„Kohlekonzerne – baggern in der Ferne, zerstören unsre Umwelt nur für’n Batzen Geld! Worin wir unsere Zukunft seh’n: Erneuerbare Energien!“ Mein Cousin ist vier und macht seinen Mund während dem Zähneputzen nur auf, wenn ich mit ihm Demosprüche aufsage. Es gibt viele Eigenschaften, die der jüngsten Generation, der Gen Alpha, zugeschrieben werden: Die Kinder seien „offen und hilfsbereit“ und echte „Digital Natives“.
Wenn ich mir meinen Cousin und seine Freunde anschaue, sehe ich aber vor allem eins: eine Generation, die von multiplen systemischen Krisen betroffen ist. Ein Drittel der Kinder in Deutschland fürchtet sich vor den Folgen des Klimawandels. Mit zunehmendem Alter steigt diese Angst. Und als wären Pandemie und Klimakrise noch nicht genug, mussten seine Eltern meinem Cousin in diesen Tagen erklären, dass ein Krieg in Europa herrscht.
Die Gen Alpha schaut nicht weg
Die Gen Alpha erlebt die Auswirkungen von Krisen, die sie alle nicht geschaffen hat, täglich, aber sie schaut nicht weg und gibt nicht auf. Seit drei Jahren streiken junge Menschen fürs Klima, verlangen von unserer Regierung spürbare und messbare Taten, um die Klimakrise aufzuhalten. Anfang März gingen nach nur zwei Tagen Mobilisierung 120.000 Hamburger Schüler*innen für Frieden und Demokratie auf die Straße.
Meine Freund*innen und ich, Vertreter*innen der Generation Z, haben erkannt, dass unsere Macht im Kollektiv liegt, dass eine andere Welt möglich und nötig ist, Veränderungen aber nur umgesetzt werden, wenn wir sie gemeinsam einfordern. Wir mussten lernen, dass wir nicht irrelevant sind, dass wir nicht erst Schule und Studium abschließen müssen, um eine Stimme zu haben. Wir sind die Vorbilder der nachkommenden Generation, die ihre Rolle in den komplexen Krisen der Gegenwart längst erkannt haben.
Wir können die Krisen nicht alleine lösen
Meine Generation und die meines Cousins können die sich stapelnden Krisen aber nicht alleine lösen, wir müssen uns darauf verlassen können, dass unsere Eltern und Großeltern uns die Hand reichen, statt uns über die Haare zu streichen, ihren Produkten einen grünen Anstrich zu geben und uns weiszumachen, dass wir uns aus den Krisen herauskaufen können.
In Zeiten, in denen der Weltklimarat von einem sich rapide schließenden Zeitfenster spricht, in dem wir noch eine nachhaltige Zukunft schaffen können, wird „fake it till you make it“ nicht reichen, denn die Gen Alpha erkennt die Fakes und muss mit ihren Konsequenzen leben. „Business as usual“ ist schon längst nicht mehr haltbar – vielmehr muss eine Firma ihre Geschäfte und Inhalte an ihre Werte anpassen. Wer behauptet, das Pariser Klimaabkommen zu unterstützen, muss jeden Auftrag und jede*n Kund*in auf das 1,5-Grad-Ziel hin überprüfen.
Dabei werden viele neue Chancen entstehen, aber ich werde jetzt auch nicht so tun, als wären schwierige Entscheidungen leicht. Unternehmen, die den neuen Rahmenbedingungen nicht gerecht werden, verlieren die gesellschaftliche Akzeptanz und somit auch ihre Kund*innen – zumindest die der nächsten Generation.
Helena Marschall schreibt, spricht und organisiert für die internationale Bewegung Fridays for Future. Diese Kolumne erschien zuerst in der April-Printausgabe der absatzwirtschaft.