ARD erklärt Funktionsweise von Marken wie H&M, McDonald´s und Lidl

Das Fernsehen nimmt zur besten Sendezeit McDonald’s & Co unter die Lupe. Und fünf bis sechs Millionen Menschen schauen zu. Für ein Wirtschaftsthema im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – und das zur Primetime – ist das überragende Reichweite.

Von Roland Karle

Die Volkshochschule in bewegten Bildern hat jenseits aller Quotenbetrachtungen und Geschmacksdiskussionen echte Stärken. Sie bringt nicht nur Otto Normalverbraucher das Marketing-Einmaleins nahe, sondern auch Unternehmer und Manager können etwas lernen, wenn sie gut aufpassen. „An welche Marke denken Sie bei Fast Food?“ werden Passanten gefragt. Was sie vor laufender Fernsehkamera ins Mikrofon antworten, überrascht nicht: Am häufigsten genannt wird McDonald’s. So findet die ARD also in einer Straßenumfrage heraus, wenn auch ohne den Anspruch auf repräsentativen Charakter, dass „Mäckes“ in den Köpfen der Deutschen als führende Schnellfutter-Filiale ungefähr so präsent ist wie Tempo, wenn man sich nach Papiertaschentüchern erkundigt.

Die Geschmacksnerven senden allerdings unterschiedliche Signale. „Isch würd nich sachen“, beginnt der Rentner seinen Kommentar, wischt dann erst mal seine Brillengläser und ringt sich schließlich zum Urteil durch, „dass es überragend schmeckt.“ Fröhlich ruft hingegen eine Mutter in die Kamera: „Unsere Kinder sind begeisterte McDonald’s-Esser.“ Als ob sie in den Geruch geraten könnte, ihre Aufsichtspflicht verletzt zu haben, schickt sie schnell hinterher, dass mit den Kleinen gesundheitlich alles in Ordnung sei. „Sie sind wohl geraten.“

Eine dreiviertel Stunde lang lief am vergangenen Montag „Der McDonald‘s-Check“, eine Woche zuvor hatte die ARD bereits Lidl unter die Lupe genommen, am Montagabend (23. Januar) stand im dritten und vorletzten Teil der Markencheck-Reihe die Modekette H&M im Fokus der Fernsehmacher. Am 6. Februar legt der Sender dann den Media-Markt unter sein Marken-Mikroskop. Die Aktion Warentest verläuft stets nach ähnlichem Muster. Es werden Experimente mit Passanten und Probanden durchgeführt, Stimmen eingeholt und Studien herangezogen, natürlich darf auch das Urteil von Wissenschaftlern und Marktforschern nicht fehlen.

Ein Schema, das offensichtlich funktioniert: 5,2 Millionen Menschen haben zugeschaut, wie beim McDonalds-Check Konsumenten zu Wort kamen, Geschmacks- und Wiedererkennungstests gemacht, unabhängige Fachleute und McDonald‘s-Manager befragt wurden. 2,2 Millionen des Publikums waren zwischen 14 und 49 Jahre alt. In der jungen TV-Zielgruppe erreichte der McDonald’s-TÜV am Sendetag die drittmeisten Zuschauer. Schon in der Woche zuvor hatte das Erste zur Markencheck-Premiere eine überraschend hohe Reichweite erzielt. Auch „Der Lidl-Check“ hatte es in die Top drei bei den 14- bis 49-Jährigen geschafft und war im Gesamtpublikum mit 6,3 Millionen Sehern sogar die Nummer zwei. Für ein Wirtschaftsthema im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur Primetime ist das ein überragender Wert.

