Wir wissen doch genau, dass die gleichzeitige Ansprache aller Sinne die Markenbekanntheit beim Verbraucher verdoppelt. Verschiedene Umfragen haben gezeigt, dass unser Geruchssinn wahrscheinlich am stärksten zu beeinflussen und am leichtesten anzusprechen ist. Gerüche wecken Erinnerungen und lösen Gefühle aus, die weder gefiltert noch im Kopf analysiert werden, wie dies bei Wahrnehmungen mit unseren anderen vier Sinnen der Fall ist. Wir alle erkennen den Geruch von frisch gemähtem Gras, salziger Meeresluft oder duftender Rosen, der uns emotional stimuliert. Und jeder Autofan liebt den Geruch eines neuen Autos.
Deshalb wird der Geruchssinn manchmal auch ganz gezielt angesprochen. So haben einige Supermärkte in Skandinavien hunderte Meter von Rohrleitungen verlegt, um den Duft von frisch gebackenem Brot zum Eingang ihrer Geschäfte zu leiten. Mit dem köstlichen Duft sollen vorbeigehende Passanten in die Läden gelockt werden. Eine große britische Bank lässt den Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in ihren Filialen verströmen, damit sich die Kunden in der Bank wie zu Hause fühlen. Der Kaffeeduft bewirkt, dass sich die Kunden entspannen, was sie in einem solchen Umfeld sonst sicherlich nicht tun würden.
Aber denken wir auch an die bis jetzt vernachlässigten Sinne Hören und Tasten. Töne und Geräusche wecken ebenfalls Erinnerungen und Gefühle. So verwendet AOL eine Stimme, die viele jugendliche Internetnutzer gut kennen. Die Fans von Brittney Spears können ihre Stimme nicht mehr nur auf CD und Video hören, sondern jedes Mal, wenn Sie die AOL-Seite aufrufen. Dann informiert sie niemand anders als Brittney Spears über den Eingang von E-Mails. Die Firma Kelloggs investiert ebenfalls in die Wirkungsweise akustischer Reize und testet gerade das Knirschen ihrer Cornflakes in einem dänischen Schalllabor, um die „Klangqualität“ der Produkte zu verbessern.
Und was ist mit dem Tastsinn? Einer der Hauptgründe, warum der Kleiderkauf im Internet nie so richtig in Schwung kam, ist, nun ja, man kann es sich denken: die Leute können die Kleidungsstücke nicht berühren. Der Internet-Versender Amazon kennt dieses Problem nicht, da den Leuten im allgemeinen der Inhalt eines Buches wichtiger ist als wie es sich anfühlt. Dagegen müssen Kleidungsstücke gefühlt und anprobiert werden, um Größe, Farbstellung, Stoffqualität etc. festzustellen. Die physische Nähe zu den Produkten ist von elementarer Bedeutung für unsere Kaufentscheidungen, und so hängt unser Kaufverhalten genau davon ab.
Wenn dies alles unbestritten ist, frage ich mich, warum man nirgends auf der Welt Marken findet, für die mit der Ansprache aller fünf Sinne geworben wird. Als einziges Beispiel für umfassendes sensorisches Marketing ist tatsächlich nur Singapore Airlines zu nennen. Die Fluggesellschaft beweist schon seit vielen Jahren, dass sie die psychologische Bedeutung der Ansprache aller fünf Sinne für den Aufbau und die Pflege eines günstigen Eindrucks beim Kunden verstanden hat. Durch die Ansprache aller Sinne (mit einer Kombination von Musik, Düften, Verhalten und Persönlichkeit des Kabinenpersonals, die das Image der Fluglinie widerspiegeln soll) ist es Singapore Airlines gelungen, eine Marke der Flugerfahrung zu schaffen.
Unsere Sinneswahrnehmungen sind ebenso einzigartig wie unsere Erinnerungen und wir werden sehr stark von ihnen beeinflusst. Aus diesem Grund tun Marketingfachleute gut daran, alle fünf Sinne so umfassend wie möglich anzusprechen. Ohne zu übertreiben darf ich behaupten, dass die Möglichkeiten der Markenführung durch die Ansprache aller fünf Sinne erheblich zunehmen. Alles ist vorbereitet, doch das Stück hat immer noch nicht begonnen. Aus den Kulissen beobachten die Marken ein Publikum, das sich aus unseren höchst empfänglichen fünf Sinnen zusammensetzt und das im dunklen Zuschauerraum auf die Marketing-Show wartet, die einfach nicht beginnen will.
Martin Lindstrom ist Autor der Bücher BRANDchild und BRANDsense. Anlässlich des Radio Day 2007 wird er zum Thema Brand Sense sprechen (13.06.07: Congress-Centrum Nord Köln).