Von der „epistole zum Erfolgsfaktor
Mittelstand braucht mehr als Standard
Integrationfähige Software
Lösungen für komplexe Produkte
Die Autoren
Von der „ePistole“ zum Erfolgsfaktor
Viele mittelständische Unternehmen sind Zulieferer großer Konzerne. Im Zuge von Rationalisierungs- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen, haben die meisten Großunternehmen eBusiness-Lösungen eingeführt und versuchen nun im Sinne des Supply Chain Management auch die Koordination der Lieferanten auf eine elektronische Basis zu stellen. Von ihren meist mittelständischen Zulieferern fordern sie daher, dass sie ihre IT-Systeme technisch für eine Kopplung der Business-Lösungen öffnen bzw. dass sie sich an gemeinsamen Lieferantenplattformen beteiligen. Auch die mittelständischen Unternehmen, die von ihren Großkunden nicht die „ePistole“ auf die Brust gesetzt bekommen, werden über kurz oder lang elektronisch mitziehen müssen. Sie werden von Markt und Wettbewerb dazu gezwungen.
Der Einstieg ins eBusiness ist deshalb für die meisten mittelständischen Unternehmen keine Frage des Wollens mehr. Aber mit der passenden eStrategie und durch eine geschickte Integration der eBusiness-Lösungen in die bestehenden IT-Strukturen, wird eCommerce von einer lebensrettenden Maßnahme zum Erfolgsfaktor.
Mittelstand braucht mehr als Standard
Viele der auf dem Markt angebotenen eCommerce-Lösungen sind erstens als Insellösung konzipiert und zweitens nicht dazu geeignet, komplexe Produkte, wie etwa aus vielen Komponenten bestehenden Maschinen, zu verkaufen.
Wegen der fehlenden Integrationsfähigkeit werden eBusiness-Lösungen oft parallel zu einer bestehenden Back-Office-Lösung auf AS400-, Windows-NT oder Unix-Systemen aufgebaut. Da die Software aber abgesehen vom FrontEnd – sei dies nur eine Schnittstelle zum Kundensystem oder ein „wirklicher“ Online-Shop – keinerlei Verbindung nach außen hat, müssen alle Daten getrennt nachgehalten werden. Ändern sich Verfügbarkeiten, Preise oder Produktspezifikationen, wird es nötig, diese manuell in die Datenbank des Online-Shops zu übertragen. Abgesehen von der Mehrarbeit, die so entsteht, stehen den Kunden bei Lösungen dieser Art nie die aktuellsten Informationen zur Verfügung – in Zeiten des just-in-time-Konzepts kann dies gravierende Folgen haben.
Mit einer eCommerce-Applikation dieser Art erschließt sich mittelständischen Unternehmen zwar ein neuer Vertriebsweg. Anstatt aber unnötigen Aufwand zu reduzieren, erhöht die Insellösung eher Verwaltungs- und Vertriebskosten. Zudem trägt sie in keinster Weise dazu bei, die Geschäftsprozesse über die Segmente der Wertschöpfungskette hinweg zu integrieren und damit zu optimieren.
eBusiness im Sinne der beiden vorhergehenden Artikel als ganzheitliche Integration der Unternehmensfunktionen verstanden, benötigt Lösungen, die einen durchgängigen Datenfluss von der Kundenschnittstelle bis zur Lagermanagement-Software ermöglichen.
Erst dann wird aus eCommerce eBusiness. Soll dieses Vorhaben nicht in unbezahlbare Entwicklungskosten für eine Individuallösung münden, sind noch vor dem Projektstart einige elementare Entscheidungen richtig zu treffen.
Integrationfähige Software
Der Schlüssel zu einer raschen und kostengünstigen Einführung von eBusiness im mittelständischen Unternehmen ist die Integrationsfähigkeit neuer Lösungen in die bestehende IT-Infrastruktur. So ist es z. B. existentiell, dass tBusiness- und eBusiness Applikationen (tBusiness = tradtional Business) auf eine einheitliche Datenbank mit Kunden und Produktdaten zurückgreifen. Bei der Evaluierung gehört die problemlose Backendintegration zu den wichtigsten Kriterien.
Auch bei neu einzuführenden Lösungen für die anderen Unternehmensfunktionen ist darauf zu achten, dass sie möglichst Web-basiert arbeiten und nicht als Insellösungen konzipiert sind. Nur so lässt sich, in den meisten Fällen wohl peu á peu, die geforderte durchgängige IT-Landschaft formen.
Bislang waren unternehmensübergreifende eBusiness-Anwendungen, wie oben beschrieben, nur für große Konzerne rentabel; für den Mittelstand überwogen die hohen Entwicklungskosten oft den möglichen Gewinn. Inzwischen gibt es jedoch immer mehr Web-basierte, hochskalierbare und anpassungsfähige Softwareplattformen, mit denen die Entwicklungskosten und -zeiten für durchgängige IT-Lösungen auf ein Minimum reduziert werden können.
