Überregionale Wochenzeitungen mitsamt ihren Supplements und Elternzeitschriften sind die großen Gewinner der heute vorgestellten Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) 2015. Mit einem Zuwachs der relativen Reichweite um 11 Prozent führt das konfessionelle Magazin „Chrismon“ – es liegt unter anderem der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), der „FAZ“, der „Welt“ und der „Welt am Sonntag“ bei – die Rangliste der Gewinner in diesem Segment an. Ähnlich stark zugelegt hat die „Welt am Sonntag“ mit einem Plus von 10 Prozent, dahinter folgen das „SZ Magazin“ (plus 6 Prozent), „VDI Nachrichten“ (plus 5 Prozent) und „Die Zeit“ (plus 4 Prozent).
Printreichweiten schrumpfen
Die Tagespresse kann den Trend sinkender Leserzahlen nicht stoppen. So verlieren die regionalen Tageszeitungen nur leicht um 1 Prozent, während bei „Bild“/„B.Z.“ der Rückgang 4,5 Prozent beträgt, bei den regionalen Kaufzeitungen insgesamt sogar 9 Prozent. Nicht viel besser ist die Situation bei den überregionalen Blättern. Lediglich die „Süddeutsche Zeitung“ verbucht ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr, während die „FAZ“ 3 Prozent ihrer Leser verliert, beim „Handelsblatt“ und der „Welt“ sind es jeweils 4 Prozent.
AWA 2015: Tageszeitungen nach Reichweite | ||||
RW in Mio. | 2015 vs. 2014 | |||
1 | Bild mit B.Z. | 8,84 | -0,45 | -4,8% |
2 | Süddeutsche Zeitung | 1,27 | 0,00 | 0,0% |
3 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | 1,06 | -0,05 | -4,5% |
4 | Die Welt Gesamt | 0,75 | -0,05 | -6,3% |
5 | Handelsblatt | 0,43 | -0,03 | -6,5% |
Quelle: AWA 2015 / Tabelle: MEEDIA |
Die Elternzeitschriften sind neben den Wochenzeitungen die einzige Sparte, die ausnahmslos Reichweitengewinner aufweist. Allen voran stürmt „Baby und Familie“ mit einem Plus von 16 Prozent, ebenfalls kräftig gewachsen ist die Leserschaft von „Kinder“ (plus 11 Prozent) und „Eltern Family“ (plus 9 Prozent).
Trend: Führende Titel verlieren Leser
Insgesamt wurden für die aktuelle AWA 239 Zeitschriften, Wochen- und Monatszeitungen sowie Kundenmagazine untersucht. Die Gesamtreichweite dieser Printmedien ist gegenüber 2014 um 1,8 Prozent gesunken. Auffallend: Von den 50 reichweitenstärksten Titeln werden nur 10 von mehr Menschen gelesen als im Jahr zuvor. Vor allem bei den traditionell reichweitenstarken Programmzeitschriften fallen die Verluste deutlich aus. Das weiterhin führende Magazin „TV Spielfilm plus“, das pro Ausgabe im Durchschnitt 5,6 Millionen Menschen lesen, büßte ebenso wie der zweitgrößte Titel „Hörzu“ 11 Prozent ein. Die Nummer drei im Lesermarkt, „TV Movie“ muss gar mit einem Rückgang von 13 Prozent leben.
Betrachtet man die absoluten Zuwächse, so steht „Landlust“ mit 290.000 Lesern mehr als 2014 ganz vorne. Das ist insofern bemerkenswert, weil sich das Magazin aus dem Landwirtschaftsverlag in Münster mit einer Reichweite von rund 4,5 Millionen bereits auf hohem Niveau bewegt. Die AWA attestiert dem gesamten „Landlust“-Umfeld eine prächtige Entwicklung. Unter den zwölf Titeln mit den meisten zusätzlichen Lesern gegenüber 2014 stammen allein fünf von dort: Neben „Landlust“ sind das „Mein schönes Land“, „Mit Liebe – Das Genussmagazin“, „Lust auf Genuss“ und „Landidee“. Innerhalb weniger Jahre hat sich somit ein Zeitschriftensegment etabliert, das in der AWA acht Titel umfasst und zusammen genommen 8,8 Millionen Leser erreicht.