Rezensenten kritisieren an dem Format, dass es die Infotainment-Masche der privaten Sender kopiere. Aber taugt das wirklich zum Vorwurf? Schließlich beweist die anhaltende Berichterstattung über den schlingernden Euro, wankende Finanzmärkte und ängstigende Schuldenkrise, dass Wirtschaft ein zentrales Thema geworden ist, aber das Publikum oft nur Bahnhof versteht. Das bestätigt beispielsweise eine Analyse der deutschen Industrie- und Handelskammern (IHK). Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seit einiger Zeit zwar mehr als früher über wirtschaftliche Ereignisse berichtet. Wenn es um die Eurokrise geht, ist der Erkenntnisgewinn für die Zuschauer aber allzu oft dürftig. Die Fernsehbeiträge seien sehr atmosphärisch angelegt, bleiben aber deskriptiv und erklären zu wenig die Zusammenhänge. Die Innovativeren in Sachen Wirtschaft waren laut Studie die Privatsender. So erzielte RTL mit der Serie „Undercover Boss“, bei der Führungskräfte inkognito das eigene Unternehmen an der Basis kennenlernen, überdurchschnittlich hohe Einschaltquoten.

Die Markenchecker von der ARD liefern so etwas wie einen Volkshochschulkurs für Wirtschaft und Marketing in bewegten Bildern. Sie gehen dabei systematisch und spielerisch zugleich vor. Allein schon, welche vier Hauptfächer sie für das Zeugnis ausgewählt haben: Geschmack („enttäuschend“), Verführung („raffiniert“), Bekömmlichkeit („gering“) und Fairness („unzureichend“). Dabei orientieren sie sich an den Markentests des WDR, bei dem vergangenes Jahr Unternehmen wie Aldi, Ikea und Tchibo auf den Prüfstand kamen – und dort im dritten Programm bereits überdurchschnittliche Einschaltzahlen erzielten.

Ehrlich gesagt, hat man doch schon vor der Ausstrahlung gewusst oder zumindest geahnt, dass Pommes und Burger aus der McDonald’s-Küche kein Gaumenschmaus sind und ziemlich schwer im Magen liegen. Gelernt haben die Zuschauer, wenn sie gut aufgepasst haben, dass es nicht rein auf das Produkt oder den Preis ankommt, sondern dass „das Gesamtpaket stimmen muss“, wie es an einer Stelle im Film heißt. Eine Weisheit aus dem Lehrbuch (auch wenn sie dort anders formuliert wird), zu finden in den Kapiteln „Markenpositionierung“ und „Marketing-Mix“.

Der Fachmann staunt (manchmal), der Laie wundert sich (öfter) zum Beispiel, wie perfekt McDonald’s alle Register des Kindermarketings zieht. Die Jungen werden aufgefordert, selbst zu bestellen. Sie finden eigens auf Körpermaß gestutzte Tresen vor und dürfen futtern, völlig befreit von Messer und Gabel. Vor allem aber: „Bei uns soll Essen Spaß machen“, betont Mäckes-Sprecher Matthias Mehlen. Und deshalb gibt es das Spielzeug zur Speise (Happy Meal!). Immer wieder was Neues, bevorzugt Lizenzprodukte zu aktuellen Themen wie derzeit „Tim und Struppi“. Besonders „raffiniert“: Sammelspielzeug. Darauf fahren Kinder ab, und ihre Eltern folgen. Ja, sicher, da kommt man gerne öfter. Und Mäckes sagt danke.

So wird aus der Marke eine Burger-Bewegung. Eye-Square-Geschäftsführer Michael Schießl bestätigt mit Zahlen aus der Blickaufzeichnung: Wenn Kinder auf Verpackung und Einzelteile des Happy Meals gucken, ruht ihr Blick im Durchschnitt zwei Sekunden lang auf dem Essen und fast doppelt so lange (3,5 Sekunden) auf dem Spielzeug. So lernt der Zuschauer ganz nebenbei, wie Marketing und Marktforschung arbeiten und was sich hinter Konsumentenpsychologie und Gehirnforschung verbirgt.

Jenseits aller TV-Geschmacksdiskussionen bleibt festzuhalten: Was Marken sind, wie sie funktionieren und wie sie beeinflussen, hat die ARD für Otto Normalverbraucher anschaulich aufbereitet. Die Markencheck-Reihe übersetzt Wirtschaft aus der Fachsprach in verständliches Populär-Deutsch – auf fachlich ordentlichem Niveau. Man hat sich im Fernsehen schon schlechter unterhalten gefühlt und mühsamer informieren müssen.

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