Damit sind die Potentiale des eBusiness, die im letzten Beitrag erörtert worden sind, auch für mittlere Unternehmen ausschöpfbar. Das profitable e ist nicht mehr nur den Ciscos und General Electrics dieser Welt vorbehalten. Vor wenigen Jahren noch als Science-Fiction diskutierte Szenarien, wie das Folgende, werden damit auch für den Mittelstand realisierbar:
Die Kunden stellen im Online-Shop eines mittelständischen Unternehmen ihren Warenkorb individuell zusammen. Dabei unterstützt sie eine intelligente Software-Lösung, die auch dafür sorgt, dass nur die Produkte, die auch aktuell lieferbar sind im Warenkorb landen, in Echtzeit alle Produktspezifikationen in der zentralen Datenbank abfragt und die individuell für diese Kunden geltenden Preise anzeigt. Sendet der Kunde nun seine Bestellung ab,wird für die Auslieferung automatisch bei der eigenen Fahrzeugflotte ein Termin vorgemerkt oder ein Speditionsunternehmen beauftragt.
Wenn das Unternehmen sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Auslieferungsseite nach just-in-time und build-to-order Konzepten ohne Lager arbeiten möchte, liefert ein angepasstes eBusiness geldwerte Unterstützung: Der Online-Shop leitet dann eingehende Bestellungen an die Software in der Beschaffung weiter. Diese ordert die benötigten Komponenten direkt beim Zulieferer – im besten Fall vollständig automatisiert über dessen eCommerce-Schnittstelle. Bei diesen Software-to-Software-Orders hat Personal nur noch kontrollierende Funktion.
Der Mittelständler Josef Bohle Stiftung & Co. KG zeigt, dass das soeben beschriebene Szenario nicht mehr nur eine Vision der IT-Branche ist, sondern in der Praxis bereits sinnvoll zur Anwendung kommt. Auf Basis einer Magic-Lösung hat Bohle seine bestehenden IT-Systeme – Warenwirtschaft, Kunden- und Produkt-Datenbanken auf einem IBM AS/400-Rechner – mit der eigentlichen eCommerce-Applikation „verschmolzen“. Dadurch kann die Lösung weit mehr, als die Kunden auf der Website zu identifizieren und ihnen aufgrund ihrer Historie aktuelle Angebote zu unterbreiten. Auch die logistischen Prozesse bis hin zur europaweiten Auslieferung der Ware sind durch die Integration „lehrbuchgemäß“ optimiert.
Lösungen für komplexe Produkte
Ein zweite Aufgabe, die sich einem großen Teil des Mittelstandes bei der Einführung von eBusiness stellt, ist die Komplexität der angebotenen Produkte und die Individualität der dahinterliegenden Prozesse. Die aktuellen eCommerce-Standardlösungen sind in der Regel als elektronische Regale für Standardprodukte konzipiert. Variantenreiche Maschinen, Motoren oder andere Systemlösungen finden darin nur schwer Platz. Deshalb ist ein weiteres wesentliches Entscheidungskriterium für eCommerce-Software ihre Flexibiltät und Anpassbarkeit.
Ideale Grundlage für eBusiness-Applikationen sind daher skalierbare Basisplattformen, die alle Standardfunktionen für eCommerce schon mitbringen, aber ansonsten frei an gegebene Produkte und Prozesse anpassbar ist. Solche Standardfunktionen sind z. B. Warenkorb, Katalogtemplates, One-to-one-Marketing-Features oder auch die Berechnung unternehmenskritischer Kennzahlen.
Auch hier zeigt eine Beispiel aus dem Mittelstand, dass es sich nicht um eine unrealistische Vision handelt. Der italienische Maschinenbauer Bonfiglioli Riduttori, mit 1000 Mitarbeitern und 400 Milliarden Lira Umsatz (1998) einer der führenden europäischen Hersteller von Elektromotoren für Industrieanlagen und mobile Systeme wie Kräne, Bagger usw., vertreibt seine Systemlösungen mit Hilfe eines Produktkonfigurators online. Die Kunden können damit Elektromotoren konfigurieren, kalkulieren und sofort bestellen. Dabei prüft das System automatisch und in Echtzeit, ob alle Komponenten zusammenpassen und verfügbar sind.
Fazit ist: die technischen Möglichkeiten für ganzheitliches eBusiness sind vorhanden. Am Markt stehen Softwarelösungen zur Verfügung, die es Mittelständlern erlaubt, sich mit vernünftigem Personal, Geld und Zeiteinsatz zu profitablen eUnternehmen zu wandeln.
Thomas Braun ist Director of Marketing der Magic Software Enterprises Deutschland GmbH in Ismaning bei München.
Hartmut Giesen und Malte Gather sind Mitarbeiter der TEMA Technologie Marketing in Aachen.