär erzielte Umsatz konnte nicht von jetzt auf gleich zu 100 Prozent über den Online-Shop kompensiert werden.
Optimistischer Ausblick trotz Corona-Krise
Weber und Weischer blicken trotz der coronabedingten Einbußen sehr optimistisch in die Zukunft. Dafür haben die beiden auch gute Gründe: Denn a) haben sie glücklicherweise unmittelbar vor der Corona-Krise den Grundstein für ihre künftige Multichannel-Strategie gelegt und b) wird ihre Ware auch unabhängig von Corona wiederkehrend von werdenden Eltern benötigt. Und wenn es aus Sicht von Baby One richtig gut läuft, dann eventuell sogar besonders häufig in rund neun Monaten – das wäre dann immerhin mal eine der wenigen positiven Auswirkungen der coronabedingten häuslichen Quarantäne.
Über Baby One
Baby One wurde 1988 als „Babyland“ in Freudenberg bei Siegen gegründet und fünf Jahre später in „BabyOne“ umbenannt. Das mittelständische Familienunternehmen zählt nach eigenen Angaben über 1500 Mitarbeiter. Die beiden Inhaber Gabriele und Wilhelm Weischer waren die ersten Franchise-Nehmer, als sie 1992 ihren ersten Baby-One-Fachmarkt in Münster eröffneten. Im Jahr 2003 zog das Unternehmen mit seiner Zentrale in die nordrheinwestfälische Fahrradstadt.
In der BO1 Agentur für Handelsmarketing GmbH – einer 100-prozentigen Tochter der Baby One Franchise- und Systemzentrale GmbH – hat Baby One von der unternehmensweiten Marketingstrategie bis zum Aufbau einer lokalen Printanzeige alle Marketingaktivitäten intern gebündelt. Ein Team von Grafikern und kaufmännischen Mitarbeitern kümmert sich um die Positionierung der Marke Baby One und des Eigenmarkenkonzeptes „BO“ sowie um sämtliche kommunikativen Maßnahmen, die über das Jahr individuell auf die lokalen Bedürfnisse der Partner angepasst werden.