Ausgang ungewiss

Bahnbrechend, weltbewegend, unglaublich … es wurden viele Adjektive bemüht, um die Neuerungen in Worte zu fassen, die ChatGPT vergangene Woche der Welt präsentiert hat. Doch wo führt diese Entwicklung hin?
header-newsletter-TT-KW46-2023_c_Unsplash
Wir sind auf dem Weg zu einer neuen Super-KI. (© Unsplash)

Wer hatte eigentlich diese Idee? Ob sie genial ist oder fatal, wird sich schon bald zeigen: Künftig können wir ein – jetzt noch leistungsfähigeres – ChatGPT nicht nur nach Informationen und Erklärungen fragen, oder Inhalte erzeugen lassen, sondern uns eigene, individuelle GPT-Bots erstellen – sprich, die KI auf ein Themengebiet oder eine Aufgabe dressieren.  

Jeder kann sich nun seine persönliche, benutzerdefinierte Version von ChatGPT erschaffen, die Anweisungen, zusätzliches Wissen und beliebige Fähigkeiten kombiniert. Programmierkenntnisse sind dafür nicht nötig. Man interagiert mit der KI – und zwar so lange, bis sie das Thema so gut beherrscht, wie man es sich vorstellt. Der Name für die persönlichen Helfer: GPT. Schöpfer*innen können ihre GPTs über Programmierschnittstellen auch mit eigenen Datenbanken verbinden und so zusätzliche Informationen bereitstellen. Ähnlich einer App in einem App-Store lässt sich dieses GPT auf Wunsch im GPT-Store vermarkten und Ersteller*innen werden an den Umsätzen beteiligt. 

Aus Science-Fiction wird Realität 

Wandert nun Know-how im großen Stil in Richtung Künstliche Intelligenz? Davon ist auszugehen. Waren App-Programmierungen noch den Software-Entwickler*innen vorbehalten, werden nun Expert*innen aller Fachgebiete versuchen, mit eigenen Worten die KI für ihre Zwecke anzupassen. Mit jeder Anfrage und jeder Neujustierung geben sie Wissen frei und sorgen für Lerneffekte bei der KI. Damit dürften wir endgültig auf dem Weg zu einer Super-KI sein. Einer technischen Intelligenz, die nicht nur über ein großes Allgemeinwissen, sondern ein enormes Spezialwissen verfügen wird. Die individualisierten GPTs werden genau die Bedürfnisse ihrer Benutzerin oder ihres Benutzers erfüllen können. (Gab es da nicht diesen Science-Fiction-Film, in dem die persönliche KI nicht länger anderen dienen wollte, rebellierte und beinahe die Welt vernichtete? Zum Glück nur ein Film …)  

Viele werden auch dem Ruf des Geldes folgen, GPTs erstellen und sie im GPT-Store anbieten, um mitzuverdienen – und ihr Wissen, wie man Dinge umsetzen kann, großherzig freigeben. Der Haken daran: Ist das Know-how als GPT verfügbar, braucht niemand die echten Menschen zu fragen, die diese Fähigkeiten ursprünglich erworben hatten und sie nun breitwillig – oder sollte man sagen fahrlässig – geteilt haben. Egal, ob es um das Erstellen von Farbkonzepten, Social-Media-Strategien, Landingpage-Optimierungen oder das Konzipieren von Werbekampagnen geht. Für jede nicht physische Fähigkeit wird es bald ein GPT geben, das dies in Sekundenschnelle erledigt wie ein menschlicher Profi. Hören und sprechen kann ChatGPT bereits. Der nächste Schritt wäre dann die Robotik. Aber das ist ein anderes Thema.  

Schon gehört? 

Der Retail-Media-Markt bleibt in Bewegung: Aktuell erweitern Galeria und die Laya Group ihre Zusammenarbeit. Sowohl den Industriepartnern von Galeria als auch externen Werbetreibenden soll dadurch ein optimiertes Multichannel-Mediaangebot unterbreitet werden. Galeria bündelt ihre Media Assets – unter anderem POS-Flächen, Prospekt-Inventar, Digital Out of Home, Online, CRM und Social Media – bei der Laya Media, die dieses Inventar zu einem übergreifenden Retail-Media-Angebot schnürt und vermarktet. Auch im Search-Advertising-Markt tut sich was. Platzhirsch Google weitet seine KI-gestützte Suche auf mehr als 120 neue Länder aus und unterstützt vier weitere Sprachen (Spanisch, Portugiesisch, Koreanisch und Indonesisch). 

In Bewegung bleibt ebenfalls der Online-Display-Werbemarkt auf der Suche nach Cookie-Alternativen. Viele Marketer scheinen mittlerweile fündig geworden zu sein. Laut einer Umfrage des europäischen Identity-Spezialisten ID5 haben 72 Prozent der Befragten eine oder mehrere Identitätslösungen eingeführt, weitere 20 Prozent planen, in den kommenden Monaten eine Alternative einzuführen. Das ist insofern bemerkenswert, dass im Jahr 2022 nur 32 Prozent der Werbetreibenden eine ID-Lösung als Cookie-Alternative implementiert hatten. Eine Identity-Lösung von vielen ist die so genannte NetID. Die Organisation dahinter, die European NetID Foundation, kooperiert jetzt mit InfoSum. Über die Technologie des Data-Clean-Room-Anbieters können Advertiser ihre First-Party-Daten datenschutzkonform mit First-Party-Daten von NetID-Partnern abgleichen. Dem Anbieter zufolge gibt es aktuell 15 Millionen aktive NetID-Nutzer*innen. 

Übrigens: Während im Display-Advertising hart um Werbezustimmungen gekämpft werden muss, ist das in einem anderen Kanal momentan kein Problem. Beim Unterhaltungskonzern Disney haben sich im vierten Quartal mehr als 50 Prozent der neuen US-Abonnenten für das werbefinanzierte Disney+-Produkt entschieden. Streaming plus Werbung – das scheint gut zu passen.   

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!  

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.