Zeitschriften: Gründungseifer zahlt sich aus
Es zeigt sich, dass der bei den Zeitschriften sichtbare Gründungseifer nicht nur kurzfristig Früchte trägt. „Viele Neugründungen des letzten Jahrzehnts können auch über eine erste Wachstumsphase hinaus Lesergewinne verbuchen“, resümiert Johannes Schneller, Leiter Mediaforschung beim Institut für Demoskopie Allensbach (IfD), das die seit 1959 jährlich erscheinende AWA herausgibt. Die Zeitschriftennutzung sei gerade in historischer Perspektive bemerkenswert stabil. Im Durchschnitt liest ein deutscher Bürger (ab 14 Jahre) statistisch ermittelte 5,1 Zeitschriften im Erscheinungsintervall – 1975 waren es 5,8, beim Höchststand vor zehn Jahren 6,1.
Das müssen gleichwohl nicht stets die gleichen Magazine sein. Die Lebenszyklen der Zeitschriften haben sich durchaus verändert. „Die Wachstumsdynamik geht von Innovationen aus“, sagt Schneller. Sprich: Die Gründung neuer Titel belebt den Markt. So hat zum Beispiel das Magazin „Dogs“ nach seiner AWA-Premiere 2008 seine Reichweite von damals 230.000 auf nun 400.000 Leser gesteigert, bei der vom Handelskonzern Rewe herausgegebenen Frauenzeitschrift „Laviva“ ist die Zahl der Leserinnen binnen drei Jahren um mehr als die Hälfte auf nun 990.000 gewachsen. Zu den erfolgreichsten Einsteigern der jüngsten Vergangenheit gehört das Fußballkultur-Magazin „11 Freunde“, das wie im Vorjahr auf eine Reichweite von 940.000 Lesern kommt.
Internet: Mobile Nutzung wächst rasant
Die AWA und die ebenfalls vom IfD verantwortete Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA) bestätigen, dass die mobile Nutzung des Internets weiter zunimmt. Laut IfD überschritt in diesem Frühjahr der Bevölkerungsanteil, der das Internet mit einem Smartphone oder einem anderen Handheld-Gerät nutzt, die 50-Prozent-Marke. Die Zugangswege zum Internet verändern sich also, wobei die Entwicklung in erster Linie von den jüngeren Altersgruppen ausgeht. Auch der Tablet-PC wird immer öfter eingesetzt, um online zu gehen, jedoch auf niedrigerem Niveau. Aktuell steuert jeder Fünfte (21 Prozent) mit iPad & Co ins Netz, 2012 waren es erst 3 Prozent und im Jahr darauf 6 Prozent.
Der Zuwachs an mobilen Internetnutzer stehe „in scharfem Kontrast zur Entwicklung der Gesamtnutzerschaften“, teilt die IfD mit. In vielen Themenfeldern des Internets zeigt sich zwei, drei Jahren ein konstantes oder gar rückläufiges Niveau. Zum Beispiel hat sich der Anteil der Nutzer, die politische Informationen aus dem Web beziehen, bei einem Anteil von knapp zwei Dritteln eingependelt. Bei den Themen Wirtschaft, Feuilleton und People ist ebenfalls kein Wachstum mehr erkennbar. „Auch wenn die Nutzung dank der Smartphones näher an den Point of Sale rücken mag, so stagnieren die Gesamtnutzerkreise ebenso wie die Kernnutzerschaften seit einigen Jahren“, fassen die IfD-Forscher ihre Beobachtungen zusammen.
Der steile Anstieg der Nutzerzahlen in den Sozialen Netzwerken scheint erstmal vorbei zu sein. Bei Facebook zum Beispiel hat sich die Quote zwischen 2010 und 2013 auf 40 Prozent mehr als verdreifacht, seither ist der Wert gleich geblieben. Daran wird sich so schnell nichts ändern, wenn die Prognose des IfD eintrifft: „Ein erneuter dynamischer Wachstumsschub ist zumindest kurzfristig nicht in Sicht.“